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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1985:J000185.19850220
Datum der Entscheidung: 20 Februar 1985
Aktenzeichen: J 0001/85
Anmeldenummer: 82300694.5
IPC-Klasse:
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: Westinghouse
Name des Einsprechenden:
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Wird eine an das Amt zu entrichtende Gebühr durch Scheck auf ein Bankkonto der Europäischen Patentorganisation eingezahlt, und der Zahlungsbetrag auf dem Konto “mit dem üblichen Vorbehalt” gutge- schrieben, bevor der Scheck zur Zahlung vorgelegt wird, so kann das Datum der Gutschrift auf dem Bankkonto als Zahlungstag ange- sehen werden, sofern der Scheck später eingelöst wird.
Relevante Rechtsnormen:
Rules relating to fees Art 5(1)(d)
Rules relating to fees Art 8(1)(a)
Rules relating to fees Art 8(1)(c)
Schlagwörter: Zahlung durch Scheck
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0011/12

Sachverhalt und Anträge

I. Am 11. Februar 1982 reichte die Beschwerdeführerin die europäische Patentanmeldung Nr. 82 300 694.5 unter Beanspruchung der Priorität einer am 12. Juni 1981 in den Vereinigten Staaten eingereichten nationalen Patentanmeldung ein.

II. Der europäische Recherchenbericht wurde am 22. Dezember 1982 veröffentlicht; am 24. Mai 1983 wurde Prüfungsantrag gestellt. Der damalige Vertreter der Beschwerdeführerin wollte die Prüfungsgebühr mit einem auf sein Firmenkonto ausgestellten Scheck entrichten, den er an die Londoner Bank sandte, bei der die Europäische Patentorganisation ein Konto unterhält. Der Scheck ging bei der Bank am letztmöglichen Zahlungstag, dem 22. Juni 1983, ein und wurde am selben Tag auf dem Konto der Europäischen Patentorganisation gutgeschrieben. Das Europäische Patentamt erhielt später ein schriftliches Avis der Bank, daß der Gebührenbetrag der Europäischen Patentorganisation “mit dem üblichen Vorbehalt” gutgeschrieben worden sei.

III. Am 13. Juli 1983 buchte die Bank den Gebührenbetrag vom Bankkonto der Organisation als “nicht eingelöst” ab, da der Scheck uneingelöst mit dem Vermerk “zurück an Aussteller, um Wiedervorlage wird gebeten” zurückgekommen war. Die Bank legte den Scheck noch am selben Tag erneut vor, und diesmal wurde er angenommen. Daraufhin wurde der Gebührenbetrag am selben Tag auf dem Bankkonto der Organisation wieder gutgeschrieben.

IV. Dem damaligen Vertreter der Beschwerdeführerin wurde am 12. August 1983 schriftlich mitgeteilt, daß die Gebühr am 13. Juli 1983, also nach Ablauf der in Artikel 94 (2) EPÜ festgelegten Frist, gezahlt worden sei. In der Mitteilung hieß es weiter, daß der Mangel gemäß Regel 85b EPÜ durch Zahlung einer Zuschlagsgebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist behoben werden könne. Die Mitteilung wurde mit eingeschriebenem Brief verschickt; jedoch liegt kein Nachweis vor, daß der betreffende Vertreter sie auch erhalten hat.

V. In einer zweiten Mitteilung vom 28. September 1983 wurde der Vertreter darauf hingewiesen, daß die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen gelte, weil die Prüfungsgebühr nicht innerhalb der Frist nach Artikel 94 (2) EPÜ und Regel 85b EPÜ gezahlt worden sei. Dabei wurde auf das Schreiben vom 12. August 1983 Bezug genommen. Dem Vertreter wurde mitgeteilt, daß er eine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ beantragen könne, falls er der Auffassung sei, daß diese Feststellung nicht zutreffe. Auch diese Mitteilung wurde mit eingeschriebenem Brief verschickt, und auch hier gibt es keinen Nachweis, daß sie den Vertreter erreicht hat.

VI. Am 31. Januar 1984 wurde der mit Scheck eingezahlte Gebührenbetrag an den Vertreter zurückgezahlt.

VII. Am 19. März 1984 ging beim Europäischen Patentamt eine im Namen der Beschwerdeführerin unterzeichnete Vollmacht ein, in der die derzeitigen Vertreter der Beschwerdeführerin bestellt wurden und die Vollmacht des früheren Vertreters widerrufen wurde. In einem gleichzeitig mit dieser Vollmacht eingegangenen Schreiben beantragten die derzeitigen Vertreter in Bezug auf diese Anmeldung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; dem Schreiben lag eine ausführliche Begründung des Antrags bei. Die Wiedereinsetzungsgebühr wurde am 15. März 1984 entrichtet.

VIII. Mit Entscheidung vom 11. April 1984 gab ein Formalsachbearbeiter der Generaldirektion 2 dem Antrag auf Wiedereinsetzung zunächst statt; diese Entscheidung sollte jedoch durch die hier angefochtene zweite Entscheidung vom 3. Juli 1984 mit der Begründung aufgehoben werden, daß die Entscheidung vom 11. April 1984 von einer Instanz getroffen worden sei, die für die Entscheidung über die unterlassene Handlung nicht zuständig sei. Zuständig hierfür sei die Eingangsstelle.

IX. Mit Schreiben vom 21. August 1984, das am 23. August 1984 einging, legten die Vertreter der Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung vom 3. Juli 1984 Beschwerde ein. Die Beschwerdegebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet.

X. In der am 2. November 1984 rechtzeitig eingereichten Beschwerdebegründung behauptete die Beschwerdeführerin, daß die Entscheidung vom 11. April 1984 rechtskräftig sei und nicht aufgehoben werden könne. Hilfsweise brachte sie vor, daß die betreffende Instanz für die Entscheidung zuständig gewesen sei oder daß es im Ermessen des Amts liege, eine von einer falschen Instanz getroffene Entscheidung nicht aufzuheben. Wenn die Prüfungsgebühr, so führte sie weiter aus, auf dem Bankkonto der Europäischen Patentorganisation am 22. Juni 1983 gutgeschrieben worden sei, so sei sie rechtzeitig entrichtet worden, auch wenn der Scheck erst am 13. Juli 1983 eingelöst worden sei. Falls aber eine Zuschlagsgebühr zahlbar gewesen sei, könnte in diesem besonderen Fall deren Nichtzahlung entsprechend Artikel 9 (1) GebO unberücksichtigt bleiben. Die Beschwerdeführerin behielt sich vor, eine mündliche Verhandlung zu beantragen, falls die Juristische Beschwerdekammer der Beschwerde anders nicht stattgeben könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist somit zulässig.

2. Die derzeitigen Vertreter der Beschwerdeführerin haben in der Beschwerdebegründung viele Hilfsbegründungen und -argumente vorgebracht. Die Kammer hält es für angebracht, zunächst zu prüfen, ob die Prüfungsgebühr ohne die Zuschlagsgebühr zu Recht als rechtzeitig gezahlt angesehen werden kann, obwohl die Zahlung auf dem Bankkonto “mit dem üblichen Vorbehalt” gutgeschrieben und der Scheck erst später eingelöst worden ist.

3. Nach Artikel 5 (1) a) GebO können an das Europäische Patentamt zu zahlende Gebühren durch Einzahlung auf ein Bankkonto des Amts entrichtet werden. Nach Artikel 8 (1) a) GebO gilt als Zahlungstag der Tag, an dem der eingezahlte Betrag auf dem Bankkonto gutgeschrieben wird. “Zahlung” ist ein allgemeiner Begriff, der auch die Zahlung durch Scheck einschließt. Wird ein Scheck beim Amt eingereicht, so gilt als Zahlungstag der Tag, an dem der Scheck beim Amt eingeht, “sofern dieser Scheck eingelöst wird” (vgl. Art. 5 (1) d) und 8 (1) c) GebO).

4. Die Kammer soll sich nun der Auffassung der Beschwerdeführerin anschließen, daß bei Zahlung auf ein Bankkonto des Amts durch einen erst später eingelösten Scheck nach der Gebührenordnung der ursprüngliche Tag der Verbuchung auf dem Konto als Zahlungstag gelten kann, auch wenn der eingezahlte Betrag später vom Konto wieder abgebucht und dann erneut auf dem Konto verbucht wird.

5. Nach der englischen Bankpraxis wird ein Scheck, der mit dem Vermerk “zurück an Aussteller, um Wiedervorlage wird gebeten” zurückgeschickt wird, in der Regel daraufhin nochmals vorgelegt. Dies ist auch im vorliegenden Fall geschehen, und der Scheck wurde bei der ersten Wiedervorlage eingelöst.

6. Die Nachforschungen der Kammer haben ergeben, daß der von der Bank in ihrem Zahlungsavis an das Amt erwähnte “übliche Vorbehalt” in der englischen Bankpraxis üblich ist und bedeutet, daß der gutgeschriebene Betrag vom Konto des Kunden wieder abgebucht werden kann, wenn der Scheck nicht eingelöst wird. Zunächst liegt jedoch ein echtes Guthaben vor. Der Kunde kann es abheben, sofern er bereit ist, das Risiko einzugehen, daß er bei Nichteinlösung des Schecks Überziehungszinsen bezahlen muß, und für große Organisationen, deren Kundenschecks meistens bereits bei der ersten Vorlage eingelöst werden, ist dieses Risiko sicherlich nicht besonders groß.

7. Im vorliegenden Fall kann man daher wohl zu Recht annehmen, daß die Gebühr rechtzeitig im Sinne des Artikels 8 (1) a) GebO entrichtet worden ist. Der Scheck wurde bei der Wiedervorlage eingelöst, und da der Betrag zwar vom Konto abgebucht, aber am selben Tag wieder gutgeschrieben wurde, hat für die Europäische Patentorganisation de facto zu keinem Zeitpunkt ein finanzielles Risiko bestanden. Wäre der Scheck nicht eingelöst worden, dann wäre die Lage anders. Sie wäre möglicherweise auch anders, wenn das Rechtsverhältnis zwischen der Bank und der Europäischen Patentorganisation anders geartet wäre, als es hier der Fall war.

8. Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin keine Rechte verloren hat und die Mitteilungen vom 12. August und 28. September 1983 ohne Grund ergangen sind. Der Artikel 122 (1) EPÜ ist aber so abgefaßt, daß er nur zur Anwendung kommt, wenn der Verlust eines Rechts oder eines Rechtsmittels eingetreten ist (vgl. Sache J 01/80, ABl. EPA 1980, 289). Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist somit ohne Grund erfolgt; die Wiedereinsetzungsgebühr ist daher vom Europäischen Patentamt zu Unrecht eingenommen worden und muß an die Beschwerdeführerin zurückgezahlt werden. Daraus ergibt sich ferner, daß die Entscheidung zur Wiedereinsetzung wirkungslos war und das Vorbringen zu dieser Entscheidung und alle übrigen von den derzeitigen Vertretern der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente nicht berücksichtigt zu werden brauchen.

9. Angesichts der besonderen verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten im vorliegenden Fall ist die Kammer nicht der Auffassung, daß das Vorgehen der Formalprüfungsstelle einen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ darstellt, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung des Leiters der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 3. Juli 1984 wird aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, daß die europäische Patentanmeldung Nr. 82 300 694.5 nicht als zurückgenommen im Sinne des Artikels 94 (3) EPÜ gilt.

3. Die Rückzahlung der Wiedereinsetzungsgebühr wird angeordnet.