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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1999:J002198.19991025
Datum der Entscheidung: 25 October 1999
Aktenzeichen: J 0021/98
Anmeldenummer: 93102384.0
IPC-Klasse: C09G 1/10
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung: Kationische Emulgatoren enthaltende Polituren für Metalloberflächen und die darin enthaltenen kationischen Emulgatoren
Name des Anmelders: Ausimont S.p.A.
Name des Einsprechenden:
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: Der Anmelder hat Anspruch auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr, wenn die Erfordernisse der Artikel 14 (2) und (4) sowie 94 (2) EPÜ erfüllt sind, was unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls durchaus möglich sein kann, auch wenn der Prüfungsantrag in einer Amtssprache eines Vertragsstaats, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist, nicht zusammen mit dem Erteilungsantrag eingereicht worden ist.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 14(2)
European Patent Convention 1973 Art 14(4)
European Patent Convention 1973 Art 23(3)
European Patent Convention 1973 Art 75
European Patent Convention 1973 Art 92
European Patent Convention 1973 Art 94(1)
European Patent Convention 1973 Art 94(2)
European Patent Convention 1973 Art 94(3)
European Patent Convention 1973 Art 164(1)
European Patent Convention 1973 Art 164(2)
European Patent Convention 1973 R 6(1)
European Patent Convention 1973 R 6(2)
European Patent Convention 1973 R 6(3)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 69(2)
European Patent Convention 1973 R 85b
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(2)
Rules relating to fees Art 12
Guidelines for examination in the EPO A XI, 9.2(3)
Schlagwörter: Gebühren – Ermäßigung – Frist für die Einreichung eines Prüfungsantrags in einer Amtssprache eines Vertragsstaats, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist
Gebühren – Beschwerdegebühr – Rückzahlung – wesentlicher Verfahrensmangel verneint
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
G 0006/91
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0653/99
T 0347/04

Sachverhalt und Anträge

I. Die Anmeldung Nr. 93 102 384.0-2115 wurde am 16. Februar 1993 von Sama Patents im Namen der italienischen Firma Ausimont S.p.A. beim EPA eingereicht. Am 25. August 1993 wurde im Europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts zu dieser Anmeldung hingewiesen. Gemäß Artikel 94 (2) EPÜ begann nach diesem Tag die Frist von 6 Monaten zur Stellung des Prüfungsantrags zu dieser Anmeldung; folglich war der 25. Februar 1994 der letztmögliche Tag für die Antragstellung.

II. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Entscheidung der Eingangsstelle vom 11. August 1998, mit der diese den Antrag der Anmelderin auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr um 20 % nach Artikel 12 (1) der Gebührenordnung (GebO) abgelehnt hat und in der sie erklärt hat, daß die Anmelderin die Prüfungsgebühr mit einer Zuschlagsgebühr in Höhe von 50 % nach Regel 85b EPÜ wirksam entrichtet habe.

III. Zur Stützung ihres Antrags führte die Anmelderin an (s. Schreiben vom 25. Februar 1994), daß sie den Prüfungsantrag in italienischer Sprache fristgerecht (d. h. am 8. Februar 1994) abgeschickt habe und daß dieser Antrag ordnungsgemäß am 10. Februar 1994 beim Europäischen Patentamt eingegangen sei.

IV. In der angefochtenen Entscheidung wies die erste Instanz den Antrag der Anmelderin mit folgender Begründung zurück:

Gemäß der Entscheidung G 6/91 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1992, 491) erwürben die in Artikel 14 (2) EPÜ genannten Personen den Anspruch auf Gebührenermäßigung nach Regel 6 (3) EPÜ, wenn sie das wesentliche Schriftstück der ersten Verfahrenshandlung im Prüfungsverfahren in einer Amtssprache des betreffenden Staats, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist, einreichten und die erforderliche Übersetzung frühestens zum selben Zeitpunkt lieferten. Aus diesem Grund sei es nicht möglich, eine Gebührenermäßigung zu erlangen, wenn ein Schriftstück in einer zugelassenen Nichtamtssprache nach der Übersetzung in die Verfahrenssprache eingereicht werde.

Der Anmelderin würde eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr gewährt, wenn der schriftliche Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache sowie eine Übersetzung in der Verfahrenssprache eingereicht würden.

Im vorliegenden Fall habe die Anmelderin den schriftlichen Prüfungsantrag in italienischer Sprache nicht bereits mit dem Erteilungsantrag eingereicht. Da das EPA-Formblatt 1001, das für die Einreichung des Erteilungsantrags verwendet werden müsse, schon einen vorgedruckten schriftlichen Prüfungsantrag in den Amtssprachen des EPA enthalte, hätte der schriftliche Prüfungsantrag in italienischer Sprache (d. h. in der zugelassenen Nichtamtssprache) nach Auffassung der Eingangsstelle im entsprechenden Feld eingetragen werden müssen. Weiter betonte die Eingangsstelle, daß Informationen über die Verwendung dieses Felds im ABl. EPA 1992, 467 veröffentlicht worden und den Richtlinien, Teil A-XI, 9.2.3, zu entnehmen seien. Außerdem sei in ABl. EPA 1992, 597 auf das neue Antragsformblatt 1001 aufmerksam gemacht worden, in dem Feld 5 im Nachgang zur Entscheidung G 6/91 angepaßt worden sei.

V. Am 27. August 1998 legte die Anmelderin Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle ein und entrichtete gleichzeitig die Beschwerdegebühr. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben. In ihrer am 3. Dezember 1998 eingereichten Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin außerdem die Rückzahlung der Beschwerdegebühr und argumentierte im wesentlichen wie folgt:

a) Aus den Materialien gehe klar hervor, daß den Bestimmungen des Artikels 14 (2) und (4) EPÜ und der Regel 6 (1) und (2) EPÜ die Absicht zugrunde lag, einen zumindest teilweisen Ausgleich für die Nachteile der Angehörigen von Vertragsstaaten zu schaffen, deren Amtssprache nicht Amtssprache des EPA sei.

b) Das vorgedruckte angekreuzte Feld, auf das in der angefochtenen Entscheidung hingewiesen werde, habe lediglich den Zweck, die Möglichkeit eines Rechtsverlusts für den Fall auszuschließen, daß der Anmelder die Prüfungsgebühr innerhalb der vorgeschriebenen Frist entrichte, es aber versäume, den schriftlichen Prüfungsantrag einzureichen.

c) Die angefochtene Entscheidung gehe fälschlicherweise davon aus, daß das vorgedruckte angekreuzte Feld auch die erste Verfahrenshandlung im Prüfungsverfahren darstelle, während die Entscheidung G 6/91 zu Recht zwischen der Prüfung und der Einreichung der Anmeldung unterschieden habe. Es gebe keinen Grund, warum zwischen der Ermäßigung der Prüfungsgebühr und der Einreichung der Anmeldung ein Zusammenhang bestehen sollte. Zum Zeitpunkt der Einreichung könne der Anmelder noch nicht abschätzen, ob es sich lohnen werde, die Anmeldung bis zur Erteilung weiterzuverfolgen. Dies könne erst nach Vorlage des Recherchenberichts beurteilt werden, der über die Bedeutung der verschiedenen angeführten Vorveröffentlichungen Auskunft gebe. Das EPÜ habe eine klare Struktur, die es dem Anmelder ermögliche, das Verfahren abzubrechen, wenn er erkenne, daß der Erlangung eines Patents etwas entgegenstehe. Es ergebe daher keinen Sinn zu verlangen, daß der Prüfungsantrag gestellt werde, solange der Anmelder über den Stand der Technik noch “im dunkeln” tappe, es sei denn, dies werde rein vorsorglich verlangt für den Fall, daß der Anmelder zwar die Gebühr entrichte, die Antragstellung aber versäume.

d) Einen Prüfungsantrag in einer Nichtamtssprache bereits bei der Einreichung der Anmeldung zu verlangen, hätte inakzeptable Konsequenzen: So könnte beispielsweise der Anspruch auf Gebührenermäßigung zu Unrecht nicht geltend gemacht werden, wenn die Anmeldung ursprünglich in einer der Amtssprachen des EPA eingereicht würde, dann aber auf einen Anmelder übertragen würde, der seinen Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats habe, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache sei.

VI. Da weder die Originale noch Kopien des schriftlichen Prüfungsantrags in italienischer Sprache und der Übersetzungen aktenkundig waren, sondern nur ein Computerausdruck über die Zahlung der Prüfungsgebühr, leitete die Kammer von Amts wegen Nachforschungen nach den Originalen dieser Schriftstücke ein. Daraufhin wurde der Beweis dafür erlangt, daß diese Schriftstücke am 10. Februar 1994 beim EPA eingegangen waren.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist somit zulässig.

2. Die angefochtene Entscheidung betrifft den Anspruch des Anmelders auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr um 20 % gemäß Artikel 14 (2) und (4) EPÜ, Regel 6 (3) EPÜ und Artikel 12 Gebührenordnung. Die Eingangsstelle wies den entsprechenden Antrag der Anmelderin mit der Behauptung zurück, sie habe die Erfordernisse, die sich aus der Entscheidung G 6/91 der Großen Beschwerdekammer ergäben und insbesondere in den vorstehend genannten Richtlinien A-XI, 9.2.3 niedergelegt seien, nicht erfüllt. Gemäß der angefochtenen Entscheidung hätte zur Erfüllung der oben genannten Erfordernisse der schriftliche Prüfungsantrag in italienischer Sprache im vorgedruckten Feld des EPA-Formblatts 1001 eingetragen oder dem EPA zusammen mit diesem Formblatt zugeschickt werden müssen. Da am 16. Februar 1993 (dem Anmeldedatum) kein schriftlicher Prüfungsantrag in italienischer Sprache “im oder zusammen mit Formblatt 1001” eingereicht worden sei, finde die in Artikel 12 GebO erwähnte Ermäßigung der Prüfungsgebühr um 20 % keine Anwendung. Des weiteren zog die Eingangsstelle folgerichtig daraus den Schluß, daß die Beschwerdeführerin (die fristgerecht nur 80 % der Prüfungsgebühr entrichtet hatte) die fehlenden 20 % der Prüfungsgebühr zusammen mit der Zuschlagsgebühr in Höhe von 50 % der vollen Prüfungsgebühr gemäß Regel 85b EPÜ wirksam entrichtet habe; aus diesem Grund könnten diese Beträge nicht erstattet werden.

3. Aus den Nachforschungen, die die Kammer von Amts wegen angestellt hat, hat sich ergeben, daß zu der strittigen Anmeldung (und vier weiteren Anmeldungen) mit Schreiben vom 8. Februar 1994 ein schriftlicher Prüfungsantrag in italienischer Sprache gestellt wurde und am 10. Februar 1994 beim Europäischen Patentamt eingegangen ist. Dem Schreiben beigefügt waren eine englische Übersetzung, ein Gebührenbeleg und ein Scheck für die Prüfungsgebühr, die unter Berücksichtigung der Ermäßigung von 20 % berechnet worden war.

Des weiteren belegen die Unterlagen in der Akte folgende Vorgänge:

a) Am 25. Februar 1994 wurde der Vertreter der Beschwerdeführerin von der Eingangsstelle telefonisch darüber unterrichtet, daß 20 % der Prüfungsgebühr fehlten.

b) Am selben Tag schickte der Vertreter ein Fax in Englisch und wies darauf hin, daß am 8. Februar 1994 ein Prüfungsantrag in italienischer Sprache zusammen mit einer Übersetzung eingereicht worden sei, die beide am 10. Februar 1994 beim EPA eingegangen seien; Kopien dieser Unterlagen wurden übermittelt. Im selben Fax bat der Vertreter um Bestätigung, daß die Zahlung für die Anmeldung ordnungsgemäß erfolgt sei.

c) Mit Fax vom 1. März 1994 informierte die Eingangsstelle den Vertreter darüber, daß ein Anmelder, “der von Artikel 14 EPÜ Gebrauch machen möchte, einen Prüfungsantrag einreichen muß, indem er diesen Antrag in “seiner Sprache nach Artikel 14″ im Formblatt 1001 (Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents) in die rechte Spalte des Felds 5 am Tag der Einreichung einträgt”. Gemäß der Entscheidung G 6/91 sei eine spätere Einreichung des Prüfungsantrags in italienischer Sprache nicht möglich. Da der letztmögliche Termin für die Entrichtung der normalen Prüfungsgebühr bereits verstrichen sei, müsse der Fehlbetrag von 20 % sowie eine Zuschlagsgebühr von 50 % entrichtet werden.

d) Mit Schreiben vom 15. März 1994 schickte die Beschwerdeführerin unter Widerspruch einen Scheck zur Deckung des Fehlbetrags von 20 % sowie der Zuschlagsgebühr von 50 %, damit die Anmeldung nicht nach Artikel 94 (3) EPÜ als zurückgenommen gilt, beantragte nach Regel 69 (2) EPÜ eine Entscheidung in der Sache, damit sie Beschwerde einlegen könne, und führte aus, warum die ursprüngliche Zahlung richtig sei und die Zahlung des angeblichen Fehlbetrags von 20 % sowie der Zuschlagsgebühr von 50 % nicht erforderlich sei.

4. Die Kammer ist überzeugt, daß die Entscheidung der Eingangsstelle in Einklang steht mit den Weisungen, die das Europäische Patentamt im Anschluß an die vorstehend genannte Entscheidung G 6/91 der Großen Beschwerdekammer erlassen hat. In der “Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 3. Juli 1992 über eine Änderung der Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (Teil A)” (ABl. EPA 1992, 467) wird erklärt, daß Anmeldern, die eine Ermäßigung der Prüfungsgebühr gemäß Artikel 14 (4) und Regel 6 (3) EPÜ in Anspruch nehmen möchten, “nachdrücklich geraten [wird], den Prüfungsantrag in der in Betracht kommenden zugelassenen Nichtamtssprache bereits im Erteilungsantrag (Formblatt 1001) … zu stellen”. Außerdem wurde mit Verfügung des Präsidenten des EPA vom 3. Juli 1992 mit Wirkung vom 1. September 1992 Teil A-XI, 9.2.3 der Richtlinien betreffend die Ermäßigung der Prüfungsgebühr wie folgt geändert: “Die Prüfungsgebühr wird ermäßigt, wenn der schriftliche Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache sowie eine Übersetzung in der Verfahrenssprache eingereicht werden. Hierfür muß der schriftliche Prüfungsantrag in der zugelassenen Nichtamtssprache bereits mit dem Erteilungsantrag (Form 1001) eingereicht werden, weil dieser schon einen vorgedruckten schriftlichen Prüfungsantrag in den Amtssprachen des EPA enthält; der schriftliche Prüfungsantrag in der zugelassenen Nichtamtssprache sollte dann in dem für den Prüfungantrag vorgesehenen Feld eingetragen werden. …”

5. Für die Beschwerdekammern sind aber weder die Richtlinien noch irgendwelche anderen Weisungen des EPA bindend. Insbesondere gilt nach Artikel 23 (3) EPÜ: “Die Mitglieder der Kammern sind für ihre Entscheidungen an Weisungen nicht gebunden und nur diesem Übereinkommen unterworfen.” Die Kammer ist daher gehalten und berechtigt, über die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung allein anhand der einschlägigen Vorschriften des Übereinkommens zu entscheiden. Nach Artikel 164 (1) EPÜ ist die Ausführungsordnung Bestandteil des Übereinkommens; im Falle mangelnder Übereinstimmung zwischen Vorschriften des Übereinkommens und Vorschriften der Ausführungsordnung gehen gemäß Artikel 164 (2) EPÜ die Vorschriften des Übereinkommens vor. Somit wird die Beschwerdekammer sich sowohl an die Vorschriften des Übereinkommens als auch an die der Ausführungsordnung halten, vorausgesetzt, letztere stimmen mit den Vorschriften des Übereinkommens überein.

6. Artikel 15 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern sieht vor, daß eine Kammer, die in einer Entscheidung das Übereinkommen anders auslegt, als es in den Richtlinien vorgesehen ist, dies begründet, wenn ihrer Meinung nach diese Begründung zum Verständnis der Entscheidung beitragen kann. Die Kammer erachtet im vorliegenden Fall eine solche Begründung für angebracht.

7. Gemäß Artikel 94 (2) EPÜ kann der Prüfungsantrag vom Anmelder bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Tag gestellt werden, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts hingewiesen worden ist. Der Antrag gilt erst als gestellt, wenn die Prüfungsgebühr entrichtet worden ist.

Betrachtet man diese Vorschrift in Verbindung mit den Vorschriften des Artikels 75 EPÜ (Einreichung der europäischen Patentanmeldung), des Artikels 92 (Erstellung des europäischen Recherchenberichts) und des Artikels 94 Absatz 1 EPÜ, so ist sie nach Meinung der Kammer in dem Sinne auszulegen, daß der Prüfungsantrag im Rahmen des Erteilungsverfahrens einen eigenständigen und von dem (vorangehenden) Schritt der Einreichung der europäischen Patentanmeldung gesonderten Schritt darstellt. Insbesondere zeigt die Vorschrift des Artikels 94 (1) EPÜ, derzufolge der Anmelder einen schriftlichen Antrag stellen muß, damit mit der Prüfung der Anmeldung begonnen wird, daß gemäß dem Übereinkommen die Patentanmeldung nicht als der einzige notwendige Schritt angesehen wird, den der Anmelder für die Erteilung eines Patents vornehmen muß, da ein weiterer Schritt erforderlich ist, nämlich ein schriftlicher Prüfungsantrag, d. h. eine neue Willenserklärung, das Erteilungsverfahren fortzusetzen. Gemäß Absatz 2 desselben Artikels wird dem Anmelder eine Frist für die Einreichung seiner Willenserklärung gesetzt, die nach der Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts abläuft. Dies bedeutet, daß der Anmelder berechtigt ist (in der Vorschrift wird nämlich das Verb “kann” benutzt), das Ergebnis des Recherchenberichts zu erfahren, bevor er entscheidet, ob er durch Stellung des Prüfungsantrags und die Zahlung der entsprechenden Gebühr die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens bewirkt oder ob er das Verfahren abbricht.

8. Es ist auch angebracht, darauf hinzuweisen, daß diese Auslegung offenbar als einzige der “ratio legis” entspricht. Die vorstehend genannten Vorschriften zielen nämlich eindeutig darauf ab, dem Anmelder die Möglichkeit zu verschaffen, die Fortsetzung des Erteilungsverfahrens im Lichte des Ergebnisses des Recherchenberichts sorgfältig zu überdenken. Soweit teilt die Kammer die Meinung der Beschwerdeführerin, wonach der Anmelder zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung noch nicht in der Lage ist zu beurteilen, ob es angezeigt ist, die Sache durch Stellung des Prüfungsantrags weiterzuverfolgen; erst nach der Veröffentlichung des Recherchenberichts im Europäischen Patentblatt erlangt der Anmelder Kenntnis vom Stand der Technik betreffend seine Erfindung, und erst dann kann er diese Entscheidung treffen.

9. Da das Übereinkommen dem Anmelder das Recht gibt, den Prüfungsantrag nach der Veröffentlichung des Recherchenberichts einzureichen, muß daher dasselbe Recht auch dem Anmelder zugestanden werden, der von der in Artikel 14 (2) und (4) EPÜ vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen und den Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache einreichen möchte (vorausgesetzt, die entsprechenden Bedingungen sind erfüllt), denn diese Vorschrift ändert nichts an der in Artikel 94 (2) EPÜ festgelegten Frist.

10. Ferner kann besagtes Recht nicht durch Weisungen des EPA oder durch Bestimmungen in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt aufgehoben werden.

Wie unter Nummer 4 erklärt, ergaben sich die genannten Weisungen aus einer Verfügung des Präsidenten des EPA vom 3. Juli 1992. Diese Verfügung wurde vorgeblich getroffen, um die Praxis des EPA an die von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 6/91 aufgestellten Grundsätze anzupassen.

Nach Auffassung der Kammer lassen sich die vorstehend genannten Weisungen nicht mit den in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätzen begründen. Der Großen Beschwerdekammer waren u. a. die folgenden Rechtsfragen vorgelegt worden: a) Wann muß ein in einer zugelassenen Nichtamtssprache abgefaßtes maßgebliches Dokument eingereicht werden, damit der Anspruch auf eine Gebührenermäßigung nach Regel 6 (3) EPÜ erworben werden kann? b) Ist es insbesondere möglich, ein solches Dokument am selben Tag wie seine Übersetzung in eine Amtssprache des EPA einzureichen, ohne daß damit der Anspruch auf eine Ermäßigung der entsprechenden Gebühr erlischt? In ihrer Entscheidung stellte die Große Beschwerdekammer fest, daß die in Artikel 14 (2) EPÜ genannten Personen den Anspruch auf Gebührenermäßigung nach Regel 6 (3) EPÜ erwerben, wenn sie das wesentliche Schriftstück der ersten Verfahrenshandlung im Anmelde-, Prüfungs-, Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren in einer Amtssprache des betreffenden Staats, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist, einreichen und die erforderliche Übersetzung frühestens zum selben Zeitpunkt liefern. An keiner Stelle der Entscheidung ist ein Hinweis darauf zu finden, daß die Frist für die Einreichung des Prüfungsantrags geändert werden solle. Ganz im Gegenteil: Nach einer einleitenden Bemerkung, wonach es aus den “Materialien” zum EPÜ klar hervorgehe, daß den Bestimmungen des Artikels 14 (2) und (4) und der Regel 6 (1) und (2) EPÜ die Absicht zugrunde lag, einen zumindest teilweisen Ausgleich für die Nachteile zu schaffen, die Angehörigen von Vertragsstaaten, deren Amtssprache nicht Amtssprache des EPA ist, dadurch entstehen, daß sie eine Übersetzung in eine Amtssprache des EPA anfertigen lassen müssen, wird in der Entscheidung festgestellt, daß es “in Artikel 14 und Regel 6 EPÜ … daher im wesentlichen darum [geht], daß diese Personen alle im EPÜ für die Einreichung von Patentanmeldungen und nachfolgenden Schriftstücken vorgesehenen Fristen einhalten können …” Darüber hinaus wird in der Entscheidung G 6/91 der Prüfungsantrag ausdrücklich als ein von der Patentanmeldung getrennter Schritt betrachtet (siehe insbesondere die Nummern 16, 19, 21 und 22).

11. Deshalb hat die Kammer erhebliche Zweifel, ob es rechtlich zulässig ist, unter Berufung auf eine in dem laut Regel 26 (1) EPÜ vorgeschriebenen Erteilungsantrag (Form 1001) bereits vorgedruckte Erklärung (das vorstehend genannte Feld), mit der der Prüfungsantrag gestellt wird, einem Anmelder im Zusammenhang mit der Stellung des Prüfungsantrags eine Gebührenermäßigung zu verwehren, die ihm, wäre nicht die vorgedruckte Erklärung, ansonsten zugestanden hätte. Das vorgedruckte Feld für den schriftlichen Prüfungsantrag scheint eingefügt worden zu sein, um die Anmelder zu schützen, die es versäumt haben, einen förmlichen Prüfungsantrag zu stellen, aber die Gebühr entrichtet haben. Dem Anmelder unter Berufung auf diese vorgedruckte Erklärung den Anspruch auf Gebührenermäßigung abzusprechen, scheint mit dem Europäischen Patentübereinkommen nicht vereinbar zu sein.

Es muß betont werden, daß einem Anmelder, der eine der drei Amtssprachen des EPA benutzt, keinerlei Nachteile im Zusammenhang mit diesem Feld erwachsen können, da es ihm überlassen bleibt, die Prüfungsgebühr nicht zu zahlen, mit der Folge, daß der Prüfungsantrag in diesem Fall als nicht gestellt gilt (Artikel 94 (2) EPÜ), aber für den Anmelder, der eine nach Artikel 14 EPÜ zugelassene Nichtamtssprache benutzt, kann es gemäß den vorstehend genannten Richtlinien beträchtliche Nachteile mit sich bringen, wenn er in diesem Feld nicht spezifiziert, daß der Antrag in einer Nichtamtssprache eingereicht wird, da er gemäß der angefochtenen Entscheidung in diesem Fall keinen Anspruch auf Ermäßigung der Prüfungsgebühr hat. Nach Auffassung der Kammer versteht es sich von selbst, daß ein solcher Nachteil in keiner Weise berechtigt ist und der “ratio legis” des Artikels 14 (2) und der Regel 6 EPÜ widerspricht.

Zudem hat die Beschwerdeführerin in ihrem Vorbringen zutreffend darauf hingewiesen, daß es Fälle gebe, in denen die richtige Nichtamtssprache bei der Einreichung der Anmeldung nicht angegeben werden kann (beispielsweise wenn die Anmeldung, die in einer Amtssprache des EPA eingereicht wurde, nach der Einreichung auf einen anderen Anmelder übertragen wird, der die in Artikel 14 (2) und (4) EPÜ vorgesehene Möglichkeit für sich in Anspruch nehmen, d. h. den Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache einreichen kann), und daß der neue Rechtsinhaber nach Regel 6 (3) EPÜ aber gleichwohl die Gebührenermäßigung für den Prüfungsantrag beanspruchen kann. Umgekehrt könnte es auch sein, daß nach einer Übertragung der neue Rechtsinhaber nach Regel 6 (3) EPÜ keinen Anspruch auf die Gebührenermäßigung hätte, diese aber gemäß den Richtlinien erlangen könnte.

12. In der Zusammenfassung bedeutet dies, daß die Vorschriften der Richtlinien, wonach der schriftliche Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache gleichzeitig mit dem Erteilungsantrag eingereicht werden muß, damit die Ermäßigung der Prüfungsgebühr gewährt werden kann, in Widerspruch zum Übereinkommen stehen und im vorliegenden Fall nicht angewandt werden dürfen. Die fraglichen Bestimmungen lassen nämlich nicht nur Artikel 94 (2) EPÜ, sondern auch die Tatsache außer Betracht, daß der Prüfungsantrag sich auf einen von der Einreichung der Anmeldung völlig unabhängigen Verfahrensschritt bezieht, und daß Anmelder ein legitimes Interesse daran haben, mit dem Prüfungsantrag zu warten, bis sie Zeit hatten, den Recherchenbericht zu prüfen.

13. Aus den vorstehend genannten Gründen kann der Anmelder also nicht dazu verpflichtet werden, den Prüfungsantrag in einer zugelassenen Nichtamtssprache gleichzeitig mit dem Erteilungsantrag einzureichen. Da dieser Antrag außerdem (wie jeder Prüfungsantrag) schriftlich eingereicht werden muß und eine weitere Willenserklärung darstellt, die sich von der Patentanmeldung unterscheidet (s. Absatz 7), kann nach Auffassung der Kammer aus dem Umstand allein, daß das Formblatt 1001 (das vom Anmelder für die Einreichung der Patentanmeldung benutzt wird) ein vorgedrucktes Feld für den schriftlichen Prüfungsantrag enthält, nicht auf eine eindeutige Willenserklärung geschlossen werden, sofern nicht der Anmelder, der weiß, daß er bis zur Veröffentlichung des europäischen Recherchenberichts warten kann, ungeachtet dessen deutlich seinen Willen kundtut, das vorgedruckte Feld für die Einreichung des Prüfungsantrags zusammen mit dem Erteilungsantrag zu benutzen.

14. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin diesen Willen nicht zu erkennen gegeben, da sie nichts in das Feld eingetragen und es auch nicht entsprechend markiert hat. Außerdem hat sie einen schriftlichen Prüfungsantrag in italienischer Sprache zusammen mit einer Übersetzung dieses Antrags ins Englische innerhalb der in Artikel 94 (2) EPÜ vorgesehenen Frist eingereicht. In der Tat ist dieser Antrag (zusammen mit der Übersetzung) – wie sich dem auf dem Originalantrag aufgeprägten Eingangsdatum entnehmen läßt – am 10. Februar 1994 (wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht) zusammen mit 80 % der Prüfungsgebühr beim EPA eingegangen. In Einklang mit der Entscheidung G 6/91 hat die Anmelderin/Beschwerdeführerin daher nach Regel 6 (3) EPÜ Anspruch auf die Ermäßigung der Prüfungsgebühr um 20 % gemäß Artikel 12 GebO, da sie das wesentliche Schriftstück der ersten Verfahrenshandlung im Prüfungsverfahren (d. h. den schriftlichen Prüfungsantrag) in einer Amtssprache des betreffenden Staats, die nicht Deutsch, Englisch oder Französisch ist, eingereicht und die erforderliche Übersetzung frühestens zum selben Zeitpunkt geliefert hat.

15. Dementsprechend wurde die Zuschlagsgebühr von 50 % der vollen Prüfungsgebühr, die die Anmelderin/Beschwerdeführerin entrichtet hat, damit die Anmeldung nicht nach Artikel 94 (3) EPÜ als zurückgenommen gilt (s. Schreiben der Anmelderin vom 11. März 1994), zu Unrecht gezahlt.

16. Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann nicht stattgegeben werden.

Gemäß Regel 67 EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr u. a. angeordnet, wenn der Beschwerde durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.

Nach Auffassung der Kammer ist letzteres Erfordernis (d. h. der wesentliche Verfahrensmangel) im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Die Kammer hat gebührend berücksichtigt, daß ein Verfahrensmangel vorlag, weil das Originalschriftstück in bezug auf den Prüfungsantrag in italienischer Sprache zusammen mit der Übersetzung dieses Antrags ins Englische nicht in die Akte aufgenommen worden ist, bis die Kammer von Amts wegen Nachforschungen angeordnet hat. Es trifft auch zu, daß die Eingangsstelle als Folge dieser Unterlassung im vorliegenden Fall entschieden hat, ohne dieses Schriftstück zu berücksichtigen, auf dessen Existenz die Beschwerdeführerin bereits in ihrem Vorbringen an die Eingangsstelle hingewiesen hatte und das gemäß diesem Vorbringen von entscheidender Bedeutung ist, da es das Datum zeigt, an dem es beim EPA eingegangen ist. Nach Meinung der Kammer sind aber trotz dieser Unterlassung die in Regel 67 EPÜ genannten Erfordernisse für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht erfüllt.

Im vorliegenden Fall wird nämlich aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung deutlich, daß die Eingangsstelle diese Schriftstücke nicht als entscheidungsrelevant betrachtete. Gemäß den vorstehend genannten Bestimmungen der Richtlinien reichte es zur Zurückweisung des Antrags der Anmelderin schon aus, daß der schriftliche Prüfungsantrag in italienischer Sprache nicht zusammen mit dem EPA-Formblatt 1001, d. h. zusammen mit dem Erteilungsantrag, eingereicht worden war. Ein Verfahrensmangel, der für die Entscheidung keine Rolle gespielt hat, kann nicht als wesentlich angesehen werden.

Ansonsten gibt es für die Kammer keine weiteren Argumente zu berücksichtigen, da in der Beschwerdebegründung keine Gründe zur Stützung des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorgebracht worden sind.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Der Fall wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, der Beschwerdeführerin 20 % der Prüfungsgebühr und die Zuschlagsgebühr in Höhe von 50 % der vollen Prüfungsgebühr zu erstatten.

3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.