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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T093195.20000908
Datum der Entscheidung: 08 September 2000
Aktenzeichen: T 0931/95
Anmeldenummer: 88302239.4
IPC-Klasse: G06F 15/30
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: Pension Benefit Systems Partnership
Name des Einsprechenden:
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: 1. Es ist ein implizites Erfordernis des EPÜ, daß eine Erfindung technischen Charakter aufweisen muß, um eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ zu sein (im Anschluß an die Entscheidungen T 1173/97 und T 935/97). 2. Verfahren, bei denen es nur um wirtschaftsorientierte Konzeptionen und Verfahrensweisen für geschäftliche Tätigkeiten geht, sind keine Erfindungen im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ. Ein Verfahrensmerkmal, das die Verwendung technischer Mittel für einen rein nichttechnischen Zweck und/oder zur Verarbeitung rein nichttechnischer Informationen betrifft, verleiht einem solchen Verfahren nicht zwangsläufig technischen Charakter. 3. Eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen ist, ist – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eignet – eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ. 4. Das EPÜ entbehrt jeder Grundlage, bei der Prüfung, ob die fragliche Erfindung als eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ anzusehen ist, zwischen “neuen Merkmalen” und Merkmalen der Erfindung, die aus dem Stand der Technik bekannt sind, zu unterscheiden. Daher fehlt auch die Rechtsgrundlage, hierbei den sogenannten Beitragsansatz anzuwenden (im Anschluß an die Entscheidungen T 1173/92 und T 935/97).
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 52(2)
European Patent Convention 1973 Art 52(2)(c)
European Patent Convention 1973 Art 52(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 84
Guidelines for examination in the EPO C-IV, 1(1)
Guidelines for examination in the EPO C-IV, 1(2)
Guidelines for examination in the EPO C-IV, 2(2)
Schlagwörter: Patentierungsverbot für Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten (bejaht) – für Vorrichtungen, die eine physikalische Entität zur Ausführung eines solchen Verfahrens darstellen (verneint)
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
T 0208/84
T 0769/92
T 1002/92
T 0935/97
T 1173/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
G 0003/08
T 0060/98
T 0310/99
T 1001/99
T 0641/00
T 0113/02
T 0553/02
T 0619/02
T 0764/02
T 0914/02
T 1121/02
T 0172/03
T 0258/03
T 0531/03
T 0125/04
T 0154/04
T 0387/04
T 1161/04
T 1242/04
T 0365/05
T 0920/05
T 1227/05
T 0116/06
T 0421/06
T 0756/06
T 0784/06
T 1543/06
T 1044/07
T 1406/07
T 1456/07
T 1547/09
T 1225/10
T 2258/10
T 0188/12
T 1461/12

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen eine am 7. Juli 1995 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 88 302 239.4 zurückgewiesen wurde.

Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Anmeldung auf ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten gerichtet sei, keinen technischen Charakter aufweise und deshalb nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen sei.

In der Entscheidung wurde festgestellt, daß bestehende private Pensionssysteme, wie sie auf Seite 1, Zeilen 18 bis 24 der Anmeldung beschrieben seien, den nächstliegenden Stand der Technik bildeten. Der Anmeldung sei jedoch kein technischer Beitrag des beanspruchten Gegenstands zum Stand der Technik zu entnehmen.

Erst recht leiste der beanspruchte Gegenstand als Ganzes keinen Beitrag zum Stand der Technik auf einem nach Artikel 52 (2) EPÜ nicht vom Patentschutz ausgeschlossenen Gebiet, d. h. die Anmeldung sei auf einen nicht patentfähigen Gegenstand als solchen gerichtet, und damit wurde in der Entscheidung auch auf Artikel 52 (3) EPÜ Bezug genommen. Da die Merkmale bestehender privater Pensionssysteme in der Anmeldung nicht beschrieben würden, könne aus dem Unterschied des beanspruchten Gegenstands gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik keine objektive Aufgabe technischer Natur hergeleitet werden.

Darüber hinaus wurde in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, daß zum Verständnis dessen, was durch die Erfindung verwirklicht werde, keinerlei technische Kenntnisse notwendig seien, da sich die Anmeldung auf Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten beziehe, ohne irgendeine technische Aufgabe lösen zu wollen.

Abgesehen von den Datenverarbeitungsmitteln enthielten die Ansprüche des damaligen Hauptantrags Begriffe wie Durchschnittsaltersberechnungsmittel, Lebensversicherungskostenberechnungsmittel, Verwaltungskostenberechnungsmittel, und in den Ansprüchen des damaligen Hilfsantrags waren zudem Mittel für eine erste bis vierte mathematische Komponente sowie ein erstes und zweites mathematisches Multiplikationsmittel genannt.

In der angefochtenen Entscheidung wurde die Auffassung vertreten, daß diese Begriffe bar jeder technischen Definition seien; die Mittel gäben lediglich Hinweise auf ihren Verwendungszweck, nämlich den Einsatz zur Arbeitsteilung unter Berücksichtigung kommerzieller oder betrieblicher Überlegungen, und definierten nicht die Merkmale der verwendeten technischen Geräte; in der ganzen Beschreibung würden keine technischen Überlegungen angestellt oder angedeutet.

II. Die Beschwerdeführerin hat am 8. September 1995 Beschwerde eingelegt und die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung beantragt. Am selben Tag wurde die Beschwerdegebühr entrichtet und am 15. November 1995 wurde eine Beschwerdebegründung eingereicht.

Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin einen Hauptantrag eingereicht, der – abgesehen von zwei kleineren Fehlern, die berichtigt worden waren – dem mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Hauptantrag entspricht, sowie einen ersten und einen zweiten Hilfsantrag. Letzterer entspricht dem mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen Hilfsantrag.

Die unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des Hauptantrags lauten wie folgt:

“1. Verfahren zur Steuerung eines Pensionsprogramms durch Verwalten mindestens eines auf einen teilnehmenden Arbeitgeber lautenden Kontos für die gemeldeten Arbeitnehmer eines jeden teilnehmenden Arbeitgebers, die jeweils wiederkehrende Versorgungszahlungen erhalten sollen, wobei dieses Verfahren folgendes umfaßt:

Versorgung eines Datenverarbeitungsmittels mit Informationen jedes teilnehmenden Arbeitgebers über die Anzahl aller seiner gemeldeten Arbeitnehmer, deren Einkünfte und Alter;

Ermittlung des Durchschnittsalters aller gemeldeten Arbeitnehmer mit Hilfe von Durchschnittsaltersberechnungsmitteln;

Ermittlung der wiederkehrenden Kosten der Lebensversicherung für alle gemeldeten Arbeitnehmer dieses teilnehmenden Arbeitgebers mit Hilfe von Lebensversicherungskostenberechnungsmitteln; und Schätzung der jährlichen Gesamtausgaben für Verwaltung, Rechtsangelegenheiten, Treuhänder und staatliche Prämien für diesen teilnehmenden Arbeitgeber mit Hilfe von Verwaltungskostenberechnungsmitteln;

wobei das Verfahren im Betrieb Informationen bereitstellt, die folgendes definieren: den wiederkehrenden finanziellen Beitrag jedes teilnehmenden Arbeitgebers an einen Hauptfonds, die Versicherungssumme einer Lebensversicherungspolice für jeden gemeldeten Arbeitnehmer, die bei einem Lebensversicherungsträger gekauft, an den Hauptfonds abgetreten und bis zum Ableben des Arbeitnehmers in vollem Umfang aufrechterhalten werden muß, sowie die wiederkehrenden Leistungen, die jedem gemeldeten Arbeitnehmer im Todesfall, bei Erwerbsunfähigkeit oder beim Eintritt in den Ruhestand zustehen.”

“5. Vorrichtung zur Steuerung eines Pensionssystems, umfassend:

ein Datenverarbeitungsmittel, das so eingerichtet ist, daß es Informationen über die Anzahl aller gemeldeten Arbeitnehmer jedes teilnehmenden Arbeitgebers, deren Einkünfte und Alter in einen Speicher aufnimmt, wobei dieses Datenverarbeitungsmittel einen Prozessor umfaßt, der folgendes enthält:

A. Durchschnittsaltersberechnungsmittel zur Ermittlung des Durchschnittsalters aller gemeldeten Arbeitnehmer;

B. Lebensversicherungskostenberechnungsmittel zur Ermittlung der wiederkehrenden Kosten der Lebensversicherung für alle gemeldeten Arbeitnehmer des teilnehmenden Arbeitgebers;

C. Verwaltungskostenberechnungsmittel zur Schätzung der jährlichen Gesamtausgaben für Verwaltung, Rechtsangelegenheiten, Treuhänder und staatliche Prämien für diesen teilnehmenden Arbeitgeber;

wobei die Vorrichtung so eingerichtet ist, daß sie im Betrieb Informationen bereitstellt, die folgendes definieren: den finanziellen Beitrag jedes teilnehmenden Arbeitgebers an einen Hauptfonds, die Versicherungssumme einer jeden Lebensversicherungspolice, die von einem Lebensversicherungsträger auf das Leben jedes gemeldeten Arbeitnehmers und an den Hauptfonds zahlbar ausgestellt wird und bis zum Ableben des Arbeitnehmers in vollem Umfang aufrechtzuerhalten ist, sowie die wiederkehrenden Leistungen, die aus diesem Hauptfonds an jeden gemeldeten Arbeitnehmer im Todesfall, bei Erwerbsunfähigkeit oder beim Eintritt in den Ruhestand zu zahlen sind.”

Der abhängige Anspruch 6 des Hauptantrags lautet wie folgt:

“6. Vorrichtung nach Anspruch 5, deren Prozessor so eingerichtet ist, daß er folgendes liefert:

eine erste mathematische Komponente, um die Mindestanzahl von Jahren zu schätzen, in denen für jeden teilnehmenden Arbeitgeber eine Leistungspflicht gegenüber einem Hauptfonds besteht, wobei vom voraussichtlichen Mindestalter eines jeden eingetragenen Arbeitgebers für den Bezug der Leistungen das Durchschnittsalter der gemeldeten Arbeitnehmer des jeweiligen teilnehmenden Arbeitgebers abgezogen wird;

eine zweite mathematische Komponente, um den künftigen Wert sämtlicher Erträge aus den Lebensversicherungen für die gemeldeten Arbeitnehmer aller teilnehmenden Arbeitgeber zu schätzen;

eine dritte mathematische Komponente, um den kurzfristigen Vermögenswert aller Lebensversicherungspolicen zu schätzen, die für alle gemeldeten Arbeitnehmer eines jeden teilnehmenden Arbeitgebers ausgestellt wurden;

eine vierte mathematische Komponente, um die Barreserve zur Finanzierung von unvorhergesehenen Leistungen bei Erwerbsunfähigkeit zu schätzen;

ein erstes mathematisches Multiplikationsmittel, um eine Vorprämienkomponente des finanziellen Beitrags eines jeden teilnehmenden Arbeitgebers zum Erwerb einer Lebensversicherungspolice für jeden gemeldeten Arbeitnehmer zu berechnen, wobei von der zweiten mathematischen Komponente die dritte mathematische Komponente abgezogen und dann durch die erste mathematische Komponente geteilt wird, so daß sich ein erster Dividend ergibt, der wiederum durch das regelmäßige Lohn- und Gehaltsaufkommen des teilnehmenden Arbeitgebers dividiert wird; und

ein zweites mathematisches Multiplikationsmittel, um den wiederkehrenden finanziellen Beitrag des teilnehmenden Arbeitgebers zu berechnen, der die Summe aus dem ersten mathematischen Multiplikationsmittel, der vierten mathematischen Komponente, den wiederkehrenden Kosten für die Lebensversicherung und den genannten Ausgaben umfaßt.”

Der einzige unabhängige Anspruch des ersten Hilfsantrags, Anspruch 1, ist mit Anspruch 5 des Hauptantrags identisch.

Der einzige Anspruch des zweiten Hilfsantrags entspricht im wesentlichen dem Anspruch 6 des Hauptantrags.

III. Am 8. Dezember 1999 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin reichte die folgenden Anträge ein:

Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags oder ersten oder zweiten Hilfsantrags, die alle zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht werden;

hilfsweise Befassung der Großen Beschwerdekammer mit der folgenden Rechtsfrage:

Schließt der Begriff ‘technisch’ die computergestützte Arbeit gewerblich tätiger Versicherungsmathematiker ein?”

Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte die Kammer die sachliche Debatte für beendet und verkündete, sie werde über die Sache weiter beraten. IV. Die Beschwerdeführerin erläuterte mit Bezugnahme auf die angebliche Erfindung, daß Datenverarbeitungs- und Rechenmittel die technische Grundlage für die Implementierung eines neuartigen Pensionssystems bildeten, das sich grundlegend von den vor dem Anmeldetag existierenden Pensionssystemen unterscheide. Das anmeldungsgemäße Pensionssystem sei ein umfassendes und zuverlässiges Finanzierungssystem, das die finanzielle Belastung und den Verwaltungsaufwand sowohl für die Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer verringere und gegenüber den früheren Pensionssystemen entscheidende Vorteile biete.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sollte ein Unterschied gemacht werden zwischen geschäftlichen Tätigkeiten” im Sinne von Artikel 52 (2) c) EPÜ und der vorliegenden Erfindung, die aus einem technischen Hilfsmittel bestehe, das einen Versicherungsmathematiker bei seiner Arbeit im Bereich Betriebswirtschaft und Fondsverwaltung unterstütze.

Darüber hinaus seien die Ansprüche wie im Falle der Entscheidung T 208/84 “Computerbezogene Erfindung/VICOM” (ABl. EPA 1987, 14) auf die Verarbeitung von Daten gerichtet, die sich auf physikalische Entitäten bezögen, also nicht auf ein Pensionssystem als solches”, so daß, was Artikel 52 (3) EPÜ betreffe, die Ausschlußbestimmungen nicht griffen.

Außerdem hätte die Prüfungsabteilung angesichts der Entscheidung T 1002/92 “Warteschlangensystem/PETTERSSON” (ABl. EPA 1995, 605) bei der Beurteilung einer Erfindung unter dem Aspekt des Patentierungsverbots nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ nicht den “Beitragsansatz” anwenden dürfen.

Im übrigen sei es nicht gerechtfertigt, sich auf den technischen Charakter” von Erfindungen zu berufen, da ein solches Kriterium im Europäischen Patentübereinkommen nicht als ein Erfordernis der Patentierbarkeit aufgeführt sei.

Abgesehen davon sei die Auslegung des Begriffs “technisch” im vorliegenden Fall überholt und entspreche nicht der üblichen Bedeutung dieses Begriffs.

Die Praxis des Patentierungsverbots für Geschäftsmethoden sei in mehreren außereuropäischen Ländern aufgegeben worden; im Hinblick auf die USA berief sich die Beschwerdeführerin auf die 1998 vom Bundesberufungsgericht der Vereinigten Staaten erlassene Entscheidung State Street Bank & Trust Co. gegen Signature Financial Group, Inc. und wies darauf hin, daß das USPTO ein Patent auf das Pensionssystem der Beschwerdeführerin gemäß der vorliegenden europäischen Patentanmeldung erteilt habe.

Zudem sei nach den Entscheidungen T 769/92 “Universelles Verwaltungssystem/SOHEI” (ABl. EPA 1995, 525) und T 1002/92 “Warteschlangensystem/PETTERSSON” die Praxis des EPA ebenfalls geändert und das Gebiet der Geschäftsmethoden dem Patentschutz zugänglich gemacht worden. Der Sachverhalt in der Entscheidung T 1002/92 “Warteschlangensystem/PETTERSSON” sei dem hier vorliegenden Fall so ähnlich, daß bei der Beurteilung der Patentfähigkeit im vorliegenden Fall keine andere Möglichkeit bestehe, als sich der Entscheidung anzuschließen.

Sollte die Kammer dennoch entscheiden, daß technischer Charakter ein Erfordernis der Patentierbarkeit sei, stehe aber außer Frage, daß die vorliegende beanspruchte Erfindung technischen Charakter aufweise. Dies gelte auf jeden Fall für die Vorrichtungsansprüche, aber auch für die Verfahrensansprüche, die die Verwendung von Datenverarbeitungsmitteln umfaßten, denn diese stellten technische Mittel dar.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 und den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

Das Erfordernis des technischen Charakters

2. In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird die Verwendung des Begriffs Erfindung” in Artikel 52 (1) EPÜ in Verbindung mit den sogenannten Ausschlußbestimmungen” des Artikels 52 (2) und (3) EPÜ, in denen Gegenstände genannt sind, die [insbesondere nicht] als Erfindungen im Sinn des Absatzes 1 angesehen [werden]”, so verstanden, daß sie ein Erfordernis des technischen Charakters” oder der “Technizität” impliziert, das eine beanspruchte Erfindung erfüllen muß, um patentfähig zu sein. Eine Erfindung kann dementsprechend als eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) angesehen werden, wenn mit ihr zum Beispiel eine technische Wirkung erzielt wird oder wenn technische Überlegungen zu ihrer Ausführung erforderlich sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 3. Auflage, 1998, Kapitel I.A.1; Richtlinien für die Prüfung C-IV, 2.2).

Die Beschwerdekammer ging zum Beispiel auch in ihren jüngsten Entscheidungen in den Sachen T 1173/97, Computerprogrammprodukt/IBM” (ABl. EPA 1999, 609) und T 935/97 Computerprogrammprodukt II/IBM” (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) davon aus, daß der technische Charakter einer Erfindung als ein allgemein anerkanntes Erfordernis der Patentierbarkeit anzusehen ist.

In diesen Entscheidungen kam die Kammer also zu dem Ergebnis, daß ein Computerprogrammprodukt (zum Beispiel das Programm selbst), das technischen Charakter aufweist, kein Computerprogramm als solches ist und daher nicht unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (2) und (3) EPÜ fällt. Infolgedessen stellt es eine patentfähige Erfindung dar (Nr. 5 der Entscheidungsgründe).

Hauptantrag: Verfahrensanspruch

3. Im Anschluß an diese Entscheidungen ist in der vorliegenden Sache zu prüfen, ob das Verfahren nach Anspruch 1 ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten als solches darstellt. Wenn das Verfahren technisch ist oder, anders ausgedrückt, technischen Charakter aufweist, mag es zwar immer noch ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten sein, ist aber kein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten als solches.

Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich – wenn man von verschiedenen in diesem Anspruch genannten Rechenmitteln absieht – auf ein Verfahren zur Steuerung eines Pensionsprogramms durch Verwalten mindestens eines auf einen teilnehmenden Arbeitgeber lautenden Kontos”. Alle Merkmale dieses Anspruchs sind Schritte zur Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen mit rein administrativem, versicherungsmathematischem und/oder finanziellem Charakter. Die Verarbeitung und Bereitstellung solcher Informationen sind für Geschäfts- und Wirtschaftsmethoden typische Schritte.

Die beanspruchte Erfindung geht somit nicht über ein Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten als solches hinaus und ist daher nach Artikel 52 (2) c) in Verbindung mit Artikel 52 (3) EPÜ von der Patentierung ausgeschlossen; der Anspruch definiert keine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ.

Die Beschwerdeführerin machte unter Hinweis auf die in dem Verfahrensanspruch definierten Datenverarbeitungs- und Rechenmittel geltend, daß die Verwendung solcher Mittel dem beanspruchten Verfahren technischen Charakter verleihe. Die einzelnen Schritte, die das beanspruchte Verfahren definieren, sind aber nichts anderes als die allgemeine Lehre der Verwendung von Datenverarbeitungsmitteln zur Verarbeitung oder Bereitstellung von Informationen mit rein administrativem, versicherungsmathematischem und/oder finanziellem Charakter, wobei der Zweck jedes einzelnen Schritts und des Verfahrens als Ganzes rein wirtschaftlich ist.

Das Merkmal der Verwendung technischer Mittel für einen rein nichttechnischen Zweck und/oder für die Verarbeitung rein nichttechnischer Informationen verleiht einzelnen Verfahrensschritten oder dem Verfahren als Ganzem nicht zwangsläufig technischen Charakter. Schließlich findet jede Tätigkeit in den nichttechnischen Bereichen menschlicher Kultur unter Einbeziehung physikalischer Entitäten und in höherem oder geringerem Umfang auch unter Verwendung technischer Mittel statt.

Argumente oder Tatsachen, die darauf hindeuten, daß durch die einzelnen Verfahrensschritte oder das Verfahren selbst eine bestimmte technische Aufgabe gelöst oder eine technische Wirkung erzielt wird, können aus der Patentanmeldung nicht hergeleitet werden und sind der Kammer auch nicht vorgelegt worden.

Die Kammer stellt fest, daß die bloße Zitierung technischer Merkmale in einem Anspruch nicht ausreichend für das Vorliegen einer Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) ist. Ein solcher Ansatz wäre zu formalistisch und würde dem Begriff “Erfindung” nicht gebührend Rechnung tragen.

Die Kammer kommt daher zu folgendem Schluß:

Verfahren, bei denen es nur um wirtschaftsorientierte Konzeptionen und Verfahrensweisen für geschäftliche Tätigkeiten geht, sind keine Erfindungen im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ.

Ein Verfahrensmerkmal, das die Verwendung technischer Mittel für einen rein nichttechnischen Zweck und/oder zur Verarbeitung rein nichttechnischer Informationen betrifft, verleiht einem solchen Verfahren nicht zwangsläufig technischen Charakter.

Von der Beschwerdeführerin angeführte Rechtsprechung

4. Zur Stützung ihres Antrags führte die Beschwerdeführerin die Entscheidungen T 208/84, T 769/92 und T 1002/92 an.

In der Entscheidung T 208/84 Computerbezogene Erfindung/VICOM” wurde ein Verfahren zur digitalen Verarbeitung von Bildern” im wesentlichen deswegen als technisches Verfahren angesehen, weil es auf eine physikalische Entität angewandt wurde. Das Verfahren beschränkte sich nicht auf das Hinzufügen von Informationen, sondern erzielte durch die Anwendung bestimmter Verfahren zur digitalen Bildverarbeitung, etwa zur Verbesserung und Wiederherstellung von Bildern, ein technisches Ergebnis. Dieser technische Charakter unterscheidet den früheren Fall von dem der Kammer hier vorliegenden Fall.

In der Sache T 769/92 Universelles Verwaltungssystem/SOHEI” begann der Verfahrensanspruch in der gewährten Fassung mit den Worten Verfahren für den Betrieb eines universellen computergestützten Verwaltungssystems”, und die Verfahrensschritte waren eng mit den funktionellen Merkmalen des Computersystems verbunden, das mit diesem Verfahren betrieben wurde. Die Kammer befand, daß die Erfindung technischen Charakter hat, weil zu ihrer Ausführung technische Überlegungen erforderlich waren. Eine technische Erfindung könne ihren technischen Charakter nicht dadurch verlieren, daß sie für einen nichttechnischen Zweck, wie zum Beispiel Finanzverwaltung, verwendet werde. Der Zweck des Verfahrens und seiner einzelnen Schritte sei nach wie vor technisch, nämlich der Betrieb eines technischen Systems, womit auch der technische Charakter des Verfahrens gewährleistet sei.

In der Sache T 1002/92 Warteschlangensystem/PETTERSSON” wurde entschieden, daß ein System zur Bestimmung der Reihenfolge der Bedienung von Kunden an mehreren Servicepunkten” eine dreidimensionale Vorrichtung und somit eindeutig technischer Natur ist; somit unterscheidet sich der betreffende Gegenstand deutlich von dem Gegenstand der Verfahrensansprüche in der hier vorliegenden Sache.

Erster Hilfsantrag: Vorrichtungsanspruch

5. Im ersten Hilfsantrag wird Schutz für eine Vorrichtung zur Steuerung eines Pensionssystems begehrt. In Anbetracht des Pensionssystems, auf das die Anmeldung gerichtet ist, kann der Begriff Vorrichtung” durchaus so verstanden werden, daß er sich auf eine Organisationsstruktur bezieht. Außerdem deutet der in dem Anspruch verwendete Begriff Mittel” nicht zwingend auf Hardwareteile oder Hardwarefunktionen oder eine Kombination aus Hardware- und Softwarefunktionen hin, sondern kann sich auch auf organisatorische Untergliederung und Substrukturen zur Durchführung bestimmter Funktionen mit wirtschaftlichem oder geschäftlichem Charakter erstrecken. Somit kann der Anspruch bei isolierter Betrachtung so ausgelegt werden, daß er nur einen Plan für geschäftliche Tätigkeiten beansprucht, d. h. geschäftliche Tätigkeiten als solche, die nach Artikel 52 (2) c) und 52 (3) EPÜ nicht als Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ anzusehen sind.

Die Beschwerdeführerin stützt ihre Argumentation jedoch auf eine Vorrichtung, die aus einem entsprechend programmierten Computer oder Computersystem besteht. Diese Auslegung des Patentanspruchs und insbesondere des Begriffs Vorrichtung” wird untermauert durch die Art und Weise, wie die Rechenmittel” unter Bezugnahme auf Abbildung 3 in der Anmeldung selbst beschrieben werden. Von dieser Auslegung wird im folgenden ausgegangen.

Nach Auffassung der Kammer hat ein Computersystem, das zur Verwendung auf einem bestimmten Gebiet, sei es im geschäftlichen oder wirtschaftlichen Bereich, geeignet programmiert ist, den Charakter einer konkreten Vorrichtung im Sinne einer physikalischen Entität, die für einen praktischen Zweck künstlich hergestellt wurde, und ist damit eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ.

Die Unterscheidung hinsichtlich der Patentierbarkeit zwischen einem Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten und einer zur Durchführung eines solchen Verfahrens geeigneten Vorrichtung findet ihre Berechtigung im Wortlaut des Artikels 52 (2) c) EPÜ, wonach auf dem Gebiet der Wirtschaft und der geschäftlichen Tätigkeit Pläne, Regeln und Verfahren” vom Patentschutz ausgeschlossene Kategorien sind; die Kategorie Vorrichtung” im Sinne von physikalischer Entität” oder Erzeugnis” ist dagegen in Artikel 52 (2) EPÜ nicht genannt.

Ist also ein Anspruch auf eine solche Entität gerichtet, so werden durch die formale Kategorie des Anspruchs tatsächlich physikalische Merkmale des beanspruchten Gegenstands impliziert, die als technische Merkmale der betreffenden Erfindung in Frage kommen und somit für seine Patentierbarkeit relevant sein können.

Die Kammer kommt daher zu folgendem Schluß:

Eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen ist, ist – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eignet – eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ.

Einwände der Beschwerdeführerin

6. Die Beschwerdeführerin machte nachdrücklich geltend, daß technischer Charakter nach dem EPÜ kein Patentierbarkeitserfordernis sei und daß bei der Entscheidung der Frage, ob der betreffende Gegenstand eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) ist, der sogenannte Beitragsansatz zu Unrecht angewandt werde.

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, daß weder in Artikel 52 EPÜ noch in einer anderen Bestimmung im Zweiten Teil des EPÜ, der das materielle Patentrecht behandelt, der technische Charakter einer Erfindung ausdrücklich als Patentierbarkeitserfordernis genannt ist.

Artikel 52, insbesondere Absatz 1, stellt lediglich klar, daß nur patentierbar ist, was eine Erfindung ist.

Angesichts der Rechtsprechung der Beschwerdekammern sowie des häufigen Gebrauchs des Begriffs technisch” im EPÜ und in der Ausführungsordnung, die Bestandteil des EPÜ ist, und unter angemessener Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem der Begriff technisch” dort gebraucht wird, ist die Kammer jedoch im Gegensatz zur Beschwerdeführerin zu der Auffassung gelangt, daß sich das Erfordernis des technischen Charakters aus dem Begriff “Erfindung”, wie er in Artikel 52 (1) gebraucht wird, ergibt.

Die Kammer kommt somit zu folgendem Schluß:

Es ist ein implizites Erfordernis des EPÜ, daß eine Erfindung technischen Charakter aufweisen muß, um eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ zu sein (im Anschluß an die Entscheidungen T 1173/97 und T 935/97).

Infolgedessen stimmt die Kammer den folgenden Textstellen in den Richtlinien für die Prüfung im EPA voll und ganz zu:

C-IV, 1.1, wo es heißt, daß Artikel 52 (1) EPÜ vier grundlegende Bedingungen für die Patentierbarkeit umfaßt, zu allererst muß eine Erfindung vorliegen, und wenn eine Erfindung vorliegt, so muß diese Erfindung die Erfordernisse der gewerblichen Anwendbarkeit, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit erfüllen;

dem letzten Satz von C-IV, 2.2, in dem es heißt, daß die grundlegende Prüfung darauf, ob eine Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) vorliegt, nicht mit der Prüfung auf gewerbliche Anwendbarkeit, Neuheit und erfinderische Tätigkeit verwechselt werden darf, und

C-IV, 1.2, wo es heißt, daß im EPÜ und in der Ausführungsordnung außer diesen vier grundlegenden Bedingungen” implizit das weitere Erfordernis enthalten ist, daß die Erfindung … technischen Charakter haben [muß]”.

Es mag durchaus sein, daß die Bedeutung des Begriffs technisch” oder technischer Charakter”, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, nicht besonders klar ist. Dies gilt jedoch auch für den Begriff Erfindung”. Nach Auffassung der Kammer ist die Tatsache, daß über die genaue Bedeutung eines Begriffs gestritten werden kann, noch kein triftiger Grund, diesen Begriff nicht als Kriterium zu verwenden, zumal es keinen besseren Begriff gibt: Die Klärung dieser Fragen sei der Rechtsprechung überlassen.

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, daß sich der Beitragsansatz nicht zur Entscheidung der Frage eignet, ob eine Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) EPÜ vorliegt, was die Kammer bereits in den oben genannten früheren Entscheidungen festgestellt hat.

Die Kammer vertritt folgende Ansicht:

Das EPÜ entbehrt jeder Grundlage, bei der Prüfung, ob die fragliche Erfindung als eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ anzusehen ist, zwischen “neuen Merkmalen” und Merkmalen der Erfindung, die aus dem Stand der Technik bekannt sind, zu unterscheiden. Daher fehlt auch die Rechtsgrundlage, hierbei den sogenannten Beitragsansatz anzuwenden.

Die Kammer sieht in den Richtlinien einen gewissen Widerspruch zwischen dem vorstehend zitierten letzten Satz in C-IV, 2.2, wonach die grundlegende Prüfung darauf, ob eine Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) vorliegt, nicht mit der Prüfung auf gewerbliche Anwendbarkeit, Neuheit und erfinderische Tätigkeit verwechselt werden darf, und der Stelle weiter oben im selben Absatz, wo die Anwendung des Beitragsansatzes folgendermaßen erklärt wird:

der Prüfer [sollte sich] unabhängig von Form oder Kategorie des Patentanspruchs auf dessen Inhalt konzentrieren, um festzustellen, welchen Beitrag zum Stand der Technik der beanspruchte Gegenstand als Ganzes tatsächlich leistet. Hat dieser Beitrag keinen technischen Charakter, so liegt keine Erfindung im Sinne von Artikel 52 (1) vor”. Hierdurch wird das Erfordernis der Erfindung” in unzulässiger Weise mit den Erfordernissen der Neuheit” und der erfinderischen Tätigkeit” vermengt.

Im Interesse der wünschenswerten Harmonisierung des Patentrechts erscheint es zweckmäßig, hier den Beschluß des Bundesgerichtshofs (BGH) in der Sache XZB 15/98 “Sprachanalyseeinrichtung” vom 11.05.00 zu erwähnen, in dem der Begriff “technischer Charakter” verwendet, zugleich aber darauf hingewiesen wird, daß er als Unterscheidungskriterium zwischen einem patentfähigen und einem nicht patentfähigen Gegenstand ein eher unbestimmter Begriff ist. Ferner heißt es dort, daß es nicht zweckmäßig ist, zwischen neuen und bekannten Merkmalen eines Anspruchs zu unterscheiden, um zu ermitteln, ob eine Erfindung von der Patentierbarkeit ausgenommen ist.

Erfinderische Tätigkeit

7. Die Kammer hält es in Ausübung ihrer Ermessensbefugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ für angebracht, selbst über die erfinderische Tätigkeit zu entscheiden, ohne die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.

Die zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erforderlichen Tatsachen und Argumente sind im Verfahren vor der ersten Instanz vorgebracht worden, als die Prüfungsabteilung den Beitragsansatz” heranzog, um zu entscheiden, daß die beanspruchte Erfindung keine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) darstellt. Dieser Ansatz hängt so eng mit der Prüfung in bezug auf das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit zusammen, daß die Prüfungsabteilung de facto implizit zu der Entscheidung gelangte, daß keine erfinderische Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ gegeben sei.

Eine Zurückverweisung an die erste Instanz aus rein formalen Gründen erscheint daher angesichts der Gesamtdauer des Verfahrens in der ersten Instanz und vor der Kammer nicht vertretbar.

Nach Ansicht der Kammer ist es nicht erforderlich, zur weiteren Erörterung der erfinderischen Tätigkeit die Debatte wieder zu eröffnen, da die zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit erforderlichen Tatsachen und Argumente im selben Zusammenhang wie vor der Prüfungsabteilung und in vollem Umfang auch vor der Kammer erörtert worden sind.

Abgesehen davon sind die Anträge der Beschwerdeführerin auf die Erteilung des Patents gerichtet, was bedeutet, daß die Kammer den Erfordernissen des EPÜ umfassend Rechnung tragen muß.

8. Der Gegenstand von Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags kann zwar als eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ angesehen werden, beruht aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

Der angefochtenen Entscheidung zufolge bilden die in der Anmeldung beschriebenen bestehenden privaten Pensionssysteme” den nächstliegenden Stand der Technik. Ferner heißt es in der Entscheidung, daß es nicht möglich sei, der Anmeldung eine technische Aufgabe oder einen Beitrag des beanspruchten Gegenstands zum Stand der Technik zu entnehmen.

So ist denn auch die Verbesserung, die mit der anmeldungsgemäßen Erfindung erzielt werden soll, im wesentlichen wirtschaftlicher Art, betrifft also das Gebiet der Wirtschaft, und kann somit nichts zur erfinderischen Tätigkeit beitragen. Patentfähig wird der Gegenstand erst mit der Programmierung eines Computersystems zur Ausführung der Erfindung. Die erfinderische Tätigkeit muß daher aus der Sicht eines Software-Entwicklers oder Anwendungsprogrammierers beurteilt werden, der sich als einschlägiger Fachmann mit dem Konzept und der Struktur des verbesserten Pensionssystems und den zugrundeliegenden Plänen zur Informationsverarbeitung auskennt, wie sie zum Beispiel in den vorliegenden Verfahrensansprüchen dargelegt sind.

Da die technischen Merkmale der beanspruchten Vorrichtung durch genau die Schritte der Informationsverarbeitung funktionell definiert werden, die zum Wissensstand des Fachmanns gehören, und die Anwendung von Computersystemen im Bereich der Wirtschaft am Prioritätstag (Anmeldetag) der Anmeldung bereits allgemein üblich war, muß dem beanspruchten Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) abgesprochen werden.

9. Nachdem die Beschwerdeführerin in ihrem zweiten Hilfsantrag lediglich weitere funktionelle Merkmale hinzufügt, die durch Schritte zur Verarbeitung wirtschaftlicher Daten definiert werden, gilt für den zweiten Hilfsantrag dieselbe Schlußfolgerung in bezug auf Artikel 56 EPÜ wie für den ersten Hilfsantrag.

10. Der zusätzliche Hilfsantrag der Beschwerdeführerin, der Großen Beschwerdekammer die Frage vorzulegen, ob der Begriff technisch” die computergestützte Arbeit gewerblich tätiger Versicherungsmathematiker einschließt, wird zurückgewiesen, da diese Frage vorstehend bereits von der Kammer selbst beantwortet worden ist, und zwar dahingehend daß es von den konkreten Umständen der jeweiligen Sache abhängt, ob die Antwort positiv ausfällt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.