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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2002:T069401.20020704
Datum der Entscheidung: 04 Juli 2002
Aktenzeichen: T 0694/01
Anmeldenummer: 88303744.2
IPC-Klasse: G01N 33/543
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: UNILEVER N. V.
Name des Einsprechenden: (01) VEDALAB
(02) Carter-Wallace Inc.
(03) GENZYME CORPORATION
(04) Andrea von Preen
(05) Int. Mycoplasma
(06) Technical Chemicals & Products Inc.
(08) ORAMON Arzneimittel GmbH
(09) Pharma Peter
(10) ulti med Products (Deutschland)
(11) Cardimac Gesellschaft für Diagnostische Schnellteste mbH
Kammer: 3.3.04
Leitsatz: Ein Beitritt ist vom Umfang der Anhängigkeit eines Einspruchsbeschwerdeverfahrens abhängig.
Hat eine Kammer entschieden, daß ein Patent auf der Grundlage eines bestimmten Anspruchssatzes und einer entsprechend anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten ist, so kann eine Partei, die dem anschließenden Beschwerdeverfahren beitritt, in dem es nur noch um die Anpassung der Beschreibung geht, die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung der Beschwerdekammer unabhängig davon, ob ein neuer Einspruchsgrund eingeführt wird, nicht anfechten.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 105
Schlagwörter: Beitritt während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens – Zulässigkeit (bejaht)
neuer Einspruchsgrund – unwirksam, Umfang der Beschwerde auf Beschreibungsanpassung beschränkt
Ansprüche – rechtskräftig
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
G 0004/91
G 0001/94
G 0001/97
T 0843/91
T 0113/92
T 0167/93
T 0296/93
T 0450/97
T 0068/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1108/02
T 1120/03
T 0898/07

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechenden 01 und 10 (Beschwerdeführerinnen I und II) legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. April 2001 ein, mit der das europäische Patent Nr. 0 291 194 in geänderter Form auf der Grundlage der Ansprüche im Hauptantrag der Beschwerdegegnerin vom 27. Januar 2000 und der am 14. Februar 2001 als Hilfsantrag eingereichten geänderten Seiten der Beschreibung aufrechterhalten wurde.

II. Auf die Beschwerde von sechs Einspruchsbeteiligten hin hob die Beschwerdekammer mit Entscheidung T 681/98 vom 27. Januar 2000 (nachfolgend: “Entscheidung vom 27. Januar 2000”) die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung der auf Artikel 100 a) EPÜ gestützten Einsprüche auf und wies die Sache an die erste Instanz mit der Anordnung zurück, das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2000 gestellten Hauptantrags der Beschwerdegegnerin und einer entsprechend angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten.

Anspruch 1 dieses Antrags lautet wie folgt:

“Analytisches Testgerät enthaltend einen trockenen porösen Träger (10), ein unmarkiertes spezifisches Bindungsreagenz für einen Analyten, wobei das unmarkierte Bindungsreagenz in einer Nachweiszone (14) auf dem porösen Träger permanent immobilisiert und daher in feuchtem Zustand nicht beweglich ist, und in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweiszone ein markiertes spezifisches Bindungsreagenz für denselben Analyten, wobei das markierte spezifische Bindungsreagenz innerhalb des porösen Trägers in feuchtem Zustand frei beweglich ist, so daß eine auf das Gerät aufgebrachte Flüssigkeitsprobe das markierte Reagenz aufnehmen und danach in die Nachweiszone eindringen kann, dadurch gekennzeichnet, daß der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz in einem hohlen Gehäuse (30) aus einem feuchtigkeitsundurchlässigen festen Material untergebracht sind, der poröse Träger direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses derartig in Verbindung steht, daß eine flüssige Testprobe auf den porösen Träger aufgebracht werden kann, das Gehäuse Mittel (32) zum Feststellen des Ausmaßes (sofern gegeben) beinhaltet, bis zu dem das markierte Reagenz in der Nachweiszone gebunden ist, der Markierungsstoff ein teilchenförmiger Direktmarkierungsstoff ist, das markierte Reagenz in einer ersten Zone (12) des trockenen porösen Trägers enthalten und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone immobilisiert ist, wobei die beiden Zonen so angeordnet sind, daß eine auf den porösen Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone eindringen kann.”

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 21 betrafen konkrete Ausführungsformen dieses Testgeräts, während Anspruch 22 sich auf ein Verfahren bezog, bei dem das Gerät verwendet wird.

III. Die Beschwerdeführerinnen legten ihre Argumente in ihrer Beschwerdebegründung dar.

IV. Am 13. November 2001 erklärte und begründete die CARDIMAC GESELLSCHAFT FÜR DIAGNOSTISCHE SCHNELLTESTE mbH (Beitretende/Einsprechende 11), der am 20. August 2001 eine Klage wegen Verletzung des europäischen Patents Nr. 0 291 194 zugestellt worden war, schriftlich ihren Beitritt nach Artikel 105 EPÜ und entrichtete sowohl die Einspruchs- als auch die Beschwerdegebühr. Sie beantragte den Widerruf der Ansprüche 1 bis 16 und 19 bis 23 des Streitpatents wegen mangelnder Offenbarung (Art. 83 und 100 b) EPÜ).

V. Mit Bescheid vom 12. März 2002 lud die Kammer die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung und teilte in einer anliegenden Stellungnahme ihre vorläufige Auffassung zu dem Beitritt mit, wonach folgende Rechtsfragen möglicherweise der Großen Beschwerdekammer vorgelegt würden:

1. Ist ein Beitritt, der im übrigen alle Erfordernisse des Artikels 105 EPÜ erfüllt, auch dann zulässig, wenn die Beschwerdekammer im Einspruchsbeschwerdeverfahren bereits über den Wortlaut der Patentansprüche entschieden hat und die einzige noch anhängige Frage die Anpassung der Beschreibung ist?

2. Falls ja, kann der Beitretende dann den Wortlaut der von der Beschwerdekammer bereits gewährten Patentansprüche

auf der Grundlage eines neuen Einspruchsgrunds anfechten oder

ist der Umfang eines solchen Beitritts auf eine Anfechtung der anzupassenden Beschreibung beschränkt?

3. Kommt einer dem Einspruchsverfahren vor der Beschwerdekammer beitretenden dritten Partei eine selbständige Stellung als Beschwerdeführerin zu, wenn sie die Einspruchsgebühr und zusätzlich noch die Beschwerdegebühr nach Artikel 108 EPÜ entrichtet?

VI. Am 21. März 2002 reichte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerinnen ein.

VII. Die Beschwerdegegnerin und die Beschwerdeführerinnen I und II äußerten sich am 4. Juni 2002 zur Frage des Beitritts bzw. zur Begründetheit der Beschwerde. Am 30. Juni 2002 nahm die Beitretende Stellung zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin.

VIII. Die mündliche Verhandlung fand am 4. Juli 2002 statt.

IX. In bezug auf den Beitritt argumentierten die Beschwerdeführerinnen im wesentlichen, daß er zulässig sei, weil das Einspruchsverfahren noch nicht endgültig entschieden und damit nach der Entscheidung G 1/94 (ABl. EPA 1994, 787) noch anhängig sei. Durch den Beitritt verursachte Verzögerungen seien nach dieser Entscheidung kein Grund, den Beitritt für unzulässig zu erachten. Im übrigen sei zu berücksichtigen, daß die Beschwerdegegnerin durch ihre Verletzungsklage selbst den Grund für den Beitritt geliefert habe. Die Anpassung der Beschreibung sei keine untergeordnete Frage, sondern habe im Hinblick auf die Artikel 84 und 69 EPÜ entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Schutzbereichs des Patents durch nationale Gerichte. Der Beitretenden dürfe daher nicht verwehrt werden, alle ihre Einwände vorzutragen. Die in der Entscheidung G 1/94 (s. o.) aufgeführten Grundsätze seien auch im vorliegenden Fall anzuwenden, so daß das EPA verpflichtet sei, auch den neu eingeführten Einspruchsgrund zu prüfen. Die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 stehe einer solchen Prüfung nicht entgegen, da die Beitretende an dem Verfahren nicht beteiligt war und mit der Zurückverweisung ein “neues” Verfahren beginne, in dem die Rechtskraft der früheren Entscheidung nicht bindend sei. Durch die Zahlung der Beschwerdegebühr habe die Beitretende eine selbständige Verfahrensstellung erlangt.

Die Beschwerdeführerin I beantragte ferner, die von der Beschwerdekammer in ihrem Bescheid vom 12. März 2002 aufgeworfenen Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Dazu brachte die Beitretende vor, daß die Frist für den Beitritt gemäß Artikel 105 EPÜ gewahrt sei, da ihr die Verletzungsklage am 20. August 2001 zugestellt worden sei. Was unter Klageerhebung im Sinne des Artikels 105 EPÜ zu verstehen sei, richte sich nach dem deutschen Verfahrensrecht. Gemäß § 253 der deutschen Zivilprozeßordnung (ZPO) gelte die Klage als mit Zustellung erhoben.

Nach Maßgabe der Entscheidung G 1/94 (s. o.) sei sie berechtigt, den neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ einzuführen. Das erteilte europäische Patent sei in vollem Umfang zu widerrufen, da die Ansprüche 1 – 16 und 19 – 23 die Erfindung nicht so deutlich offenbarten, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Die Beschwerdekammer müsse das Beschwerdeverfahren daher aussetzen, indem sie den Fall zur Prüfung des neuen Einspruchsgrunds an die erste Instanz zurückverweise. In der Entscheidung G 1/94 (s. o.) werde Artikel 105 EPÜ dahingehend interpretiert, daß eine durch eine Verletzungsklage angegriffene Partei die Möglichkeit haben müsse, die Patentfähigkeit des Streitpatents überprüfen zu lassen, gerade weil eine nationale Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent wegen eines noch anhängigen Einspruchsverfahrens noch nicht möglich sei. Die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 könne ihr gemäß der Entscheidung G 1/94 (s. o.) nicht entgegengehalten werden, da sie nicht an dem Verfahren beteiligt gewesen sei und ihr Sachvortrag sich auf einen neuen Einspruchsgrund stütze.

Die Beschwerdegebühr habe sie entrichtet, um eine gegenüber den anderen Beschwerdeführerinnen selbständige Stellung zu erlangen. Sie verzichte aus wohlüberlegten Gründen darauf, die Rückzahlung dieser Gebühr zu beantragen.

Die Beitretende beantragte ferner, die von der Beschwerdekammer in ihrem Bescheid vom 12. März 2002 erhobenen Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Bezüglich der Beschreibungsanpassung brachten die Beschwerdeführerinnen und die Beitretende im wesentlichen vor, daß dem Wortlaut des mit der Entscheidung vom 27. Januar 2000 gewährten Anspruchs 1 und der Entscheidungsbegründung eindeutig zu entnehmen sei, daß es sich bei dem Testgerät um ein “Ein-Schritt-Gerät” handle, bei dem der poröse Träger aus einem einzigen Teil bestehe, in dem sich das markierte spezifische Bindungsreagenz und das unmarkierte spezifische Reagenz befänden und auf welches die Flüssigkeitsprobe aufgebracht werde (vgl. die Formulierungen “einen trockenen porösen Träger”, “auf dem porösen Träger”, “innerhalb des porösen Trägers”, “der poröse Träger”, “des trockenen porösen Trägers” in Anspruch 1 sowie “die Stützmatrix” und “dieselbe Matrix” in Nr. 10 bzw. 13 der Begründung der Entscheidung vom 27. Januar 2000 – Hervorhebung durch die Kammer).

Ihrer Auffassung nach erforderten diese Einschränkungen die Streichung und/oder Änderung mehrerer Passagen in der Beschreibung, die im Widerspruch zu den Ansprüchen in der gewährten Fassung und zur ratio decidendi der Kammer stünden, weil sie darauf abhöben, daß der Träger auch aus mehreren Teilen bestehen könne. Solche Passagen könnten, wenn sie nicht gestrichen würden, in späteren nationalen Verfahren zu einer anderen Auslegung der Ansprüche führen. Sie verwiesen insbesondere darauf, daß die Ausführungsformen 3 und 4 und damit die zugehörigen Abbildungen 8 bis 10 zu streichen seien, da sie sich auf zwei poröse Träger bezögen und keinen ungehinderten Durchfluß darstellten. Ferner sei das dem beanspruchten Gegenstand am nächsten kommende Dokument des Stands der Technik, die Entgegenhaltung (6) (WO-A-86/03839), nicht ausreichend gewürdigt worden.

X. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, daß der Beitritt unzulässig sei, weil er nicht innerhalb der in Artikel 105 EPÜ vorgesehenen Dreimonatsfrist erklärt worden sei. Für den Beginn der Frist sei die Einreichung der Verletzungsklage bei Gericht maßgebend und nicht deren Zustellung an die Beitretende. Artikel 105 EPÜ sei vertragsautonom ohne Rückgriff auf nationales Recht auszulegen. Im Wortlaut sei nur von der Erhebung der Klage, nicht von deren Zustellung die Rede. Da die nationalen Verfahrensrechte eine Klageerhebung unterschiedlich definierten, würde auch der Begriff “Klagezustellung” in bezug auf Artikel 105 EPÜ jeweils eine andere Bedeutung erlangen, was im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung inakzeptabel sei. Bei der Anwendung deutschen Verfahrensrechts sei im übrigen § 270 (3) ZPO zu beachten, wonach eine Frist schon durch die Klageeinreichung bei Gericht gewahrt sei, wenn die Klagezustellung alsbald erfolge. Der Beitritt sei daher auch bei Anwendung deutschen Verfahrensrechts verspätet erklärt worden und somit unzulässig.

Der Beitritt sei ferner nicht zulässig, weil seine Begründung der Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 widerspreche, durch die das Patent mit geändertem Schutzbereich aufrechterhalten worden sei und die die klare und bindende Anweisung an die Einspruchsabteilung enthalten habe, nur den Wortlaut der Beschreibung an die gewährten Patentansprüche anzupassen. Das Interesse der Beschwerdegegnerin an einer raschen Beendigung des Verfahrens, das Vertrauen der Öffentlichkeit auf die Rechtskraft einer Entscheidung über die Patentansprüche und die durch den Beitritt zu erwartende komplizierte Verfahrenssituation seien entscheidende Gesichtspunkte, einen Beitritt, der sich auf einen neuen Einspruchsgrund stütze, als verfahrensmißbräuchlich anzusehen. Die Beitretende greife die gewährten (am 16. Februar 1994 veröffentlichten) Ansprüche an, während die Beschwerdeführerinnen die geänderten Ansprüche gemäß der Entscheidung der Beschwerdekammer vom 27. Januar 2000 zum Ausgangspunkt nähmen. Es sei völlig unklar, welche Instanz bei einer Zulässigkeit des Beitritts in welcher Weise über was zu entscheiden habe. Da in vielen nationalen Verletzungsverfahren der Ausgang des europäischen Einspruchsverfahrens abgewartet werde, sei die Rechtskraftwirkung einer Beschwerdekammerentscheidung drastisch eingeschränkt, wenn in einem so späten Verfahrensstadium ein Beitritt noch zulässig wäre; damit würde sich die Möglichkeit eröffnen, Patente zu sabotieren.

Zur Beschreibungsanpassung brachte die Beschwerdegegnerin vor, dem Wortlaut von Anspruch 1 sei nicht zu entnehmen, daß es sich bei dem porösen Träger um ein einziges Teil handle. Ebensowenig biete die Entscheidung vom 27. Januar 2000 einen konkreten Anhaltspunkt für eine solche Auslegung. Entscheidend sei allein, daß der in dem Gehäuse untergebrachte Träger – unabhängig davon, ob er nun aus einem oder mehreren Teilen bestehe – porös sein müsse, damit ein ungehinderter Durchfluß gewährleistet sei. Mithin seien in der Beschreibung keine anderen als die von der Einspruchsabteilung zugelassenen Änderungen erforderlich.

XI. Die Beschwerdeführerin I beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen oder hilfsweise die in ihrem Vorbringen vom 4. Juni 2002 aufgeführten Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Die Beschwerdeführerin II beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beitretende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen oder hilfsweise die Sache zur weiteren Prüfung auf der Grundlage des neuen Einspruchsgrunds (Artikel 83 EPÜ) an die erste Instanz zurückzuverweisen oder weiterhin hilfsweise die von der Beschwerdeführerin I aufgeworfenen Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.

Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerden und den Beitritt zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten.

Entscheidungsgründe

Zulässigkeit

1. Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen I und II erfüllen die Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und sind somit zulässig.

2. Die Zulässigkeit des Beitritts bestimmt sich nach Artikel 105 EPÜ.

2.1 Gemäß Artikel 105 (1) Satz 1 EPÜ kann eine Person, die nachweist, daß gegen sie eine Patentverletzungsklage erhoben worden ist, auch nach Ablauf der neunmonatigen Einspruchsfrist (Artikel 99 (1) EPÜ) einem vor dem EPA anhängigen Einspruchsverfahren als neue Beteiligte beitreten, wenn der Beitritt innerhalb von drei Monaten nach dem Tag erklärt wird, an dem die Verletzungsklage erhoben worden ist.

Im vorliegenden Fall ist also zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Beginn dieser Frist erfüllt waren und ob der Beitritt innerhalb der drei Monate erklärt wurde.

2.2 Die Beschwerdegegnerin bestreitet die Erhebung einer Verletzungsklage gegen die Beitretende nicht, beruft sich aber darauf, daß die Klage schon am 2. August 2001 mit der Einreichung beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland) erhoben worden sei. Demzufolge sei die Dreimonatsfrist gemäß Artikel 105 (1) EPÜ schon am 2. November 2001 abgelaufen, die Beitretende habe ihren Beitritt aber erst am 13. November 2001 durch Einreichung eines Schriftsatzes beim EPA erklärt. Der Beitritt sei demnach unzulässig.

2.3 Artikel 105 (1) Satz 1 EPÜ bestimmt nicht, wann eine Verletzungsklage als erhoben gilt. Da diese nur vor nationalen Gerichten erhoben werden kann, verweist der Wortlaut des Artikels 105 EPÜ, auch ohne dies ausdrücklich festzulegen, zur Bestimmung dieses Zeitpunkts auf die entsprechenden nationalen Verfahrensrechte, im vorliegenden Fall also auf die deutsche Zivilprozeßordnung (nachfolgend “ZPO”).

Nach § 253 ZPO wird eine Klage nicht schon durch die Einreichung bei Gericht erhoben, sondern erst durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. In § 270 (3) ZPO heißt es, daß in Fällen, in denen durch die Klageerhebung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden soll, diese Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage eintritt, sofern deren Zustellung demnächst erfolgt. Zweck dieser Vorschrift ist es, den Kläger vor Nachteilen zu schützen, die ihm durch Verzögerungen bei der vom Gericht zu bewirkenden Zustellung der Klage entstehen können, auf die er keinen Einfluß hat. Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin kann daher die in § 270 (3) ZPO angeordnete Rückwirkung nicht auf den Beginn der Frist nach Artikel 105 (1) EPÜ angewandt werden, denn mit der Zustellung der nationalen Verletzungsklage soll eine Frist im Einspruchsverfahren vor dem EPA nicht etwa für den Kläger gewahrt, sondern für den Beitretenden in Gang gesetzt werden.

Selbst wenn Artikel 105 (1) Satz 1 EPÜ ohne Rückgriff auf nationales Recht ausgelegt wird (autonome Auslegung des Übereinkommens), muß der Fristbeginn ausgehend von der Zustellung der Verletzungsklage bestimmt werden, da die Person, der eine Frist gesetzt wird, vom Beginn des Laufs dieser Frist Kenntnis haben muß. Das ergibt sich unmittelbar aus Artikel 105 (1) EPÜ, dem zufolge Beitretende nachweisen müssen, daß gegen sie Verletzungsklage erhoben worden ist, und dieser Nachweis kann erst nach Kenntnisnahme geführt werden. Die Kammer sieht daher keinen Grund, den nach Artikel 105 EPÜ maßgebenden Zeitpunkt des Fristbeginns in der englischen Fassung “infringement proceedings were instituted” anders zu deuten als in der deutschen und französischen Fassung “Klage wegen Verletzung dieses Patents erhoben worden ist” bzw. “l’action en contrefaçon a été introduite”. Ebensowenig hält sie es für erforderlich festzustellen, ob die Erhebung einer Verletzungsklage in allen EPÜ-Vertragsstaaten verfahrensrechtlich von der Zustellung der Klage an den Beklagten abhängig ist. Sofern abweichendes nationales Verfahrensrecht bestehen sollte, gebietet eine übereinkommenskonforme Auslegung allenfalls, den Fristbeginn nach Artikel 105 (1) EPÜ auch in diesen Fällen davon abhängig zu machen, wann die Klageschrift zugestellt wurde, oder zumindest davon, wann der Beklagte von der Klageerhebung Kenntnis erhalten hat.

Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zu dem Schluß, daß der in Artikel 105 (1) EPÜ festgelegte Zeitpunkt des Fristbeginns durch die Zustellung der Verletzungsklage bestimmt wird (siehe auch T 296/93, Nr. 2.7 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1995, 633).

2.4 Die Beitretende hat durch Vorlage der gerichtlich zugesandten Schriftstücke zur Klageerhebung und des Vermerks des Postboten über den Zeitpunkt ihrer Aushändigung nachgewiesen, daß ihr die Verletzungsklage am 20. August 2001 zugestellt wurde. Die Dreimonatsfrist nach Artikel 105 EPÜ endete demnach am 20. November 2001. Der mit Schriftsatz vom 13. November 2001 gegenüber dem EPA erklärte Beitritt erfolgte somit rechtzeitig.

2.5 Die Beitretende hat ihren Beitritt in einem der Regel 55 EPÜ genügenden Umfang begründet und insbesondere entsprechend Buchstabe c dieser Regel den Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ substantiiert vorgetragen.

Die Beitretende hat gleichzeitig mit der Einspruchsgebühr eine Beschwerdegebühr gezahlt, um eine von den anderen Beschwerdeführerinnen unabhängige Verfahrensstellung zu erlangen. Für die Frage der Zulässigkeit des Beitritts war es daher nicht erforderlich zu entscheiden, ob eine Einspruchs- und eine Beschwerdegebühr zu entrichten sind, da diese Voraussetzung ohnehin erfüllt war.

Der Beitritt erfüllte damit die weiteren Voraussetzungen nach Artikel 105 (2) EPÜ bezüglich der Schriftform, der Begründung des Beitritts und der fristgerechten Entrichtung einer Einspruchsgebühr.

2.6 Die Beschwerdegegnerin hielt den Beitritt für unzulässig, weil die Beitretende ihn auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ stützt. Dieser Einspruchsgrund sei vor der Beitrittserklärung nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen, und die Beitretende könne ihn nicht mehr in das Verfahren einführen, weil der Wortlaut der Patentansprüche durch die Beschwerdekammerentscheidung vom 27. Januar 2000 schon abschließend und bindend festgelegt sei. Die Rechtskraft dieser Entscheidung schließe eine Prüfung der Ansprüche unter einem neuen Einspruchsgrund aus.

2.7 Die Beitretende verwies auf die Entscheidung G 1/94 (s. o.). Darin hatte die Große Beschwerdekammer den Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers nach Artikel 105 EPÜ auch während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens für zulässig erklärt und festgestellt, daß der Beitritt auf jeden der in Artikel 100 EPÜ genannten Einspruchsgründe gestützt werden kann. Der Begriff “Einspruchsverfahren” in Artikel 105 EPÜ sei so auszulegen, daß er Beschwerdeverfahren einschließe. Beitretende müßten aus Gründen der Verfahrenseffizienz und -gerechtigkeit neue Einspruchsgründe einführen können, da anderenfalls ein Beitritt seinen Zweck verfehlen würde. Der bestehe darin, dem vermeintlichen Patentverletzer möglichst früh Gelegenheit zu geben, sich mit allen verfügbaren Mitteln zu verteidigen.

2.8 Der Entscheidung G 1/94 (s. o.) lag jedoch ein vom vorliegenden Fall abweichender Sachverhalt zugrunde. Dort erfolgte der Beitritt im Beschwerdeverfahren, das die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch insgesamt zurückzuweisen, und damit auch den Wortlaut der Ansprüche zum Gegenstand hatte. Im vorliegenden Fall sind hingegen die Beschwerden gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung gerichtet, die ausschließlich die Anpassung der Beschreibung betraf, während der Wortlaut der Patentansprüche bereits in der Beschwerdekammerentscheidung vom 27. Januar 2000 festgelegt worden war.

Eine Entscheidung, mit der eine Sache an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen und angeordnet wird, ein Patent auf der Grundlage geänderter Ansprüche aufrechtzuerhalten, ist rechtsverbindlich in dem Sinne, daß weder der Wortlaut noch die Patentierbarkeit dieser Ansprüche in einem späteren Verfahren vor dem EPA nochmals angefochten werden können. Dieselbe Rechtsverbindlichkeit hat eine dieser Entscheidung zugrunde liegende Tatsachenfeststellung, d. h. eine Feststellung, die Voraussetzung für die Entscheidung ist. Eine solche Tatsachenfeststellung darf daher gemäß Artikel 111 (2) EPÜ nicht nochmals geprüft werden (T 843/91, ABl. EPA 1994, 832).

Mithin war die Entscheidung vom 27. Januar 2000 über den Wortlaut der Ansprüche für die Einspruchsabteilung bindend (Art. 111 (2) EPÜ). Die Zurückverweisung betraf lediglich die Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche. Die Einspruchsabteilung gab in ihrer Entscheidung vom 24. April 2001 über die Anpassung der Beschreibung in der Entscheidungsformel auch den Wortlaut der mit Entscheidung vom 27. Januar 2000 aufrechterhaltenen Ansprüche wider. Dies hat jedoch nur deklaratorische Wirkung und berührt die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 nicht. Der Wortlaut der Patentansprüche ist nicht erneut Gegenstand des auf den Beschwerden der Beschwerdeführerinnen I und II beruhenden Beschwerdeverfahrens, da die angefochtene Entscheidung hierzu keine (neue) sachliche Regelung trifft, sondern nur die in der Entscheidung vom 27. Januar 2000 getroffene Regelung vollzieht.

Die Zurückverweisung des Verfahrens mit der Anordnung, die Beschreibung an einen schon feststehenden Wortlaut der Ansprüche anzupassen, kann im Einzelfall problematisch sein, da gemäß Artikel 69 EPÜ die Beschreibung zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen ist und mit der isolierten Entscheidung über den Wortlaut der Ansprüche zugleich auch über die notwendigen Änderungen in der Beschreibung entschieden wird; anderenfalls dürften die geänderten Ansprüche im Hinblick auf Artikel 84 Satz 2 EPÜ nicht gewährt werden. Die im Einzelfall gegebene Unzweckmäßigkeit einer solchen Verfahrensaufspaltung stellt im vorliegenden Fall aber nicht die Bestimmtheit und die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 in Frage.

Die Gleichstellung der Entscheidungen der Beschwerdekammern mit gerichtlichen Entscheidungen steht heute außer Frage (siehe G 1/97, Nr. 5 c) der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 2000, 322), so daß diesen Entscheidungen auch Rechtskraftwirkung zukommen kann.

2.9 Es ist daher zu klären, ob der vorliegende Beitritt, der sich auf einen neuen Einspruchsgrund stützt, im Hinblick auf die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000, in der über den Wortlaut der Ansprüche entschieden wurde, unzulässig ist.

2.10 Da der Begriff “Rechtskraft” von zentraler Bedeutung ist, soll er nachfolgend in seinen Grundzügen näher erläutert werden.

Eine von einem zuständigen Gericht erlassene Entscheidung ist rechtskräftig, wenn sie nicht mehr mit einem Rechtsmittel angefochten werden kann (formelle Rechtskraft). Das gilt sowohl für Endentscheidungen als auch für Zwischenentscheidungen. Das Gericht ist darüber hinaus auch vor Ablauf einer Rechtsmittelfrist an seine Entscheidung gebunden und kann sie nicht von sich aus aufheben oder ändern.

Die Große Beschwerdekammer hat ausdrücklich festgestellt, daß die Entscheidungen der Beschwerdekammern (formell) rechtskräftig werden, sobald sie ergangen sind (s. o. G 1/97, Nr. 2 a) der Entscheidungsgründe, erster Absatz), da gegen diese Entscheidungen kein Rechtsmittel gegeben ist.

Ist eine Entscheidung formell rechtskräftig, wird der Inhalt der gerichtlichen Entscheidung sowohl für das (zuständige) Gericht als auch für die Verfahrensbeteiligten bindend (materielle Rechtskraft). Streiten dieselben Beteiligten in einem neuen Verfahren über denselben, formell bereits entschiedenen Gegenstand, so ist das Gericht an den Inhalt der zuvor getroffenen Entscheidung gebunden (zum Grundsatz der ‘res judicata’ (Rechtskraftwirkung) als einem in allen EPÜ-Vertragsstaaten anerkannten Grundsatz siehe die detaillierten Ausführungen in T 167/93, ABl. EPA 1997, 229). Wird das Verfahren nach einer endgültigen Zwischenentscheidung in derselben Instanz fortgesetzt, so hat das Gericht den Inhalt seiner früheren Entscheidung der nachfolgenden Entscheidung zugrunde zu legen. Überdies muß ein Urteil, um weitere Rechtsstreitigkeiten auszuschließen, nicht zwangsweise richtig, sondern lediglich eine rechtskräftige Sachentscheidung sein.

2.11 Sowohl die formelle als auch die materielle Rechtskraft können durch außerordentliche Rechtsbehelfe angefochten werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen diese aber ausdrücklich gesetzlich normiert sein (s. o. G 1/97, Nr. 2 e) der Entscheidungsgründe, 7. Absatz), z. B. durch Vorschriften über die Wiedereinsetzung (bezüglich des deutschen Rechts vgl. Schulte, Patentgesetz, 6. Aufl., Vor § 34, Rdn. 242).

2.12 Die Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung besteht darüber hinaus nur in dem durch die Art des Verfahrens vorgegebenen Umfang. Eine Endentscheidung in einem einstweiligen Anordnungsverfahren z. B. entfaltet aufgrund der Zweckbestimmung dieses Verfahrens keine Rechtskraftwirkung für ein nachfolgendes Hauptverfahren. Eine Patenterteilung, die von einer Beschwerdekammer des EPA rechtskräftig bestätigt wurde, hat für nationale Gerichte in Nichtigkeitsverfahren nach Artikel 138 EPÜ keine materielle Rechtskraftwirkung, selbst wenn dieselben Parteien beteiligt sind. Die Entscheidung einer Beschwerdekammer im Prüfungsverfahren ist nicht rechtsverbindlich für das Einspruchsverfahren (s. o. T 167/93, Nr. 2.10 der Entscheidungsgründe), und zwar nicht nur, weil die Beteiligten andere sind, sondern auch, weil die Beschwerdekammer gemäß Artikel 111 (1) EPÜ nur im Rahmen der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung entscheidet und ihre Entscheidungen im Einspruchsverfahren nach Maßgabe der Artikel 99 ff. EPÜ keine materielle Rechtskraft entfalten. Das Einspruchsverfahren dient gerade der sachlichen Überprüfung der im Prüfungsverfahren getroffenen Entscheidungen, soweit das EPÜ eine solche Überprüfung auf Antrag Dritter vorsieht. Die Begrenzung der materiellen Rechtskraft einer Beschwerdekammerentscheidung im Prüfungsverfahren ergibt sich somit kraft ausdrücklicher Vorschriften für das Einspruchsverfahren aus dem EPÜ (Art. 102).

2.13 Die Beitretende bestreitet die materielle Rechtskraftwirkung der Entscheidung vom 27. Januar 2000, weil der Beschwerdekammer durch die Einführung eines neuen, auf Artikel 83 EPÜ gestützten Einspruchsgrunds ein anderer Sachverhalt zur Entscheidung vorliege. In der Entscheidung vom 27. Januar 2000 sei das Streitpatent lediglich im Hinblick auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geprüft worden. Einer nunmehrigen Prüfung auf mangelnde Ausführbarkeit stehe die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 nicht entgegen.

2.14 Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung nicht, da mit der Entscheidung vom 27. Januar 2000 über den Wortlaut der Ansprüche entschieden wurde und diese Entscheidung rechtskräftig ist. Für ihre Rechtskraftwirkung ist dabei unerheblich, welche rechtlichen Erwägungen ihr zugrunde lagen und ob diese richtig waren. Der Beitretenden wäre nur dann zu folgen, wenn die Entscheidung ausdrücklich als Zwischenentscheidung zu den Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit ergangen wäre. Dann hätte die Entscheidung die Feststellung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit betroffen und wäre nur in bezug auf diese Fragen rechtskräftig. Im vorliegenden Fall hingegen wurde der endgültige Wortlaut der Ansprüche festgelegt und das Verfahren nur zur Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche an die erste Instanz zurückverwiesen.

2.15 Die Beitretende beruft sich ferner darauf, daß die Entscheidung vom 27. Januar 2000 über den Wortlaut der Patentansprüche für sie nicht rechtsverbindlich sei, weil sie nicht an dem Verfahren beteiligt war. Auch die Kammer verneint eine unmittelbare Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung gegenüber der Beitretenden, kann sich aber deren Schlußfolgerung nicht anschließen, daß durch den Beitritt auch die Rechtskraftwirkung der Entscheidung gegenüber den bisherigen Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt werde.

2.16 Die Kammer hat daher den Konflikt untersucht, der sich daraus ergibt, daß sie einerseits gegenüber den bisherigen Verfahrensbeteiligten an die Entscheidung vom 27. Januar 2000 gebunden ist, die Beitretende andererseits aber das Recht hat, den Wortlaut der Ansprüche unter einem neuen Einspruchsgrund prüfen zu lassen.

2.17 Die Rechtstatsache, daß die Kammer in bezug auf den Gegenstand ihrer Entscheidung vom 27. Januar 2000 gegenüber den bisherigen Verfahrensbeteiligten gebunden ist, könnte nur hinfällig werden

a) durch eine ausdrückliche Rechtsmittelvorschrift im EPÜ, die zugunsten der Beitretenden gegen die Entscheidung vom 27. Januar 2000 angewandt wird (Wegfall der Rechtskraft oder Aufschub des Eintritts der formellen Rechtskraft), oder

b) durch die Art des Verfahrens, das durch den Beitritt in Gang gesetzt wird (Wegfall oder Beschränkung der materiellen Rechtskraft durch besondere Regelungen).

2.18 Im Fall a) würde der Beitritt ein Rechtsmittel besonderer Art begründen, mit dem für die bisherigen Verfahrensbeteiligten “formell rechtskräftige” Entscheidungen im selben Verfahren durch den Beitritt eines Dritten angegriffen werden könnten. Das würde bedeuten, daß die formelle Rechtskraft nicht eintreten kann, solange noch ein Beitritt zum Verfahren möglich ist, oder daß sie nachträglich wegfallen kann. Da das Prinzip der formellen Rechtskraft einer Entscheidung die wesentliche Grundlage für die Herstellung justizförmiger Rechtssicherheit bildet, müßte das Übereinkommen ein solches Rechtsmittel ausdrücklich vorsehen und die dafür notwendigen Voraussetzungen ausdrücklich benennen (s. o. G 1/97, Nr. 3 a) der Entscheidungsgründe). Artikel 105 EPÜ gibt seinem Wortlaut nach keine Befugnis, End- oder Zwischenentscheidungen einer Beschwerdekammer abzuändern.

Hiergegen spricht schon formal, daß Artikel 105 EPÜ keine Möglichkeit bietet, die im anhängigen Beschwerdeverfahren nicht angegriffene (und auch nicht angreifbare) Entscheidung vom 27. Januar 2000 formal aufzuheben, selbst wenn die Kammer es – rein theoretisch – für unmöglich hielte, den in dieser Entscheidung gewährten Wortlaut der Patentansprüche nach einer Prüfung im Lichte des neuen Einspruchsgrunds aufrechtzuerhalten. Wenn die Kammer aber die Entscheidung vom 27. Januar 2000 im Ausspruch der neuen Entscheidung nicht aufheben kann und andererseits einen anderen Wortlaut ausdrücklich gewähren würde, so entstünde durch das Bestehen zweier unterschiedlicher, widersprüchlicher Entscheidungen in ein und derselben Sache eine unklare Verfahrenssituation, die mit einem gesetzmäßigen Verfahren nicht vereinbar wäre.

Auch inhaltlich bietet Artikel 105 EPÜ kein Rechtsmittel, mit dem sich eine im Einspruchsbeschwerdeverfahren ergangene Entscheidung anfechten ließe. Der Zweck eines Einspruchsverfahrens besteht darin, Dritten (der Öffentlichkeit) Mittel an die Hand zu geben, um die Erteilung eines Patents im Prüfungsverfahren anzufechten, nicht aber die von der Einspruchsabteilung selbst zu treffende Entscheidung. Daher bezieht sich Artikel 105 (1) Satz 1 EPÜ auf den Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers zu einem laufenden Einspruchsverfahren und nicht auf die Überprüfung einer im Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidung. Schließlich ordnet Artikel 105 (2) Satz 3 EPÜ an, daß “im übrigen […] der Beitritt als Einspruch behandelt [wird]”, und verweist damit auf ein anhängiges Einspruchsverfahren gegen die Erteilung eines Patents im Prüfungsverfahren.

Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Wortlaut des Artikels 105 EPÜ nicht den nach G 1/97 (s. o.) notwendigen Anforderungen an eine Rechtsmittelvorschrift entspricht, die den Eintritt der formellen Rechtskraft einer Beschwerdekammerentscheidung aufschiebt oder die formelle Rechtskraft einer solchen Entscheidung aufhebt.

2.19 Im Fall b) (Aufhebung der materiellen Rechtskraft) müßte durch den Beitritt entweder ein gänzlich neuer Verfahrensabschnitt oder aber ein neues, eigenständiges Einspruchsverfahren eingeleitet werden, um die Schlußfolgerung zuzulassen, daß die Rechtsnatur dieses Verfahrens im Verhältnis zum vorangegangenen Verfahrensabschnitt die materielle Rechtskraftwirkung der im bisherigen Einspruchsverfahren ergangenen Entscheidungen entfallen läßt.

Das EPÜ bietet keine Anhaltspunkte dafür, daß der Beitritt eines vermeintlichen Patentverletzers einen neuen Verfahrensabschnitt eröffnet, der bindende Ergebnisse des bisherigen Verfahrens gegenstandslos werden läßt. Das Einspruchsverfahren ist gemäß Artikel 99 (4) EPÜ ein einheitliches Verfahren, an dem alle Einsprechenden zu beteiligen sind. Die Vorstellung, daß verschiedene Einspruchsverfahren nur aus Gründen der Verfahrensökonomie zusammengefaßt wären und daß prinzipiell jeder Einspruch in der Sache allein entschieden werden könnte, ist weder mit den Verfahrensvorschriften zum Einspruch als zentralisiertem Verfahren vereinbar noch mit den Vorschriften des EPÜ bezüglich der Aufrechterhaltung bzw. des Widerrufs eines Patents mit Wirkung für die Öffentlichkeit.

Die Formulierung in Artikel 105 (1) EPÜ bezieht sich auf den Beitritt zu einem anhängigen Einspruchsverfahren. Das schließt aus, daß ein gänzlich neues Verfahren oder ein eigenständiger Verfahrensabschnitt mit oder ohne Beteiligung der bisherigen Einsprechenden in Gang gesetzt wird. Das gilt erst recht für den Vorschlag der Beitretenden, das Beschwerdeverfahren auszusetzen, indem die Sache an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen wird, eine Entscheidung über den neuen Einspruchsgrund zu treffen. Das würde nämlich bedeuten, daß regelwidrig ein vom bisherigen Verfahren getrenntes, neues Einspruchsverfahren zum neuen Einspruchsgrund nach Artikel 83 EPÜ durchzuführen wäre.

2.20 Artikel 105 (1) EPÜ sieht nicht vor, daß bisherige Rechtswirkungen oder Entscheidungen durch den Beitritt ausgesetzt werden oder ein neues Verfahren in Gang gesetzt wird. Ein Beitretender tritt einem fremden Verfahren bei und muß infolgedessen das Verfahren in der Lage annehmen, in der es sich zum Zeitpunkt des Beitritts befindet (siehe Günzel in Singer/Stauder, 2. Aufl., Art. 105, Rz. 20). Diese Auslegung von Artikel 105 EPÜ entspricht auch der in G 4/91 (ABl. EPA 1993, 707) getroffenen Feststellung, daß ein Beitritt gegenstandslos ist, wenn er nach Erlaß der Entscheidung der Einspruchsabteilung erfolgt und die zuvor Beteiligten keine zulässige Beschwerde einlegen.

Die Abhängigkeit des Beitritts vom Umfang der Anhängigkeit des Einspruchsbeschwerdeverfahrens verletzt auch nicht den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, da derjenige, der sich einem fremden Verfahren nachträglich anschließt, die ihn treffenden Rechtsfolgen vor dem Beitritt zur Kenntnis nehmen kann.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß ein Beitritt vom rechtlichen Umfang der Anhängigkeit eines Einspruchsbeschwerdeverfahrens abhängig ist. Da im vorliegenden Fall das Einspruchsverfahren nur noch bezüglich der Anpassung der Beschreibung im Beschwerdeverfahren anhängig ist, kann die Beitretende nicht mehr dem verfahrensrechtlich abgeschlossenen Teil des Einspruchsverfahrens beitreten, der die Gültigkeit des Wortlauts der Patentansprüche betraf.

2.21 Abschließend stellt sich die Frage, ob die Entscheidung G 1/94 (s. o.) den obigen Schlußfolgerungen entgegensteht.

Wie oben dargelegt, erging diese Entscheidung in einem Fall, in dem sich das Einspruchsverfahren im gesamten Umfang in der Beschwerde befand und im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Patents noch keine formell rechtskräftige Entscheidung der Beschwerdekammer zu einer Rechtsfrage, geschweige denn zum Wortlaut der Patentansprüche erlassen worden war. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Große Beschwerdekammer den vorliegenden Rechtssachverhalt ausdrücklich mitentscheiden wollte, denn dies hätte wegen der Komplexität der Fallgestaltung in den Gründen der Entscheidung mit Sicherheit seinen Niederschlag gefunden. Ebensowenig sieht die Kammer in den Entscheidungsgründen einen Hinweis gegeben, daß durch die Zulassung neuer Einspruchsgründe ein so tragender Verfahrensgrundsatz wie die formelle und materielle Rechtskraft einer Entscheidung außer Kraft gesetzt werden sollte, ohne daß dies im EPÜ ausdrücklich vorgesehen wäre. Mangels einer solchen Grundlage im Übereinkommen verbleibt auch kein Auslegungsspielraum, bei dem die Interessen der Beitretenden berücksichtigt werden könnten, das Patent möglichst frühzeitig mit allen Mitteln angreifen zu können. G 1/94 (s. o.) bezieht sich ausdrücklich auf G 4/91 (s. o.) und damit auf den Grundsatz, daß der Beitretende sich einem Einspruchsverfahren vor der Beschwerdekammer nur in dem Umfang anschließen kann, in dem es bei der Kammer anhängig ist.

Hierbei ist hervorzuheben, daß der Umfang der Anhängigkeit des Verfahrens nicht mit dem Umfang der Prüfung im Einspruchsverfahren verwechselt werden darf. Der Umfang der Prüfung bestimmt sich durch die zulässig eingeführten Einspruchsgründe, bildet aber als solcher nicht den zu regelnden Streitgegenstand, da er ein Prüfungskriterium ist. Mit anderen Worten: Ein Streitgegenstand, der nicht anhängig ist, kann auch nicht geprüft werden unabhängig davon, welche Einspruchsgründe zulässig in das Verfahren eingeführt werden. Auch aus diesem Grund kann die Feststellung in G 1/94 (s. o.), daß der Beitretende im Beschwerdeverfahren einen neuen Einspruchsgrund in das Verfahren einführen kann, nicht dahin (falsch) ausgelegt werden, daß der vorliegende Beitritt die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. Januar 2000 aufhebt. Wenn die Beitretende also den Wortlaut der Ansprüche anficht, kommt das einer Beschwerde gegen die Entscheidung vom 27. Januar 2000 gleich, die als unzulässig anzusehen ist, und die Kammer hat zu prüfen, ob damit nicht der Beitritt insgesamt als unzulässig betrachtet werden muß.

2.22 Die Kammer sieht in den Entscheidungen G 4/91 (s. o.) und G 1/94 (s. o.) keine Grundlage dafür, einen Beitritt allein deswegen für unzulässig zu halten, weil das Einspruchsverfahren nur noch eingeschränkt vor der Kammer anhängig ist. Als Folge der oben begründeten und im jetzigen Verfahrensstand zu beachtenden Rechtskraft der Entscheidung über den Wortlaut der Ansprüche läuft jedoch der von der Beitretenden neu eingeführte Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ ins Leere. Er kann nämlich nicht als Argumentation herangezogen werden, um den Umfang der in der Entscheidung vom 27. Januar 2000 für notwendig erachteten Anpassung der Beschreibung zu bestimmen. Der Betritt ist gemäß Artikel 105 (2) EPÜ schriftlich zu erklären und zu begründen und wird im übrigen als Einspruch behandelt. Die Begründung des Beitritts ist somit Voraussetzung für dessen Zulässigkeit. Aufgrund der hier vorliegenden besonderen Umstände stellt sich im Hinblick auf Artikel 105 (2) EPÜ die Frage, ob die schriftliche Beitrittsbegründung in jedem Fall auf einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) bis c) EPÜ abheben muß oder ob auch mit anderen Argumenten hinreichend begründet werden kann, warum die angefochtene Entscheidung für unrichtig erachtet wird.

2.23 Im vorliegenden Fall brachte die Beitretende sowohl einen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) in Verbindung mit Artikel 83 EPÜ vor als auch Argumente gegen den mit der angefochtenen Entscheidung zugelassenen Umfang der Beschreibungsanpassung. Die Kammer hält es nicht für gerechtfertigt, diesen Beitritt als unzulässig anzusehen, weil er sein Ziel teilweise nicht erreichen kann. Da die Beitretende für beide Alternativen Gründe angeführt hat, erübrigt es sich, im jetzigen Verfahrensstadium zu entscheiden, welche der beiden Alternativen nach Artikel 105 (2) Satz 1 EPÜ gefordert ist. Die Beitrittserklärung erfüllt in jedem Fall das in Artikel 105 (2) EPÜ enthaltene formale Erfordernis der Begründung.

2.24 Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, daß der Beitritt zulässig ist. Da jedoch das Einspruchsbeschwerdeverfahren nur noch beschränkt anhängig ist, muß die Beteiligung der Beitretenden auf den Umfang des anhängigen Gegenstands beschränkt werden, d. h. auf die Anpassung der Beschreibung an die geänderten Patentansprüche, auf deren Grundlage die Kammer das Patent in ihrer Entscheidung vom 27. Januar 2000 aufrechterhalten hat. Eine erneute Überprüfung dieser Ansprüche im Lichte des neuen Einspruchsgrunds Artikel 100 b) EPÜ ist unzulässig, da die Beitretende an die rechtskräftige Entscheidung der Beschwerdekammer vom 27. Januar 2000 gebunden ist.

Änderungen in der Beschreibung

3.1 Wird ein Patent durch Änderung der Patentansprüche beschränkt, so muß die Beschreibungsanpassung so erfolgen, wie es die Rechtsklarheit gebietet (s. T 113/92 vom 17. Dezember 1992, Nr. 2 der Entscheidungsgründe), d. h. dieser Beschränkung muß dadurch Rechnung getragen werden, daß alle Angaben beseitigt werden, die den eingeschränkten Patentgegenstand nicht mehr erläutern und für das Verständnis der Erfindung nicht erforderlich oder nützlich sind. Die Änderungen sollten sich jedoch auf das zur Vermeidung von Unstimmigkeiten zwischen Beschreibung und geänderten Ansprüchen erforderliche Minimum und auf die Streichung irrelevanter oder potentiell irreführender Passagen beschränken.

3.2 Wie in der Entscheidung vom 27. Januar 2000 ausgeführt (s. Nr. 2 der Entscheidungsgründe), wurde Anspruch 1 in der gewährten Fassung dadurch gebildet, daß in Anspruch 1 der erteilten Fassung neben den Merkmalen des erteilten Anspruchs 2 auch noch aufgenommen wurde, daß (i) sich das markierte spezifische Bindungsreagenz für den Analyten “in trockenem Zustand in einer Zone (12) stromaufwärts von der Nachweiszone” befindet, (ii) “der poröse Träger und das markierte spezifische Bindungsreagenz in einem hohlen Gehäuse … untergebracht sind” und (iii) das Gehäuse (das Gerät im erteilten Anspruch) eine Beobachtungsvorrichtung umfaßt. Sowohl Anspruch 1 als auch Anspruch 2 in der erteilten Fassung bezogen sich auf “einen trockenen porösen Träger” und “den porösen Träger”. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Bedeutung dieser Ausdrücke durch die Zusammenfassung der Ansprüche 1 und 2 und die Einfügung der zusätzlichen Merkmale (i) bis (iii) geändert hat. Anspruch 1 in der mit der Entscheidung vom 27. Januar 2000 gewährten Fassung enthält keine Angaben darüber, ob der poröse Träger aus einem oder mehreren Teilen besteht. Er bezieht sich, wie auch schon die Ansprüche der erteilten Fassung, auf “einen” oder “den” porösen Träger, der:

– sich in einem hohlen Gehäuse befindet,

– direkt oder indirekt mit dem Äußeren des Gehäuses in Verbindung steht, so daß eine flüssige Testprobe darauf aufgebracht werden kann,

– das markierte Reagenz in einer ersten Zone und das unmarkierte Reagenz in einer von der ersten Zone räumlich getrennten Nachweiszone enthält, wobei die beiden Zonen so angeordnet sind, daß eine auf den Träger aufgebrachte Flüssigkeitsprobe über die erste Zone in die Nachweiszone eindringen kann.

Keines dieser Merkmale besagt, daß der poröse Träger zwingend einteilig ausgeführt sein muß. Aus der Beschreibung geht vielmehr hervor, daß der Träger in dem hohlen Gehäuse auch aus verschiedenen Teilen bestehen kann (z. B. aus einem porösen Teil, das mit einem über das Gehäuse hinausragenden Streifen oder Blatt aus porösem Material in Verbindung steht, s. Abb. 8 bis 10, Ausführungsformen 3 und 4), solange die Anordnung ein Eindringen der Flüssigkeit von einem Teil des porösen Trägers in den nächsten zuläßt. Der Wortlaut des Anspruchs 1 deckt solche unterschiedlichen Ausführungsformen ab. Damit besteht kein Grund, die diesbezüglichen Passagen der Beschreibung zu streichen.

3.3 Eine enge Auslegung des Schutzumfangs der Ansprüche kann auch nicht aus den Entscheidungsgründen hergeleitet werden, in denen dem Anspruch erfinderischer Charakter zuerkannt wurde (s. Nr. 15 der Entscheidungsgründe), und zwar im wesentlichen mit folgender Begründung:

– Für den Fachmann war es nicht naheliegend, eines der in den Entgegenhaltungen (1), (2) oder (3) beschriebenen Testsysteme mit einem teilchenförmigen Direktmarkierungsstoff zu kombinieren, wie er in dem in Entgegenhaltung (6) offenbarten Assay verwendet wird, da alle diese Systeme auf der Verwendung löslicher markierter Reagenzien beruhen, die in festen Trägern, auch in porösen festen Trägern, frei beweglich sein sollen.

– Ebensowenig hätte der Fachmann es in Betracht gezogen, das in Entgegenhaltung (6) beschriebene Assay nach dem Modell der Testsysteme in den Entgegenhaltungen (1), (2) und (3) abzuwandeln, z. B. indem er auf der unlöslichen Matrix eine erste Zone einrichtet, die das markierte Bindungsreagenz enthält und aus der die entstehenden Komplexe dann in eine räumlich getrennte Zone derselben Matrix wandern, wo sie mit Hilfe eines immobilisierten Bindungsreagenz nachgewiesen werden.

Aus den genannten Gründen wurde die Bereitstellung eines eigenständigen Testgeräts gemäß Anspruch 1 als erfinderisch erachtet, obwohl seine Bestandteile – einzeln oder in verschiedenen Kombinationen – bereits aus dem Stand der Technik bekannt waren. Dabei war es unerheblich, ob der poröse Träger in dem hohlen Gehäuse aus einem oder mehreren miteinander in Verbindung stehenden Teilen besteht. Die in der Entscheidung verwendeten Formulierungen “Stützmatrix” und “dieselbe Matrix” rechtfertigen daher keine enge Auslegung.

3.4 Gemäß Regel 27 b) EPÜ ist in der Beschreibung der bisherige Stand der Technik anzugeben, soweit er für das Verständnis der Erfindung als nützlich angesehen werden kann (s. auch T 450/97, ABl. EPA 1999, 67). Die als nächstliegender Stand der Technik anzusehende Entgegenhaltung (6) wird in der geänderten Beschreibung nunmehr entsprechend gewürdigt, und ihr wesentlicher Offenbarungsgehalt wurde nach Maßgabe der Entscheidung vom 27. Januar 2000 (Nr. 5 der Entscheidungsgründe) korrekt wiedergegeben. Mehr ist im EPÜ nicht verlangt.

3.5 Somit sind die von der Einspruchsabteilung zugelassenen Änderungen der Beschreibung – im Einklang mit den vorstehend unter Nummer 3.1 dargelegten Grundsätzen – als angemessene Anpassung der Beschreibung an die geänderten Ansprüche anzusehen.

Anträge

4.1 Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die Hauptanträge der Beschwerdeführerinnen und der Beitretenden auf Widerruf des Patents als unbegründet zurückzuweisen sind.

4.2 Die hilfsweise gestellten Anträge, die im Bescheid der Beschwerdekammer vom 12. März 2002 aufgeführten Rechtsfragen (s. vorstehend Nr. V) der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, sind ebenfalls zurückzuweisen. Die Entscheidung der Kammer steht in Einklang mit früheren Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer, insbesondere mit G 1/94 (s. o.) und G 4/91 (s. o.). Da die Beschwerdeführerinnen ihre Beschwerden nicht zurückgenommen haben, war die Frage, ob die Beitretende durch die Zahlung der Beschwerdegebühr eine selbständige Verfahrensstellung erlangt hat, nicht entscheidungserheblich. Im übrigen ergibt sich die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen nach Ansicht der Kammer unmittelbar und zweifelsfrei aus dem EPÜ.

4.3 Schließlich folgt aus den Ausführungen unter Nummer 2 über die beschränkte Zulässigkeit des Beitritts, daß der Hilfsantrag der Beitretenden auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens auf der Basis des neuen Einspruchsgrunds (Artikel 83 EPÜ) zurückzuweisen ist.

Rückzahlung von Gebühren

5. Die Beitretende hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich darauf verzichtet, einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu stellen.

Die Rückzahlung einer Gebühr kann aber auch ohne Antrag angeordnet werden, wenn eine Gebühr niemals fällig wurde oder für deren Einbehalt keine Rechtsgrundlage bestand. Daß Beitretende gemäß Artikel 105 EPÜ eine Einspruchsgebühr zu entrichten haben, ist in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern unbestritten. Die Frage, ob eine Partei, die dem Verfahren erst in der Beschwerdephase beitritt, eine Beschwerdegebühr zahlen muß, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 4. Aufl. 2001, Kapitel VII D, Nummer 5.4.2). Zu klären ist, ob die Beitretende eine Beschwerdegebühr in gleicher Höhe wie die übrigen Einsprechenden zahlen muß, um Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. April 2001 einzulegen.

Der Sachantrag der Beitretenden war im vorliegenden Fall nicht nur auf ihre Beteiligung als Einsprechende oder auf das Einlegen einer Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. April 2001 gerichtet, sondern enthielt darüber hinaus inhaltlich eine unzulässige Beschwerde gegen die Entscheidung vom 27. Januar 2000, so daß die Erhebung einer Beschwerdegebühr nach Artikel 108 Satz 2 EPÜ gerechtfertigt ist, ohne daß auf die Frage einer selbständigen Parteistellung der Beitretenden einzugehen ist.

Die Kammer hält daher im vorliegenden Fall eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr von Amts wegen nicht für gerechtfertigt.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Anträge auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer werden zurückgewiesen.

2. Die Beschwerden und der Beitritt werden zurückgewiesen.