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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2006:T099203.20061020
Datum der Entscheidung: 20 October 2006
Aktenzeichen: T 0992/03
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer: G 0001/07
Anmeldenummer: 99918429.4
IPC-Klasse: G01R 33/28
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: Medi-Physics, Inc.
Name des Einsprechenden:
Kammer: 3.4.01
Leitsatz: Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:
I. Ist ein beanspruchtes bildgebendes Verfahren für diagnostische Zwecke (Untersuchungsphase im Sinne von G 1/04), das einen Schritt aufweist oder umfasst, der in einem physischen Eingriff am menschlichen oder tierischen Körper besteht (im vorliegenden Fall Injektion eines Kontrastmittels in das Herz), als “Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers” nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz auszuschließen, wenn dieser Schritt per se nicht auf die Erhaltung von Leben und Gesundheit abzielt?
II. Falls die Frage 1 bejaht wird, könnte dann der Ausschluss vom Patentschutz vermieden werden, indem der Wortlaut des Anspruchs so geändert wird, dass der fragliche Schritt weggelassen oder durch einen Disclaimer ausgeklammert wird oder der Anspruch ihn zwar umfasst, aber sich nicht darauf beschränkt?
III. Ist ein beanspruchtes bildgebendes Verfahren für diagnostische Zwecke (Untersuchungsphase im Sinne von G 1/04) als konstitutiver Schritt einer “chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers” gemäß Artikel 52 (4) EPÜ anzusehen, wenn ein Chirurg anhand der mit diesem Verfahren gewonnenen Daten während eines chirurgischen Eingriffs unmittelbar über das weitere Vorgehen entscheiden kann?
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 52(1)
European Patent Convention 1973 Art 52(4)
European Patent Convention 1973 Art 112(1)(a)
Schlagwörter: physischer Eingriff am Körper zur Datensammlung – Verfahren zur Datensammlung im Zusammenhang mit einer chirurgischen Behandlung – Ausschluss vom Patentschutz nach Artikel 52 (4) EPÜ – Befassung der Großen Beschwerdekammer
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/98
G 0001/03
G 0001/04
T 0182/90
T 0329/94
T 0035/99
T 1102/02
T 0383/03
T 0990/03
T 0009/04
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0992/03
T 1016/10

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) legte gegen die am 17. April 2003 ergangene Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 99918429.4 (Veröffentlichungsnr. 1 066 537) Beschwerde ein, die am 3. Juni 2003 einging. Die Beschwerdegebühr wurde am 3. Juni 2003 entrichtet. Die Beschwerdebegründung ging am 15. August 2003 ein.

II. Die Anmeldung betrifft Magnetresonanzverfahren zur Abbildung von Lungen- und/oder Herzgefäßen und zur Beurteilung des Blutflusses unter Verwendung von gelöstem polarisiertem 129Xe. In der angefochtenen Entscheidung hatte die Prüfungsabteilung befunden, dass es sich bei den beanspruchten Verfahren nach den damaligen Anträgen um Diagnostizierverfahren handle, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen würden und somit gemäß Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen seien (Nr. 5.1 Abs. 2 der Entscheidungsgründe).

Außerdem hatte die Prüfungsabteilung festgestellt, dass die beanspruchten Verfahren den Schritt der Gabe von polarisiertem 129Xe als Kontrastmittel an ein lebendes Objekt mittels Inhalation oder Injektion umfassten (Nr. 5.2 der Entscheidungsgründe). Daher war sie zu dem Schluss gelangt, dass die beanspruchten Verfahren – soweit die Verabreichung des Kontrastmittels mittels Injektion erfolge – nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen seien, weil sie einen chirurgischen Verfahrensschritt aufwiesen (Nr. 5.3 der Entscheidungsgründe).

III. Am 20. Oktober 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:

Patentansprüche:

Nrn. 1 – 22, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2006

Beschreibung:

Seiten 1 – 3, 8 – 10, 12 – 21, 25, 28, 29, 32, 33 und 35 der veröffentlichten Anmeldung

Seiten 4 – 7, 11, 22 – 24, 26, 27, 30, 31 und 34, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2006

Zeichnungen:

Blätter 1/4 – 4/4 der veröffentlichten Anmeldung

V. Die Ansprüche 1, 6, 8, 11, 14, 17, 18 und 22 lauten wie folgt:

“1. Verfahren zur MRT-Abbildung von Lungen- und/oder Herzgefäßen unter Verwendung von polarisiertem 129Xe in gelöster Phase, das folgende Schritte umfasst:

Positionieren eines Patienten in einem MRT-Gerät mit einem zugehörigen Magnetfeld;

Verabreichen eines polarisierten 129Xe-Gases in eine vorgegebene Körperregion des Patienten, wobei das polarisierte Gas eine zur Bildgebung geeignete gelöste Phase aufweist;

Anregen einer vorgegebenen Körperregion des Patienten, in der sich ein Teil des polarisierten Gases in gelöster Phase befindet, durch mindestens einen RF-Anregungsimpuls mit großem Kippwinkel; und

Gewinnen mindestens eines auf das polarisierte Gas in gelöster Phase zurückgehenden MR-Bildes nach dem Schritt der Anregung.”

“6. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 5, bei dem der genannte Schritt des Verabreichens beinhaltet, dass der Patient das polarisierte 129Xe-Gas in die Lunge inhaliert, wobei das 129Xe in der Gasphase eine höhere Resonanz aufweist als in der gelösten Phase, zumindest ein Teil des 129Xe in gelöster Phase in die Lungengefäße eintritt und zumindest ein Teil des 129Xe in gelöster Phase anschließend mit einer entsprechenden Perfusionsrate in die Blutbahn eintritt.”

“8. Verfahren nach Anspruch 6 oder Anspruch 7, das als weiteren Schritt das Verabreichen von polarisiertem 3He-Gas mittels Inhalation umfasst und bei dem ein MRT-Differenzialbild erhalten wird, das neben den Informationen, die auf das polarisierte 129Xe in gelöster Phase zurückgehen, auch Informationen enthält, die auf das polarisierte 3He-Gas in der Lunge zurückgehen.”

“11. Verfahren zur Ermittlung eines spektroskopischen Signals, das ein Blutvolumen oder eine Blutflussgeschwindigkeit eines Patienten repräsentiert, das folgende Schritte umfasst:

Positionieren eines lebenden Objekts in einem MR-Spektroskopiegerät, das spektroskopische Signale in einem lebenden Objekt mit Lungengefäßen erfassen kann;

Verabreichen von gasförmigem polarisiertem 129Xe an das lebende Objekt;

Lösen eines Teils des gasförmigen polarisierten 129Xe in den Lungengefäßen, die über einen zugehörigen Blutkreislauf verfügen;

Anregen des gelösten Teils des 129Xe durch einen RF-Anregungsimpuls zur MR-Spektroskopie; und

Ermitteln eines spektroskopischen Signals, das auf das 129Xe in gelöster Phase zurückgeht und ein Blutvolumen oder die Blutflussgeschwindigkeit repräsentiert.”

“14. Verfahren nach Anspruch 13, bei dem der Impuls mit großem Kippwinkel größer ist als ein Impuls mit einem Kippwinkel von rund 90º und bei dem der Schritt des Verabreichens erfolgt, indem das lebende Objekt gasförmiges polarisiertes 129Xe inhaliert.”

“17. Bildgebendes Verfahren für das Herz, das folgende Schritte umfasst:

Positionieren eines lebenden Objekts mit einem Herzblutkreislauf in einem MRT-System;

Verabreichen von polarisiertem 129Xe an das lebende Objekt;

Lösen zumindest eines Teils des polarisierten 129Xe im Herzblutkreislauf des lebenden Objekts;

Anregen des gelösten polarisierten 129Xe in einer Zielregion entlang des Blutkreislaufs durch mindestens einen RF-Anregungsimpuls mit großem Kippwinkel; und Aufnehmen eines MR-Bildes, das auf das angeregte gelöste polarisierte 129Xe zurückgeht.”

“18. Verfahren nach Anspruch 17, bei dem der Schritt des Verabreichens dadurch erfolgt, dass das lebende Objekt gasförmiges 129Xe inhaliert.”

“22. Verwendung von 129Xe zur Herstellung eines hyperpolarisierten Kontrastmittels, das in Behandlungs- oder Diagnostizierverfahren eingesetzt wird, bei denen das in einem der Ansprüche 1 bis 21 beschriebene Verfahren Anwendung findet.”

VI. In ihrem Bescheid vom 29. August 2006 ging die Kammer unter anderem darauf ein, dass gemäß einer Ausführungsart der Erfindung polarisiertes 129Xe “mittels Injektion oder Ähnlichem” direkt in eine Region des Herzes verabreicht werden könnte. Da die Große Beschwerdekammer in ihrer Stellungnahme G 1/04 (ABl. EPA 2006, 334, Nr. 6.2.1 der Begründung) befunden hatte, dass sich ein Anspruch mit dem Merkmal “Vornahme einer Lumbalpunktion zur Verabreichung von Epiduralinjektionen” auf ein chirurgisches Verfahren bezieht, warf die Kammer die Frage auf, ob die beanspruchten bildgebenden Verfahren, soweit sie den Schritt des Verabreichens von polarisiertem 129Xe mittels Injektion umfassten, als chirurgische Behandlungen anzusehen seien, die nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen seien. Außerdem wies die Kammer auf Aussagen in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung hin, wonach die erfindungsgemäßen bildgebenden Verfahren während eines chirurgischen Eingriffs in Echtzeit Rückmeldungen lieferten, anhand deren sich der Erfolg der Behandlung überprüfen lasse. Damit stelle sich die Frage, ob die beanspruchten Verfahren unter diesen Umständen insgesamt als Bestandteil einer chirurgischen Behandlung anzusehen seien.

VII. In ihrer Erwiderung vom 20. September 2006 auf diesen Bescheid verwies die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung T 383/03 (ABl. EPA 2005, 159), in der die Kammer festgestellt hatte, dass “der Gesetzgeber nur diejenigen therapeutischen oder chirurgischen Behandlungen von der Patentierbarkeit ausnehmen wollte, die geeignet sind oder potenziell geeignet sind, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen eines Menschen oder eines Tieres zu erhalten oder wiederherzustellen und Krankheiten vorzubeugen” (Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe). Die Beschwerdeführerin vertrat die Meinung, diese Definition stehe nicht im Widerspruch zur Definition in der Stellungnahme G 1/04 (a. a. O.), wo es heißt: “Chirurgische Verfahren im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ umfassen alle physischen Eingriffe am menschlichen oder tierischen Körper, bei denen die Erhaltung des Lebens oder der Gesundheit des Körpers von entscheidender Bedeutung ist” (Nr. 6.2.1 der Begründung). Im vorliegenden Fall dienten die Verfahren der unabhängigen Ansprüche 1, 11 und 17 nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit oder der Vorbeugung von Krankheiten, sondern beträfen die In-vivo-Bildgebung. Mit den Verfahren sollten Zwischenergebnisse gewonnen werden, was der Stellungnahme G 1/04 (a. a. O.) zufolge keine ausreichende Grundlage für eine Versagung von Patentschutz gemäß Artikel 52 (4) EPÜ darstelle. Aber selbst wenn die beanspruchten Verfahren Schritte implizierten, die einen erheblichen physischen Eingriff am Körper umfassten, würden solche Schritte lediglich zum Zweck der Datensammlung durchgeführt und sollten daher nicht als chirurgische Schritte betrachtet werden. Und auch wenn die beanspruchten Verfahren in Verbindung mit chirurgischen und/oder therapeutischen Verfahren zur Anwendung kommen könnten, beispielsweise als bildgebende Verfahren in Echtzeit während eines chirurgischen Eingriffs oder zur Überwachung des Verlaufs oder Erfolgs einer Therapie, seien sie für sich genommen keine Verfahren mit chirurgischem oder therapeutischem Charakter. Ohne anschließende Schritte wie die Verwendung der gewonnenen Bilddaten zur Diagnose einer Krankheit oder zur Therapie seien diese Verfahren nicht geeignet, die Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen oder einer Krankheit vorzubeugen. De facto sollte für Anmeldungen auf dem Gebiet der Diagnostik in Anbetracht der Stellungnahme G 1/04 (a. a. O.) umfassender Patentschutz gewährt werden. Auf dem Gebiet der In-vivo-Bildgebung erforderten manche Verfahren kein Kontrastmittel, so z. B. die Aufnahme von Röntgenbildern des Skeletts. Umgekehrt lasse sich bei anderen Verfahren ein zweckmäßiges Bild nur mithilfe eines Kontrastmittels erzielen, das mittels Injektion verabreicht werde, so z. B. bei Röntgenaufnahmen von Gefäßen. Es erscheine nicht einleuchtend, dass ein Verfahren zur In-vivo-Abbildung eines Teils des Körpers patentierbar und ein anderes, ähnliches Verfahren zur Abbildung eines anderen Teils des Körpers vom Patentschutz ausgeschlossen sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte sich die Prüfungsabteilung lediglich mit der Frage des Ausschlusses vom Patentschutz gemäß Artikel 52 (4) EPÜ befasst. Falls der Beschwerde stattgegeben wird, müsste die Angelegenheit daher zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen werden (Art. 111 (1) EPÜ, Satz 2, zweite Alternative).

3. Diagnostizierverfahren

Vor dem Hintergrund von G 1/04 (a. a. O.) (Nrn. 5 und 6.2.1 der Begründung) ist die Kammer der Auffassung, dass die vorliegenden Verfahrensansprüche nicht auf Diagnostizierverfahren am menschlichen oder tierischen Körper gerichtet sind, die unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ fallen. Die beanspruchten Verfahren dienen der Gewinnung von Daten in Form von Bildern oder spektroskopischen Signalen, die anschließend zur Diagnosestellung verwendet werden können. Damit beziehen sie sich auf die Untersuchungsphase, weisen aber nicht die Schritte des Vergleichs der gewonnenen Daten mit Normwerten, der Feststellung signifikanter Abweichungen und der Zuordnung dieser Abweichungen zu einem bestimmten Krankheitsbild auf, die als konstitutive Schritte einer Diagnosestellung gelten.

4. Verfahren zur chirurgischen Behandlung

4.1 Die vorliegende Erfindung betrifft ein Magnetresonanzverfahren zur Abbildung von Lungen- und/oder Herzgefäßen eines lebenden Objekts (Anspruch 1), ein Verfahren zur Ermittlung eines spektroskopischen Signals, das ein Blutvolumen oder eine Blutflussgeschwindigkeit eines lebenden Objekts repräsentiert (unabhängiger Anspruch 11), und ein bildgebendes Verfahren für das Herz (unabhängiger Anspruch 17). All diese Verfahren umfassen den Schritt des Verabreichens von polarisiertem 129Xe an das lebende Objekt, und zwar insbesondere mittels Inhalation (Ansprüche 6, 8, 14 und 18; veröffentlichte Anmeldung, S. 9, Z. 24 – 30; S. 23, Z. 7 – 25; S. 27, Z. 7 – 10). Beim bildgebenden Verfahren für das Herz beruht eine Ausführungsform, die unter den Wortlaut des Anspruchs 17 fällt, auf dem direkten Verabreichen von polarisiertem 129Xe in eine Region des Herzes, beispielsweise mittels Injektion oder Ähnlichem in den linken Ventrikel. Das direkte Verabreichen in den rechten Vorhof oder Ventrikel ist ebenfalls vorgesehen. In jedem Falle kann das polarisierte 129Xe in verschiedenen Phasen, also z. B. gasförmig, gelöst oder flüssig, injiziert werden, wobei diese Beispiele nicht erschöpfend sind (veröffentlichte Anmeldung, S. 26, Z. 8 – 13).

Die erfindungsgemäßen bildgebenden Verfahren können einem chirurgischen Eingriff oder einer medikamentösen Therapie zur Behandlung von Lungen- oder Herzgefäßproblemen vorausgehen. Während eines chirurgischen Eingriffs können sie Echtzeit-Rückmeldungen zur Kontrolle des Erfolgs des Eingriffs liefern, z. B. Aufschluss über chirurgisch induzierte Veränderungen der Durchblutung geben. Im Rahmen einer medikamentösen Therapie können sie der Ermittlung der Medikamentenwirkung dienen (veröffentlichte Anmeldung, S. 26, Z. 29 bis S. 27, Z. 3; S. 31, Z. 27 bis S. 32, Z. 2; S. 34, Z. 4 – 31).

4.2 Die Injektion von polarisiertem 129Xe ins Herz, wie sie in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung vorgesehen ist, ist ein erheblicher physischer Eingriff am Körper, der mit einem Gesundheitsrisiko verbunden ist und dessen Durchführung medizinische Fachkenntnisse erfordert. Eine solche Injektion, die durch den Wortlaut der vorliegenden Ansprüche 1, 11 und 17 abgedeckt ist, könnte als ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ angesehen werden, auch wenn bei den beanspruchten bildgebenden Verfahren der physische Eingriff am Körper selbst nicht auf die Erhaltung von Leben oder Gesundheit gerichtet ist, sondern eine Voraussetzung für die Sammlung von Daten im Laufe der Untersuchungsphase einer ärztlichen Diagnose ist. Damit stellt sich die Frage, ob die beanspruchten bildgebenden Verfahren, die einen solchen Schritt aufweisen oder umfassen, unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ fallen, obwohl sie selbst keine heilende Wirkung erzielen.

4.3 Als weiterer Umstand muss berücksichtigt werden, dass in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung wiederholt auf den Nutzen der erfindungsgemäßen bildgebenden Verfahren während eines chirurgischen Eingriffs abgehoben wird. Tatsächlich geht es bei den beanspruchten Verfahren weniger darum, wie Bilddaten gewonnen werden, sondern lediglich darum, dass solche Daten erzeugt werden. Die Schritte der Überwachung und Bewertung des Verlaufs eines chirurgischen Eingriffs sind sicherlich keine Tätigkeiten, die dem Zweck dienen, ein Symptom festzustellen und es einem bestimmten Krankheitsbild zuzuordnen, denn sie gehen von einer bereits gestellten Diagnose im Sinne der in G 1/04 (a. a. O.) enthaltenen Definition aus. Dennoch erzeugen die beanspruchten Verfahren, wenn sie in der beschriebenen Weise eingesetzt werden, offensichtlich Bilder, die es einem Chirurgen unmittelbar, d. h. in Echtzeit und ohne sonstige Schritte außer rein gedanklichen Tätigkeiten, ermöglichen, über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Daraus ergibt sich die Frage, ob Verfahren, die diagnostisch verwertbare Informationen liefern, bei Einsatz im Rahmen einer chirurgischen Behandlung insgesamt als konstitutiver Bestandteil oder Schritt einer solchen Behandlung anzusehen sind.

4.4 Definitionen des Begriffs “Chirurgie”

In der Entscheidung T 182/90 (ABl. EPA 1994, 641) über ein Verfahren zur Messung der Durchblutung eines bestimmten Gewebes eines Tieres, das den Schritt der Tötung dieses Tieres umfasste, wurde auf der Grundlage von Definitionen des Begriffs “Chirurgie” in der Literatur und in Enzyklopädien eine umfassende Analyse des Begriffs “chirurgische Behandlung” vorgenommen (Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe). Die Kammer befand, dass der Verweis auf den Heilzweck, der sich in einigen dieser Definitionen finde, nicht vereinbar mit dem heutigen medizinischen und juristischen Sprachgebrauch erscheine, nach dem auch unter Behandlungsverfahren, die offensichtlich nicht der Heilung dienten, dennoch eine chirurgische Behandlung verstanden werde; als Beispiele wurden kosmetische Behandlungen, Schwangerschaftsabbrüche, Kastrationen, Sterilisationen, künstliche Inseminationen, Embryotransplantierungen, Behandlungen zu Versuchs- und Forschungszwecken und die Entnahme von Organen, Haut oder Knochenmark bei einem lebenden Spender angeführt (Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe). In Anbetracht dessen gelangte die Kammer zu dem Schluss, dass der Begriff “chirurgische Behandlung” ganz offenbar einen Bedeutungswandel erfahren habe und heutzutage auch besondere Behandlungsverfahren umfassen könne, die nicht auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des menschlichen oder tierischen Körpers gerichtet seien (Nr. 2.4 der Entscheidungsgründe). Der angesprochene Bedeutungswandel der Terminologie könne aber keinesfalls so weit gehen, dass jede Art von manueller oder instrumenteller Einwirkung eines Menschen auf einen anderen oder auf ein Tier unter dem Begriff der “chirurgischen Behandlung” subsumiert werde. Insbesondere könnten Verfahren, an deren Ende notwendigerweise der Tod des Tieres herbeigeführt werde, ihrem Wesen nach kein Verfahren zur chirurgischen Behandlung darstellen, selbst wenn einige Verfahrensschritte möglicherweise als chirurgisch einzustufen seien (Leitsatz II).

Die Begründung der Entscheidung T 182/90 wurde in der Sache T 35/99 (ABl. EPA 2000, 447) bestätigt, die ein Verfahren für den transvenösen Zugang zum Perikardialraum betraf. Dieses Verfahren umfasste folgende Schritte: Einschieben eines Katheters in Richtung des Blutflusses durch die Vena cava in den rechten Vorhof, Vorschieben des Katheters durch den rechten Vorhof in das rechte Herzohr und Vorschieben des Katheters durch die Wand des rechten Herzohrs hindurch in den Perikardialraum. Die sichere und zuverlässige Einführung eines Katheters und/oder von Elektroden in den Perikardialraum ermöglichte es, elektrischen Strom zum Herzmuskel zu leiten und/oder pharmakologische Wirkstoffe direkt in den Herzbeutel einzubringen (Nr. 9 der Entscheidungsgründe). Die Kammer befand, dass alle beanspruchten Verfahren die Katheterisierung als Teil eines medizinischen Verfahrens umfassten und daher als Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers einzustufen seien (Nr. 10 der Entscheidungsgründe). Diese Schlussfolgerung stützte die Kammer auf den Gedanken, dass zwischen zwei Kategorien des physischen Eingriffs in den menschlichen oder tierischen Körper unterschieden werden müsse. Zur ersten Kategorie gehörten die Eingriffe, die unabhängig von ihrem Zweck – Heilzwecke oder kosmetische Zwecke – vorrangig der Erhaltung des Lebens oder der Gesundheit des Körpers dienten, in dem sie vorgenommen würden. Diese seien “ihrem Wesen nach” Verfahren zur chirurgischen Behandlung im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ. Unter die zweite Kategorie fielen all jene Verfahren, die mit dem Tod von Lebewesen endeten, beispielsweise Verfahren zur Schlachtung von Tieren oder Verfahren, an deren Ende der Tod des Versuchstieres herbeigeführt werde. Diese “tödlichen” Verfahren unterlägen nach Auffassung der Kammer ethischen Erwägungen (Art. 53 a) EPÜ) und bestimmten rechtlichen Beschränkungen (z. B. Strafbarkeit von Tötungshandlungen) (Nr. 4 der Entscheidungsgründe).

Die Entscheidung T 383/03 (ABl. EPA 2005, 159) betraf ein kosmetisches Verfahren zum gleichzeitigen Entfernen einer Mehrzahl von Haaren von einem Hautbereich, das den Schritt des Applizierens optischer Strahlung auf diesen Hautbereich umfasste. Ziel der optischen Bestrahlung war eine Schädigung der Haare, ohne das umliegende Gewebe nennenswert zu verletzen. Die Kammer stellte fest, dass der Begriff “chirurgische Behandlung” – wie bereits in T 182/90 angeführt – im heutigen medizinischen Sprachgebrauch Behandlungen mit einschließe, die nicht auf die Gesundheit von Mensch oder Tier gerichtet seien (Nr. 3.3 der Entscheidungsgründe). Chirurgische Behandlungen, die eindeutig weder geeignet noch potenziell geeignet seien, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen von Menschen oder Tieren zu erhalten oder wiederherzustellen, fielen jedoch nicht unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ (Nr. 3.4 der Entscheidungsgründe). Vor diesem Hintergrund befand die Kammer, dass das beanspruchte kosmetische Verfahren zwar eine gewollte physische Einwirkung auf den Körper beinhalte, die als chirurgischer Eingriff zu betrachten sei, aber nicht unter das Patentierungsverbot falle, weil es eindeutig nicht potenziell geeignet sei, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen zu erhalten oder wiederherzustellen (Nr. 4.2 der Entscheidungsgründe).

Dieselbe Linie wurde in den Entscheidungen T 1102/02 (Nr. 3 Abs. 4 der Entscheidungsgründe) und T 9/04 (Nr. 6 Abs. 2 der Entscheidungsgründe) verfolgt, wo ebenfalls befunden wurde, dass ein Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ geeignet oder zumindest potenziell geeignet sein müsse, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen eines Menschen oder Tieres zu erhalten oder wiederherzustellen.

In ihrer Stellungnahme G 1/04 (a. a. O.) führte die Große Beschwerdekammer als “obiter dictum” aus, dass chirurgische Verfahren im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ alle physischen Eingriffe am menschlichen oder tierischen Körper umfassten, bei denen die Erhaltung des Lebens oder der Gesundheit des Körpers von entscheidender Bedeutung sei (Nr. 6.2.1 Satz 1 der Begründung). Außerdem verwies die Große Beschwerdekammer auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach ein Verfahrensanspruch unter die Ausschlussbestimmung des Artikels 52 (4) EPÜ falle, wenn er auch nur ein Merkmal enthalte, das eine physische Tätigkeit oder Maßnahme definiere, die einen Verfahrensschritt zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers darstelle (Nr. 6.2.1 Satz 3 der Begründung).

4.5 Folgen der Definitionen

In der angeführten Rechtsprechung werden bei der Definition des Begriffs “Chirurgie” zwei Aspekte herausgehoben, nämlich das Wesen des physischen Eingriffs einerseits und sein Zweck andererseits.

Die Beschwerdekammern haben je nachdem, ob die Betonung auf das Wesen oder aber auf den Zweck gelegt wurde, unterschiedliche Schlussfolgerungen in Bezug auf das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ gezogen.

4.5.1 Wesen und Zweck des physischen Eingriffs

In den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt (Juni 2005) heißt es: “Der Begriff Chirurgie kennzeichnet nicht den Zweck, sondern die Art der Behandlung” (C-IV, 4.2.1).

Diese Auffassung entspricht der in den Entscheidungen T 182/90 (a. a. O.) und T 35/99 (a. a. O.) vertretenen Linie. In Einklang mit T 182/90 (a. a. O.) befand die Kammer in der Sache T 329/94 (ABl. EPA 1998, 241), dass die Entnahme von Blut unter die Ausschlussbestimmung des Artikels 52 (4) EPÜ fallen würde, wenn man sie unter anderem als Schritt eines Verfahrens zur chirurgischen Behandlung betrachtete, wenn man bedenke, dass die Blutentnahme die Verwendung chirurgischer Instrumente erfordere und hierbei in das Gefüge des Organismus eingegriffen werde (Nr. 4 der Entscheidungsgründe).

Dagegen wurde im Fall T 383/03 (a. a. O.) die Entscheidung darüber, welche Erfindungen nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausgenommen sind, maßgeblich davon bestimmt, dass das beanspruchte Verfahren nicht auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, der physischen Unversehrtheit oder des physischen Wohlergehens eines Menschen oder eines Tieres gerichtet war. Das Wesen des physischen Eingriffs am Körper, d. h. der optischen Bestrahlung der Haut, war zweitrangig.

Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Auslegung der in Artikel 52 (4) EPÜ genannten “Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers” scheint nicht einheitlich zu sein. Während ein Konzept auf der Beurteilung des Wesens des physischen Eingriffs am Körper basiert, konzentriert sich das andere darauf, ob der physische Eingriff zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, der physischen Unversehrtheit oder des physischen Wohlergehens eines Menschen oder Tieres geeignet ist. Die Definition in G 1/04 (a. a. O.), wonach “chirurgische Verfahren im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ alle physischen Eingriffe am menschlichen oder tierischen Körper umfassen, bei denen die Erhaltung des Lebens oder der Gesundheit des Körpers von entscheidender Bedeutung ist”, scheint eher auf den Zweck des Eingriffs als auf sein Wesen abzuheben (Nr. 6.2.1 der Begründung).

Nach Auffassung der Kammer könnte das auf dem Zweck basierende Konzept dazu führen, dass über den Ausschluss ein und desselben physischen Eingriffs gegensätzlich entschieden würde. Beispielsweise wäre die Injektion eines Arzneimittels zur Behandlung einer Krankheit vom Patentschutz ausgeschlossen, während die Injektion eines Stoffes zur Reduzierung von Falten für kosmetische Zwecke möglicherweise nicht als eine chirurgische Behandlung im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ angesehen würde, weil sie nicht geeignet ist, die Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen. In beiden Fällen wäre der physische Eingriff am Körper im Wesentlichen derselbe, nämlich eine Injektion.

4.5.2 Andere Konzepte

Neben dem Wesen und dem Zweck des physischen Eingriffs sind noch andere Konzepte denkbar.

Ein Konzept könnte sich am medizinischen Risiko des physischen Eingriffs orientieren. Dieses Risiko ist auch an die Frage gekoppelt, ob die Durchführung der Verfahrensschritte einem Human- oder Veterinärmediziner obliegen sollte. In diesem Zusammenhang erscheint das auf dem Wesen des physischen Eingriffs basierende Konzept zumindest für diejenigen Verfahren, deren Ausführung medizinische Fachkenntnisse erfordern und somit in die Zuständigkeit eines Human- oder Veterinärmediziners fallen würde, besser geeignet als das auf dem Zweck basierende Konzept. Allerdings befand die Große Beschwerdekammer in G 1/04 (a. a. O.), dass es schwierig sei, eine Definition des Human- oder Veterinärmediziners auf europäischer Ebene aufzustellen, und daher das europäische Patenterteilungsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit nicht davon abhängig gemacht werden solle, ob solche Mediziner an einem Verfahren beteiligt seien (Nr. 6.1 der Begründung). Ungeachtet dieser objektiven Schwierigkeit liegt es im vorliegenden Fall nahe, dass eine Injektion ins Herz von einem Human- oder Veterinärmediziner vorgenommen werden sollte.

Andere Konzepte könnten an Faktoren wie dem Invasivitätsgrad oder der operativen Komplexität des physischen Eingriffs ansetzen. Die Kammer ist sich jedoch der Schwierigkeit bewusst, Kriterien für die Auslegung der Ausschlussbestimmung des Artikels 52 (4) EPÜ auf der Grundlage solcher Faktoren festzulegen.

5. Form zulässiger Ansprüche

5.1 Würde argumentationshalber angenommen, dass der Schritt der Injektion eines Kontrastmittels im Rahmen eines bildgebenden Verfahrens dieses Verfahren tatsächlich nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz ausschlösse, so stellt sich die Frage, ob ein solcher Ausschluss verhindert werden könnte, indem dieser Schritt entweder aus dem Anspruch weggelassen oder durch einen Disclaimer ausgeklammert würde, der beispielsweise klarstellt, dass dieser Schritt dem beanspruchten bildgebenden Verfahren vorausgeht, aber kein Bestandteil davon ist. Denkbar wären Formulierungen wie “vorher verabreichtes Kontrastmittel”.

In diesem Zusammenhang hat die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung G 1/03 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 2004, 413) verwiesen, in der es für zulässig erachtet worden sei, einen Disclaimer aufzunehmen, um einen Gegenstand auszuklammern, der nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ aus nicht technischen Gründen vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Dem hält die Kammer die Aussage in G 1/04 (a. a. O.) entgegen, dass ein Merkmal, das “als für die Definition der Erfindung konstitutiv anzusehen ist”, wie im vorliegenden Fall die Verabreichung eines Kontrastmittels, gemäß Artikel 84 EPÜ als wesentliches Merkmal in den Anspruch aufgenommen werden muss (Nr. 6.2.4 der Begründung).

5.2 Außerdem hat sich die Beschwerdeführerin auf die von der Großen Beschwerdekammer in der Entscheidung G 1/98 (ABl. EPA 2000, 111) dargelegten Grundsätze berufen und vorgebracht, dass ein stärker abstrahierter Anspruch, der einen vom Patentschutz ausgeschlossenen Gegenstand umfasse, ohne ihn ausdrücklich zu beanspruchen, zulässig sein solle. So solle ein Anspruch, der den Schritt der “Verabreichung eines Kontrastmittels” umfasse, dabei aber offenlasse, wie dieser Schritt zu erfolgen habe, zumindest dann zugelassen werden, wenn unkritische Verfahren zur Verabreichung des Kontrastmittels, z. B. mittels Inhalation oder oral, offenbart oder verfügbar seien.

6. Befassung der Großen Beschwerdekammer

Gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst eine Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, von Amts wegen die Große Beschwerdekammer, wenn sie – zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt – hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.

In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern finden sich unterschiedliche Definitionen des Begriffs “Chirurgie”. Die Anwendung der Konzepte, die einerseits auf dem Wesen des physischen Eingriffs und andererseits auf dessen Zweck basieren, könnte zu unterschiedlichen Ergebnissen bezüglich der Patentierbarkeit nach Artikel 52 (4) EPÜ führen. Die Anwendung anderer Konzepte kann nicht ausgeschlossen werden. Daher muss für die Entscheidung in der vorliegenden Sache geklärt werden, wie der Begriff “chirurgische Behandlung” im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ auszulegen ist.

Die Frage, welcher Auslegung zu folgen ist, ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Allgemein anerkannter Sinn und Zweck des Patentierungsverbots des Artikels 52 (4) EPÜ ist es, Verfahren, die medizinischen Zwecken dienen, Patentschutz zu versagen, damit niemand durch Patentrechte an der Ausübung der Heilkunst gehindert werden kann. Der Umfang dieses Patentierungsverbots ist somit im Wesentlichen von der Auslegung des in Artikel 52 (4) EPÜ verwendeten Begriffs “chirurgische Behandlung” abhängig, der den Umfang des vom Patentschutz ausgeschlossenen Tätigkeitsbereichs festlegt.

Neben der obigen Thematik stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob ein bildgebendes Verfahren, das diagnostisch verwertbare Informationen liefert, auch wenn es sich auf eine Untersuchungsphase gemäß der Entscheidung G 1/04 (a. a. O.) bezieht, als konstitutiver Schritt einer chirurgischen Behandlung im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ anzusehen ist, wenn feststeht, dass die unmittelbaren Ergebnisse, d. h. die erzeugten Bilddaten, es einem Chirurgen in bestimmten Fällen ermöglichen, durch bloße Kenntnisnahme dieser Daten über das weitere Vorgehen bei einem chirurgischen Eingriff zu entscheiden.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:

1. Ist ein beanspruchtes bildgebendes Verfahren für diagnostische Zwecke (Untersuchungsphase im Sinne von G 1/04), das einen Schritt aufweist oder umfasst, der in einem physischen Eingriff am menschlichen oder tierischen Körper besteht (im vorliegenden Fall Injektion eines Kontrastmittels in das Herz), als “Verfahren zur chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers” nach Artikel 52 (4) EPÜ vom Patentschutz auszuschließen, wenn dieser Schritt per se nicht auf die Erhaltung von Leben und Gesundheit abzielt?

2. Falls die Frage 1 bejaht wird, könnte dann der Ausschluss vom Patentschutz vermieden werden, indem der Wortlaut des Anspruchs so geändert wird, dass der fragliche Schritt weggelassen oder durch einen Disclaimer ausgeklammert wird oder der Anspruch ihn zwar umfasst, aber sich nicht darauf beschränkt?

3. Ist ein beanspruchtes bildgebendes Verfahren für diagnostische Zwecke (Untersuchungsphase im Sinne von G 1/04) als konstitutiver Schritt einer “chirurgischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers” gemäß Artikel 52 (4) EPÜ anzusehen, wenn ein Chirurg anhand der mit diesem Verfahren gewonnenen Daten während eines chirurgischen Eingriffs unmittelbar über das weitere Vorgehen entscheiden kann?