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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2001:T022698.20010207
Datum der Entscheidung: 07 Februar 2001
Aktenzeichen: T 0226/98
Anmeldenummer: 87306882.9
IPC-Klasse: C07D 277/48
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: RICHTER GEDEON VEGYESZETI GYARR. T.
Name des Einsprechenden: Yamanouchi Pharmaceutical Co.
Ltd.
Kammer: 3.3.01
Leitsatz: I. In einem Anspruch, der sich auf ein Erzeugnis als solches bezieht (hier: Famotidin der Form “B”) macht das Merkmal “als pharmazeutisches Produkt”, mit dem ein pharmazeutischer Reinheitsstandard definiert werden soll, den besagten Anspruch unklar, wenn eine allgemein anerkannte quantitative Definition des angeblichen Reinheitsstandards fehlt. Auch kann dieser Ausdruck nicht als Formulierung eines allgemein anerkannten funktionellen Merkmals angesehen werden, da sich daraus keine eindeutige Definition entnehmen läßt (s. Nr. 7.2 der Entscheidungsgründe).
II. Da sich Reinheitsstandards aus verschiedenen Gründen (z. B. neues Herstellungsverfahren, neue oder verbesserte Analysegeräte, veränderte Kriterien der Marktzulassung) im Laufe der Zeit ändern können, bleibt unklar, worin die gewünschte Qualität des Erzeugnisses bestehen soll, die durch das Merkmal “als pharmazeutisches Produkt” definiert wird (s. Nr. 7.3 der Entscheidungsgründe).
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 84
European Patent Convention 1973 Art 123(2)
European Patent Convention 1973 Art 123(3)
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 R 57a
Schlagwörter: Hauptantrag: Klarheit (verneint) – Unklarheit des abgrenzenden Merkmals ‘als pharmazeutisches Produkt’
erster Hilfsantrag: Stützung durch die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (verneint)
zweiter Hilfsantrag: Neuheit (verneint)
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/91
G 0001/92
G 0009/92
T 0012/81
T 0181/82
T 0303/94
T 0401/95
T 0728/98
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0381/02
T 1772/09

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) legte Beschwerde ein gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 256 747 (europäische Patentanmeldung Nr. 87 306 882.9) gemäß Artikel 102 (3) a) EPÜ in geändertem Umfang (bei der Einspruchsabteilung eingereichter zweiter Hilfsantrag) aufrechtzuerhalten.

II. Der von der Einsprechenden 1 gegen das Patent als Ganzes eingelegte Einspruch stützte sich auf Artikel 100 a) EPÜ unter Verweis auf die folgenden Entgegenhaltungen:

(1) ES-A-536 803

(2) GB-A-2 055 800

(3) EP-A 0 128 736

(7) Versuchsbericht von Prof. Ishii

und den durch mehrere eidesstattliche Versicherungen belegten vorherigen Verkauf der Form “B” von Famotidin.

Der von der früheren Einsprechenden 2 (s. nachstehende Nr. IV) gegen das Patent im Umfang des Anspruchs 2, der Ansprüche 4 bis 8 in bezug auf die Form “B” und des Anspruchs 10 für alle Vertragsstaaten außer AT sowie im Umfang des Anspruchs 2, der Ansprüche 3 bis 6 in bezug auf die Form “B” und des Anspruchs 8 für AT eingelegte Einspruch stützte sich auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ. Hinsichtlich der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit der genannten Ansprüche verwies die frühere Einsprechende 2 auf die folgenden Entgegenhaltungen:

(1) ES-A-536 803

(3) EP-A 0 128 736

(4) US-A-4 496 737

(8) Versuchsbericht von Prof. Burger

und den durch mehrere eidesstattliche Versicherungen belegten vorherigen Verkauf der Form “B” von Famotidin.

III. Die Einspruchsabteilung stellte fest, daß der Anspruch 2 des Haupt- und des ersten Hilfsantrags, die in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurden, den Erfordernissen des Artikels 102 (3) EPÜ nicht entspricht.

Die Einspruchsabteilung befand, daß der Gegenstand des Anspruchs 2 des Haupt- und des ersten Hilfsantrags in der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Fassung gegenüber den angeführten Dokumenten aus dem Stand der Technik, insbesondere Beispiel 4 des Dokuments (3), neu sei, da das Dokument (3) keine polymorphen Formen von Famotidin und somit weder Form “A” noch Form “B” offenbare. Jedoch sei die Form “B” nach Auffassung der Einspruchsabteilung durch öffentliche Vorbenutzung vorweggenommen worden.

IV. Die Einsprechende 2 (Merck & Co., Inc.) nahm ihren Einspruch im Verlauf des Einspruchsverfahrens zurück.

V. Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Satz der Ansprüche 1 bis 8 für die Vertragsstaaten BE, CH, DE, FR, GB, IT, LI, NL und SE (wobei Anspruch 2 dem des ersten Hilfsantrags entsprach) und einen neuen Satz der Ansprüche 1 bis 6 für den Vertragsstaat AT ein.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende 1) beantragte nur die Zurückweisung der Beschwerde, ohne Argumente zur Stützung dieses Antrags vorzubringen, und nahm ihren Einspruch später zurück (s. Schreiben vom 9. November 1998).

VII. In Übereinstimmung mit der Mitteilung des Vizepräsidenten Generaldirektion 3 vom 19. Mai 1998 (ABl. EPA 1998, 362 – 363) wurde dem von der Beschwerdeführerin am 24. Juli 2000 gestellten Antrag auf Beschleunigung des Verfahrens stattgegeben.

VIII. In einem ersten Bescheid vom 26. Oktober 2000 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin folgendes mit:

– die Aufnahme des Merkmals “als pharmazeutisches Produkt” in Anspruch 2 erscheine nicht “sachdienlich” und “erforderlich” (Regel 57a EPÜ);

– die Neuheit des Anspruchs 2 sei u. a. im Hinblick auf die folgenden Dokumente zu erörtern:

Dokument (3) Beispiel 4,

Dokument (4) Beispiel 5,

Dokument (5): von der Patentinhaberin eingereichter Versuchsbericht von Prof. Marko und

Dokumente (7) und (8).

IX. In ihrem am 5. Januar 2001 eingegangenen Antwortschreiben verzichtete die Beschwerdeführerin auf ihren früheren Antrag und reichte als Haupt- und zunächst einzigen Antrag einen Satz von 8 Ansprüchen für die Vertragsstaaten außer AT und einen Satz von 5 Ansprüchen für den Vertragsstaat AT ein. Anspruch 2 für die Vertragsstaaten außer AT lautet wie folgt:

“2. Ein als Form “B” bezeichnetes morphologisch homogenes Polymorph von Famotidin als pharmazeutisches Produkt, das in der DSC bei einer Aufheizgeschwindigkeit von 1 C/min ein endothermes Schmelzmaximum von 159 °C aufweist, dessen charakteristische Absorptionsbanden im Infrarotspektrum bei 3506, 3103, und 777 cm-1 liegen, dessen Schmelzpunkt 159 – 162 °C beträgt und das eine nadelförmige Kristallstruktur besitzt.”

Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß der Ausdruck “als pharmazeutisches Produkt” sachdienlich und erforderlich sei, um das beanspruchte Erzeugnis von dem rohen Famotidin zu unterscheiden, das gemäß dem Dokument (3) gewonnen werde und neben Famotidin Verunreinigungen enthalte, die es zur Verwendung als pharmazeutisches Produkt ungeeignet machten.

X. In einem zweiten, per Fax übermittelten Bescheid vom 23. Januar 2001 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, daß in der mündlichen Verhandlung zunächst geprüft werde, ob der Gegenstand des vorliegenden Antrags die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und (3) und 84 EPÜ (Artikel 102 (3) EPÜ) erfülle.

XI. In der am 7. Februar 2001 vor der Kammer geführten mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin zwei Hilfsanträge ein, deren Anspruch 2 für die Vertragsstaaten außer AT wie folgt lautet:

erster Hilfsantrag:

“2. Ein als Form “B” bezeichnetes morphologisch homogenes Polymorph von Famotidin, das in der DSC bei einer Aufheizgeschwindigkeit von 1 °C/min ein endothermes Schmelzmaximum von 159 °C aufweist, dessen charakteristische Absorptionsbanden im Infrarotspektrum bei 3506, 3103, und 777 cm-1 liegen, dessen Schmelzpunkt 159 – 162 °C beträgt, das eine nadelförmige Kristallstruktur besitzt und das gewonnen wird, indem Famotidin einer unspezifischen morphologischen Zusammensetzung in Wasser und/oder einem niederen aliphatischen Alkohol unter Erhitzen gelöst wird, dadurch gekennzeichnet, daß eine bei einer Temperatur von weniger als 40 °C übergesättigte Lösung hergestellt wird, wobei die übergesättigte Lösung durch Freisetzung der freien Base von Famotidin aus ihrem Salz durch Hinzufügen des Salzes zu Ammoniumhydroxid hergestellt wird und Kristalle der Form “B” ausgefällt und daraus abgetrennt werden.”

zweiter Hilfsantrag:

“2. Ein als Form “B” bezeichnetes morphologisch homogenes Polymorph von Famotidin, das in der DSC bei einer Aufheizgeschwindigkeit von 1 °C/min ein endothermes Schmelzmaximum von 159 °C aufweist, dessen charakteristische Absorptionsbanden im Infrarotspektrum bei 3506, 3103, und 777 cm-1 liegen, dessen Schmelzpunkt 159 – 162 °C beträgt, das eine nadelförmige Kristallstruktur besitzt und das gewonnen wird, indem Famotidin einer unspezifischen morphologischen Zusammensetzung als Acetat in Wasser gelöst wird und eine bei einer Temperatur von weniger als 40 °C übergesättigte Famotidinlösung durch Freisetzung der freien Base von Famotidin aus ihrem Salz durch Hinzufügen des Salzes zu Ammoniumhydroxid hergestellt wird und Kristalle der Form “B” ausgefällt und daraus abgetrennt werden.”

XII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren sowie in der mündlichen Verhandlung läßt sich wie folgt zusammenfassen:

– Da von der einzigen verbliebenen Einsprechenden 1 keine Beschwerde eingelegt worden sei, könne weder die Beschwerdekammer noch die nicht beschwerdeführende Einsprechende die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung in Frage stellen.

– Die einzige für die Beschwerde relevante Frage sei demnach die angebliche Vorwegnahme der Form “B” als pharmazeutisches Produkt “durch öffentliche Vorbenutzung”. Frühere Einwände, wie die angebliche Vorbenutzung durch Beispiel 4 des Dokuments (3) seien aus den in der Entscheidung genannten Gründen zurückgewiesen worden.

– Hinsichtlich des Hauptantrags erfülle die Änderung, mit der der Ausdruck “als pharmazeutisches Produkt” in Anspruch 2 des Patents in der erteilten Fassung eingefügt werde, die Erfordernisse der Regel 57a EPÜ, da sie aufgrund eines Angriffs auf die Neuheit des genannten Anspruchs 2 in der erteilten Fassung erfolgt sei. Sie werde gestützt durch verschiedene Teile der Beschreibung in der eingereichten Fassung, insbesondere Seite 1, Zeilen 3 – 4 und 13 – 14, Seite 2, Zeile 22 bis Seite 3, Zeile 7 und Seite 14, Zeilen 20 – 23. Ferner sei das hinzugefügte Merkmal klar, da es ein allgemein anerkanntes funktionelles Merkmal sei und sich eindeutig auf die erforderliche Reinheit eines Erzeugnisses beziehe, das als pharmazeutisches Produkt verwendet werden solle.

– Was den ersten Hilfsantrag betreffe, so werde die Änderung, mit der ein Verfahrensmerkmal in Anspruch 2 des erteilten Patents eingefügt werde, gestützt durch die Anmeldung in der eingereichten Fassung, nämlich Seite 4, Zeilen 11 – 13 und 23 – 27, Seite 5, Zeilen 15 – 17 und 22 – 26, Seite 6, Zeilen 12 – 14 und Seite 18, Beispiel II/4. Der genannte Anspruch 2 sei ebenfalls klar.

– Im zweiten Hilfsantrag werde die Änderung, mit der ein Verfahrensmerkmal in Anspruch 2 des Patents in der erteilten Fassung eingefügt werde, durch dieselben Teile der Anmeldung gestützt wie die für den ersten Hilfsantrag genannten. Auch der genannte Anspruch 2 sei klar.

– Anspruch 2 des zweiten Hilfsantrags sei neu gegenüber dem angeführten Stand der Technik. Insbesondere offenbare Beispiel 4 des Dokuments (3) ein Verfahren zur Herstellung von Famotidin in drei Schritten. Das am Ende des ersten Schritts gewonnene Produkt sei ein Zwischenprodukt, das sowohl von Prof. Marko als auch von Prof. Ishii als “Roherzeugnis” bezeichnet werde und neben Famotidin Verunreinigungen enthalte, die es zur Verwendung als pharmazeutisches Produkt ungeeignet machten. Es gebe somit keinen Grund, das im Dokument (3) offenbarte Verfahren nach diesem ersten Schritt abzuschließen. Auch zeigten die von Prof. Marko vorgestellten Versuche, daß das im dritten Schritt gewonnene Erzeugnis die Form “A” von Famotidin sei. Zudem bestehe das Ergebnis des ersten Schrittes nicht zwangsläufig in der Form “B”, wie durch Dokument (6), Versuchsbericht von Dr. Harsanyi (Experte der Beschwerdeführerin), gezeigt werde,

in dem zu 80 % die Form “A” und zu 20 % die Form “B” gewonnen worden sei.

Außerdem unterscheide sich der Schmelzpunkt des Roherzeugnisses mit 157,6 °C vom Schmelzpunkt des beanspruchten Erzeugnisses (159 – 162 °C), und die in Prof. Ishiis Bericht vorgestellten Infrarotspektren zeigten, daß das Roherzeugnis noch Verunreinigungen aufweise. Somit gebe es einen wesentlichen Unterschied zwischen dem im ersten Schritt von Beispiel 4 des Dokuments (3) gewonnenen Roherzeugnis und dem beanspruchten Erzeugnis, das die für ein pharmazeutisches Produkt hinreichende Reinheit aufweise.

XIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents

1) auf der Grundlage des mit Schreiben vom 5. Januar 2001 eingereichten Hauptantrags oder

2) auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten ersten Hilfsantrags oder

3) auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung eingereichten zweiten Hilfsantrags.

XIV. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Obwohl die Anspruchssätze des Hauptantrags und des ersten und zweiten Hilfsantrags für die Vertragsstaaten außer AT jeweils mehrere Ansprüche umfassen, ist es im Hinblick auf das Ergebnis dieses Beschwerdeverfahrens in diesem Fall nicht erforderlich, neben Anspruch 2 jedes Antrags noch weitere Ansprüche zu prüfen. Ebensowenig ist es notwendig, einen entsprechenden Anspruchssatz für den Vertragsstaat AT zu prüfen.

3. Anspruch 2 jedes Antrags unterscheidet sich von Anspruch 2 in der erteilten Fassung. Änderungen der Ansprüche eines Patents, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, sind in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ zu prüfen (s. G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, Nr. 19 der Entscheidungsgründe).

Hauptantrag

4. Regel 57a EPÜ

Durch die Aufnahme des Ausdrucks “als pharmazeutisches Produkt” in Anspruch 2 in der erteilten Fassung (s. vorstehende Nr. IX) soll ein von der Einsprechenden geltend gemachter Einspruchsgrund, nämlich mangelnde Neuheit, entkräftet werden. Somit ist diese Änderung nach Regel 57a EPÜ zulässig.

5. Artikel 123 (2) EPÜ

Angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführerin zu der Änderung “als pharmazeutisches Produkt” steht für die Kammer fest, daß der Gegenstand des Anspruchs 2 nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (s. Beschreibung in der eingereichten Fassung S. 1, Z. 3 – 4 und 13 – 14, S. 2, Z. 22 bis S. 3, Z. 7 und S. 14, Z. 20 – 23).

6. Artikel 123 (3) EPÜ

Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, daß der Gegenstand des Anspruchs 2, d. h. die morphologische Variante “B” von Famotidin “als pharmazeutisches Produkt” auf diese Verbindung als solche gerichtet ist. Demnach erweitert das in Anspruch 2 aufgenommene Merkmal “als pharmazeutisches Produkt” nicht den Schutzbereich. Das Erfordernis von Artikel 123 (3) EPÜ ist erfüllt.

7. Artikel 84 EPÜ

7.1 Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (1) EPÜ sieht vor, daß die Patentansprüche deutlich sein müssen und den Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, durch Angabe der technischen Merkmale der Erfindung anzugeben haben. Mit diesen Erfordernissen wird zweierlei bezweckt (s. T 728/98 vom 12. Mai 2000 (diese Entscheidung wurde im Amtsblatt EPA 2001, 319 veröffentlicht) insbesonder Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe):

– sie sollen gewährleisten, daß die Öffentlichkeit nicht im unklaren darüber bleibt, welcher Gegenstand unter einen bestimmten Anspruch fällt,

– sie sollen den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik abgrenzen, damit keine Unsicherheit über dessen technischen Beitrag zum Stand der Technik entsteht.

7.2 Im vorliegenden Fall richtet sich Anspruch 2 des Hauptantrags auf eine bestimmte kristalline Form von Famotidin “als pharmazeutisches Produkt”. Die Beschwerdeführerin brachte vor, daß sich der Ausdruck “als pharmazeutisches Produkt” auf einen pharmazeutischen Reinheitsstandard beziehe. Speziell für das Famotidin hat sie aber nichts vorgebracht, was eine allgemein anerkannte quantitative Definition des angeblichen Reinheitsstandards untermauern würde. Somit kann das Merkmal “als pharmazeutisches Produkt” nicht als quantitative und erst recht nicht als allgemein gültige Definition gelten. Auch kann dieser Ausdruck nicht, wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht, als allgemein anerkanntes funktionelles Merkmal angesehen werden. Selbst wenn man theoretisch gelten ließe, daß der Ausdruck “als pharmazeutisches Produkt” ein funktionelles Merkmal beschreibt, würde dies nichts daran ändern, daß ein funktionelles Merkmal so deutlich sein muß, daß ein Fachmann anhand seines allgemeinen Fachwissens der Lektüre des Anspruchs eine klare Definition dessen, was beansprucht wird, entnehmen kann. Dies ist hier nicht der Fall.

7.3 Zudem können sich Reinheitsstandards aus verschiedenen Gründen (z. B. neues Herstellungsverfahren, neue oder verbesserte Analysegeräte, veränderte Kriterien der Marktzulassung) im Laufe der Zeit ändern. Es bleibt unklar, worin die gewünschte Qualität des Erzeugnisses bestehen soll. Somit fehlt es dem Merkmal “als pharmazeutisches Produkt” auch an Klarheit.

7.4 Da der Anspruch 2 dieses Antrags nicht im Einklang mit Artikel 84 EPÜ steht und eine Entscheidung nur zu dem Antrag insgesamt getroffen werden kann, brauchen die übrigen Ansprüche dieses Antrags nicht geprüft zu werden. Also ist die Beschwerde, soweit sie den Hauptantrag der Beschwerdeführerin betrifft, zurückzuweisen.

Erster Hilfsantrag

8. Artikel 123 (2) EPÜ

8.1 Nach Artikel 123 (2) EPÜ darf eine europäische Patentanmeldung (oder ein europäisches Patent) nicht in der Weise geändert werden, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der Begriff “Inhalt der Anmeldung” bezieht sich auf die Teile einer europäischen Patentanmeldung, die für die Offenbarung der Erfindung maßgebend sind, insbesondere die Beschreibung und die Ansprüche.

8.2 Die Kammer ist nicht überzeugt, daß die Änderung des Anspruchs 2, die sich auf die Herstellung der übergesättigten Lösung “durch Freisetzung der freien Base von Famotidin aus ihrem Salz durch Hinzufügen des Salzes zu Ammoniumhydroxid” bezieht (s. vorstehende Nr. XI), von der Anmeldung in der eingereichten Fassung gestützt wird. Der Offenbarung in den Teilen der Beschreibung, auf die sich die Beschwerdeführerin stützt, d. h. Seite 4, Zeilen 23 – 27, Seite 6, Zeilen 12 – 14 und Seite 18, Beispiel II/4, kann nur entnommen werden, daß die freie Base von Famotidin aus Famotidinsalzen mit Carbonsäuren freigesetzt werden kann, indem man dieses Salz zu Ammoniumhydroxid hinzufügt. Eine Verallgemeinerung, die sich auf jegliche Salze von Famotidin erstreckt, erweitert den Gegenstand des Anspruchs 2 über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.

8.3 Da der Anspruch 2 dieses Antrags nicht im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ steht, ist auch der erste Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Zweiter Hilfsantrag

9. Umfang der Beschwerde

9.1 Die Ansprüche 1 und 3 bis 8 dieses Antrags für die Vertragsstaaten außer AT und die Ansprüche 1 bis 5 dieses Antrags für den Vertragsstaat AT entsprechen jeweils den Ansprüchen 1 bis 7 für die Vertragsstaaten außer AT und den Ansprüchen 1 bis 5 für den Vertragsstaat AT des Antrags in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung. Entsprechend dem grundsätzlichen Verbot der reformatio in peius ist die Kammer nicht ermächtigt, in dieser Sache zu entscheiden (G 9/92, ABl. EPA 1994, 875, Nr. 1 der Entscheidungsformel), da von der einzigen verbliebenen Beschwerdegegnerin (der Einsprechenden 1) keine Beschwerde eingelegt wurde.

9.2 Jedoch hat die Kammer entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nach Artikel 111 (1) und 102 (3) EPÜ die Befugnis und Verpflichtung, im Hinblick auf Anträge, denen die Einspruchsabteilung nicht stattgegeben hat, oder sonstige im Rahmen der Beschwerde eingereichte Anträge selbst über jeden einzelnen Fall zu entscheiden, und ist nicht an Feststellungen der angefochtenen Entscheidung gebunden (s. T 401/95 vom 28. Januar 1999, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, insbesondere Nr. 2 der Entscheidungsgründe, und T 303/94 vom 16. September 1999, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, insbesondere Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Insbesondere ist die Kammer berechtigt, die Neuheit des Anspruchs 2 gegenüber dem Dokument (3) zu prüfen, selbst wenn die Einspruchsabteilung in dieser Hinsicht zu einem positiven Ergebnis gelangt ist.

10. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Nach Überzeugung der Kammer ist der Anspruch 2 des Antrags für die Vertragsstaaten außer AT nicht in der Weise geändert worden, daß sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Insbesondere wird die Änderung, die sich auf die Herstellung einer bei einer Temperatur von weniger als 40 °C übergesättigten Famotidinlösung durch Lösung von Famotidin als Acetat und Freisetzung der freien Base von Famotidin aus ihrem Salz durch Hinzufügen des Salzes zu Ammoniumhydroxid bezieht, von der Anmeldung in der eingereichten Fassung, Seite 4, Zeilen 23 – 27, Seite 6, Zeilen 12 – 14 und Seite 18, Beispiel II/4 gestützt. Auch erweitert diese Änderung nicht den Schutzbereich.

11. Artikel 84 EPÜ

Die Kammer ist überzeugt, daß der Anspruch 2 des Antrags für die Vertragsstaaten außer AT die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann ein beanspruchtes Erzeugnis durch ein Herstellungsverfahren definiert werden. Ferner ist die Definition des Verfahrens klar.

12. Artikel 54 (1) und (2) EPÜ

12.1 Der strittige Anspruch 2 bezieht sich auf ein Erzeugnis, das teilweise anhand physikalischer Parameter und teilweise durch sein Herstellungsverfahren (Product-by-process-Anspruch) definiert wird. Somit gehört der Anspruch, obwohl dieses Erzeugnis teilweise durch sein Herstellungsverfahren gekennzeichnet wird, zur Kategorie der auf einen Gegenstand, d. h. auf ein Erzeugnis, gerichteten Ansprüche. Es gilt lediglich zu entscheiden, ob das in Anspruch 2 definierte Erzeugnis durch die Offenbarung des Dokuments (3), insbesondere des Beispiels 4, vorweggenommen wird.

12.2 Dokument (3) bezieht sich auf die Herstellung von Famotidin, eines Medikaments, das als Histamin-H2-Rezeptorenblocker oder Magensekretionshemmer (s. S. 2, Z. 10 – 19) eingesetzt wird. In Beispiel 4 wird die folgende Methode zur Herstellung von Famotidin offenbart:

a) Kondensation von Sulfamid und Methyl-3-[[[2-[(diamino-methylen)amino]-4-thiazolyl] -methyl]thio]propionimidat.

Nach der Reaktion werden “die entstandenen Kristalle durch Filtration aufgefangen, mit 200 l gekühltem Methanol gewaschen und bei Raumtemperatur luftgetrocknet, wodurch 87,5 kg des gewünschten Erzeugnisses gewonnen werden, das einen Schmelzpunkt von 157,6 °C aufweist”;

b) ein Teil des gewonnenen Erzeugnisses wird aus einem Gemisch von Dimethylformamid und Wasser wieder auskristallisiert und

c) in einer äquivalenten molaren Menge wäßriger Essigsäurelösung gelöst. Dieser Lösung wird eine äquivalente molare Menge von in Wasser verdünnter Natriumhydroxidlösung zugegeben, um Kristalle abzutrennen, die einen Schmelzpunkt von 163 – 164 °C aufweisen.

12.3. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern gehört ein chemischer Stoff, der in einer Entgegenhaltung durch Nennung des Ausgangsstoffs und des im Zusammenhang damit beschriebenen Verfahrens beschrieben wird, dem Stand der Technik an (s. T 12/81, ABl. EPA 1982, 296, Nr. 13 der Entscheidungsgründe, und T 181/82, ABl. EPA 1984, 401, Nr. 7 der Entscheidungsgründe).

12.4 Die Beschwerdeführerin brachte zunächst vor, daß der Fachmann das in Schritt a) gewonnene Erzeugnis, das sie als “Zwischenprodukt” bezeichnete, nicht beachtet und das Verfahren bis zu dem in Schritt c) gewonnenen Erzeugnis, das sie als “Endprodukt” bezeichnete, weitergeführt hätte. Ein solches Argument verkennt jedoch, daß mit Artikel 54 (1) EPÜ verhindert werden soll, daß der Stand der Technik patentiert wird. Nach Artikel 54 (2) EPÜ bildet den Stand der Technik alles, was vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit auf irgendeine Weise zugänglich gemacht worden ist. Wie in der Entscheidung G 1/92 (ABl. EPA 1993, 277, insbesondere Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe) bestätigt worden ist, muß bei der Anwendung des in Artikel 54 (1) und (2) EPÜ definierten Neuheitsbegriffs jegliches Element der Subjektivität ausgeschlossen sein.

12.5 In diesem Zusammenhang stellt die Kammer fest, daß das am Ende des Schritts a) gewonnene Erzeugnis in Form von Kristallen isoliert war und als “das gewünschte Erzeugnis”, d. h. Famotidin, bezeichnet wurde. Dieses Erzeugnis war somit im Sinne von Artikel 54 (2) EPÜ der Öffentlichkeit zugänglich.

12.6 Zum Beweis wurde Schritt a) des Beispiels 4 von drei Experten unabhängig voneinander nachgearbeitet, deren Berichte im Verlauf des Einspruchsverfahrens vorgelegt wurden:

– Prof. Marko, ein Experte der Inhaberin des Streitpatents, arbeitete das genannte Beispiel nach (s. Dokument (5) unter vorstehender Nr. VIII) und gewann Famotidin, das zu 98,3 % aus der Form “B” bestand und keine meßbare Menge der Form “A” enthielt und einen Schmelzpunkt von 161 °C aufwies (s. S. 8 des Versuchsberichts). Prof. Marko bemerkte dazu folgendes:

“Das rohe Famotidin, das bei Anwendung des in Beispiel 4 beschriebenen Herstellungsverfahrens gewonnen wurde, bestand überwiegend aus der Form “B”, aber das Erzeugnis muß natürlich noch gründlich gereinigt werden” (s. S. 10, “Schlußfolgerungen”).

– Prof. Ishii, ein Experte der Einsprechenden 1, arbeitete das genannte Beispiel nach (s. Dokument (7) unter vorstehender Nr. II) und gewann Famotidin, das zu 97,32 % aus der Form “B” bestand und keine meßbare Menge der Form “A” enthielt (reine Kristalle der Form “B”) und einen Schmelzpunkt von 158 – 160 °C aufwies (s. S. 6 des Berichts und S. 3 des Addendum).

– Prof. Burger, ein Experte der Einsprechenden 2, arbeitete das genannte Beispiel nach (s. Dokument (8) unter vorstehender Nr. II) und gewann Famotidin der Form “B” und eine nicht meßbare Menge der Form “A” (reine Kristalle der Form “B”). Dieses Erzeugnis wurde dreimal auf seine Reinheit hin analysiert, was Werte von 96,8 %, 97,6 % bzw. 96,1 % Famotidin der Form “B” ergab (s. S. 29, 33 und 34 des Berichts).

12.7 Die Korrektheit und Genauigkeit der in den drei Berichten verzeichneten Versuchsergebnisse wurden von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen. Diese bestritt jedoch, daß die Form “B” von Famotidin das “zwangsläufige Ergebnis” des in Beispiel 4, Schritt a) offenbarten Verfahrens sei, denn die Versuchsangaben seien unvollständig und Dr. Harsanyis Bericht (Dokument (6) unter vorstehender Nr. XII) zeige, daß ebensogut die Form “A” hätte gewonnen werden können. Im Gegensatz zu den in Form der Berichte von Prof. Marko, Prof. Ishii und Prof. Burger vorliegenden Beweismitteln kann nach Überzeugung der Kammer der Versuch von Dr. Harsanyi aber nicht als Nacharbeitung des Beispiels 4, Schritt a) angesehen werden, da Dr. Harsanyi nicht die Bedingungen, die zur Gewinnung des offenbarten kristallinen Erzeugnisses führten, nachgestellt, sondern reines Famotidin der Form “B” als Ausgangsprodukt verwendet hat. Dieser Unterschied wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Die Kammer gelangt somit zu dem Schluß, daß (i) die Beschwerdeführerin keine relevanten Beweismittel dafür vorgelegt hat, daß das beanspruchte Erzeugnis, d. h. Famotidin der Form “B”, bei Anwendung des in Beispiel 4, Schritt a) offenbarten Verfahrens nicht zwangsläufig gewonnen würde und (ii) daß die Berichte von Prof. Marko, Prof. Ishii und Prof. Burger unabhängig voneinander mit einem bemerkenswerten Grad an Übereinstimmung der Ergebnisse sehr wohl zeigen, daß ein Erzeugnis mit einem Gehalt an reinem Famotidin der Form “B” (ohne Form “A”) zwischen 96,1 % und 98,3 % gewonnen wurde. Somit werden bei Anwendung des in Beispiel 4, Schritt a) des Dokuments (3) angegebenen Verfahrens zwangsläufig Kristalle gewonnen, die zwischen 96,1 % und 98,3 % Famotidin in morphologisch reiner Form enthalten. Die Variationsbreite der Ertragsmenge ist so gering, daß sie als üblich angesehen werden kann (Prof. Burger analysierte das gewonnene Erzeugnis dreimal und stellte dabei fest, daß der Gehalt an Famotidin der Form “B” zwischen 96,1 % und 97,6 % variierte).

12.8 Die Beschwerdeführerin brachte weiter vor, daß das beanspruchte Erzeugnis gegenüber dem in Beispiel 4, Schritt a) gewonnenen aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Parameterwerte neu sei. Die in Anspruch 2 angegebenen Werte definierten ein Erzeugnis, dessen Reinheit es im Gegensatz zu dem in Beispiel 4, Schritt a) gewonnenen Roherzeugnis für die Verwendung als pharmazeutisches Produkt geeignet machten.

Diese Werte beziehen sich auf drei verschiedene physikalische Meßkategorien, nämlich Schmelzpunkt, Absorptionsbanden des Infrarotspektrums und DSC.

– Der Schmelzpunkt des beanspruchten Famotidins beträgt 159 – 162 °C, während der Schmelzpunkt des Erzeugnisses in Beispiel 4, Schritt a) bei 157,6 °C liegt. Jedoch stellte Prof. Marko einen Schmelzpunkt von 161 °C (s. S. 8 seines Berichts) und Prof. Ishii einen Schmelzpunktbereich zwischen 158 – 160 °C (s. S. 6 seines Berichts) fest. Nach Auffassung der Kammer ist diese Situation vergleichbar mit Fehlermargen, wenn es um die Prüfung der Genauigkeit einer Messung geht. Zudem kann die Kammer ungeachtet der Frage, ob die Reinheit eines Erzeugnisses ein wesentliches Merkmal desselben ist, hier keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der angeblichen Reinheit des beanspruchten Erzeugnisses und dem Schmelzpunkt erkennen. Was die verschiedenen Versuche angeht, über die Prof. Marko in Dokument (5) berichtet hat, so lassen sich Erzeugnisse, die 99,7 %, 99,6 %, 98,3 % bzw. 98,2 % Famotidin der Form “B” enthalten, anscheinend den Schmelzpunkten 163 – 164 °C, 162 °C, 161 C bzw. 162 °C (s. S. 5, 8 und 10 des Berichts) zuordnen. Der in Anspruch 2 angegebene Bereich von 159 – 162 °C kann keiner definierten Reinheit zugeordnet werden, die von der Reinheit des Erzeugnisses in Beispiel 4, Schritt a) abweichen würde. Ferner zeigen diese unbestrittenen Versuchsergebnisse, daß auch bei Schmelzpunkten außerhalb des genannten Bereichs den jeweiligen Erzeugnissen in keiner Weise ihre Eigenschaft als Famotidin der Form “B” abgesprochen werden kann. Daraus ist zu ersehen, daß die Angabe des Schmelzpunkts ein unzuverlässiger Parameter zur Kennzeichnung des Erzeugnisses ist. Somit weisen unterschiedliche Schmelzpunkte im vorliegenden Fall nicht auf Unterschiede zwischen den Erzeugnissen hin.

– Ebensowenig kann anhand der charakteristischen Absorptionsbanden im Infrarotspektrum bei 3506, 3103, und 777 cm-1 ein neues Erzeugnis definiert werden, da diese Banden auch im Infrarotspektrum des gemäß Beispiel 4, Schritt a) gewonnenen Erzeugnisses vorliegen. Prof. Marko stellte eine Folie mit dem Infrarotspektrum von 3000 – 3540 cm-1 der reinen Form “B” (s. Abb. b seines Berichts) bereit, die über die Spektren der Proben gelegt werden konnte; zwischen diesem Spektrum und dem von Prof. Marko vorgelegten Spektrum des gemäß Beispiel 4, Schritt a) des Dokuments (3) gewonnenen Erzeugnisses stellt die Kammer eine vollständige Übereinstimmung fest (s. Abb. 20b seines Berichts). Ferner wird durch die von Prof. Burger (s. S. 27 seines Berichts) und Prof. Ishii (s. Kurve B) vorgelegten Spektren des gemäß Beispiel 4, Schritt a) gewonnenen Erzeugnisses bestätigt, daß die charakteristischen Absorptionsbanden bei 3506, 3103, und 777 cm-1, d. h. die einzigen im Anspruch angegebenen, auch hier vorliegen.

– Was das endotherme Schmelzmaximum von 159 °C bei einer Aufheizgeschwindigkeit von 1 °C/min in der DSC betrifft, so ist dieser Wert nicht direkt mit einem der in den Berichten von Prof. Marko und Prof. Ishii erreichten Werte vergleichbar, da dort Aufheizgeschwindigkeiten von 5 °C/min bzw. 10 °C/min verzeichnet waren. Die diesen Berichten beigefügten Kurven weisen jedoch jeweils ein einziges Maximum auf, das für Famotidin der Form “B” stehen soll. Nach Ansicht der Kammer ist die Temperaturdifferenz des endothermen Maximums nur auf die unterschiedlichen Versuchsbedingungen zurückzuführen und belegt somit nicht das Vorliegen eines anderen Erzeugnisses. In den drei Berichten wird bestätigt, daß nur eine als “B” bezeichnete kristalline Form gewonnen wird. Die Abweichungen sind lediglich auf das Meßverfahren zurückzuführen. Prof. Marko hatte zu seinen eigenen Ergebnissen bemerkt, daß die beiden von ihm gemessenen endothermen Maxima der jeweils reinen Formen “A” und “B” jeweils um 7 – 8 C von den im Streitpatent angegebenen Werten abwichen (s. den von S. 3 auf S. 4 überlaufenden Absatz). Daraus hatte er geschlossen, daß die Abweichungen der in der DSC erreichten Werte teilweise durch unterschiedliche Instrumente und teilweise durch unterschiedliche Aufheizgeschwindigkeiten verursacht wurden.

12.9 Schließlich stellt die Kammer fest, daß das gemäß Beispiel 4, Schritt a) gewonnene Erzeugnis, wie in der DSC gezeigt (s. vorstehende Nr. 12.8, letzter Absatz), eine morphologisch homogene kristalline Form und, wie von Prof. Ishii berichtet, eine nadelförmige Struktur besitzt (s. S. 3 des Addendum zu Dokument (7) sowie Foto A).

12.10 Somit ist das in Dokument (3) offenbarte dasselbe wie das beanspruchte Erzeugnis. An dieser Schlußfolgerung ändert sich auch durch die Angabe des Herstellungsverfahrens nichts, selbst wenn dieses Verfahren neu ist.

12.11 Da der Anspruch 2 dieses Antrags nicht mit Artikel 54 (1) und (2) EPÜ im Einklang steht, ist auch der zweite Hilfsantrag der Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

13. Zuständigkeit der Beschwerdekammer

13.1 Da von der Einsprechenden 1, die zwischenzeitlich ihren Einspruch zurückgenommen hat (s. vorstehende Nr. VI), keine Beschwerde eingelegt wurde, kann aufgrund des Verbots der reformatio in peius niemand das erstinstanzlich in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent anfechten.

13.2 Hingegen war die Kammer vollauf berechtigt zu prüfen, ob der Hauptantrag und die Hilfsanträge, die von der Beschwerdeführerin während des Beschwerdeverfahrens eingereicht wurden, die Erfordernisse des EPÜ erfüllten.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.