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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:1982:J001082.19821221
Datum der Entscheidung: 21 Dezember 1982
Aktenzeichen: J 0010/82
Anmeldenummer: 79102235.3
IPC-Klasse:
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE | EN | FR
Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: Roecar
Name des Einsprechenden:
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: 1. Da die Befugnisse, mit denen die Formalsachbearbeiter nach Regel 9(3) EPÜ betraut worden sind, Entscheidungen über Anträge auf Berichtigung von Mängeln nach Regel 88 EPÜ nicht umfassen, sind alle derartigen Anträge während des Sachprüfungsverfahrens von einer Prüfungsabteilung zu bearbeiten.
2. Die Zurueckweisung eines Berichtigungsantrags ist kein Rechtsverlust aufgrund des Übereinkommens im Sinne der Regel 69(1) EPÜ.
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 R 9(3)
European Patent Convention 1973 R 67
European Patent Convention 1973 R 69
European Patent Convention 1973 R 88
Schlagwörter: Entscheidungen der Formalsachbearbeiter
Formalsachbearbeiter/Entscheidungen
Formalsachbearbeiter/Überschreitung von Befugnissen
Verfahrensmangel/wesentlicher
Beschwerdegebühr/Rückzahlung
Rückzahlung/Beschwerdegebühr
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0003/83
J 0010/93
J 0011/12

Sachverhalt und Anträge

I. Am 3. Juli 1979 reichte die Beschwerdeführerin die europäische Patentanmeldung Nr. 79102235.3 ein, die am 6. Februar 1980 unter der Nummer 0007 474 veröffentlicht wurde. Sie beanspruchte die Priorität einer am 5. Juli 1978 eingereichten nationalen UK-Anmeldung und benannte neun Vertragsstaaten, nicht aber das Vereinigte Königreich. Die Benennungsgebühren für die neun Staaten wurden fristgerecht entrichtet. Mit Schreiben vom 29. Juli 1980 beantragte die Beschwerdeführerin die Prüfung der Anmeldung; die Prüfungsgebühr wurde fristgerecht entrichtet.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 22. September 1981 die Berichtigung der Benennungen in der Anmeldung durch Hinzufügung des Vereinigten Königreichs. Sie entrichtete eine weitere Benennungsgebühr.

III. In einer Mitteilung vom 18. Dezember 1981 stellte ein Formalsachbearbeiter der Generaldirektion 2 fest, der Antrag sei so spät eingereicht worden, daß ihm nicht stattgegeben werden könne; die zusätzliche Benennungsgebühr werde zurückerstattet. Er fügte hinzu, die Beschwerdeführerin könne eine Entscheidung nach Regel 69(2) EPÜ beantragen.

IV. Am 17. Februar 1982 beantragte die Beschwerdeführerin in einem Fernschreiben (das mit Schreiben vom 25. Februar 1982 ordnungsgemäß bestätigt wurde) eine Entscheidung nach Regel 69(2) EPÜ.

V. Am 16. März 1982 wies der Leiter der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 in einer Entscheidung der Berichtigungsantrag mit der Begründung zurück, daß er mit erheblicher Verspätung erfolgt sei.

VI. Am 13. Mai 1982 legte die Beschwerdeführerin fernschriftlich Beschwerde ein, die mit einem Schreiben desselben Datums ordnungsgemäß bestätigt wurde. Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht entrichtet.

VII. In der Beschwerdebegründung vom 21. Juni 1982 äußerte sich die Beschwerdeführerin zwar zur Sache, machte aber nicht geltend, daß der Leiter der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 nicht befugt gewesen sei, die angefochtene Entscheidung zu treffen, und beantragte auch nicht die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

VIII. In einem Schreiben vom 20. September 1982 wies die Juristische Beschwerdekammer die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die Entscheidung ihres Erachtens – ohne Verschulden der Beschwerdeführerin – von einer hierzu nicht befugten Person getroffen worden sei. Dementsprechend werde die Beschwerdekammer die Entscheidung aufheben und die Sache unter Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Prüfungsabteilung zurückverweisen müssen (sofern die Beschwerde nicht zurückgezogen werde).

IX. Mit Schreiben vom 8. November 1982 erwiderte die Beschwerdeführerin, daß sie sich zu dem Schreiben vom 20. September 1982 nicht äußern wolle und die Beschwerde aufrechterhalte.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.

2. Aufgrund von Artikel 21 (3)c) EPÜ ist die Juristische Beschwerdekammer berechtigt, diese Entscheidung zu prüfen, die sich als Entscheidung einer Prüfungsabteilung darstellt, mit der nach Regel 9(3) EPÜ ein Formalsachbearbeiter betraut wurde.

3. Nach Regel 9(3) EPÜ kann der Präsident des Europäischen Patentamts mit der Wahrnehmung einzelner den Prüfungsabteilungen obliegender Geschäfte, die technisch oder rechtlich keine Schwierigkeiten bereiten, auch Bedienstete betrauen, die keine technisch vorgebildeten oder rechtskundigen Prüfer sind. Dementsprechend ist den Formalsachbearbeitern der Generaldirektion 2 in einer Mitteilung des Vizepräsidenten der Generaldirektion 2 vom 10. August 1979, die in einer Mitteilung von 8. Januar 1982 (Amtsblatt des EPA 3/1982, 112) ergänzt und neu verlautbart wurde, unter anderem der Erlaß von Entscheidungen nach Regel 69(2) übertragen worden. Sie sind jedoch nie mit Entscheidungen nach Regel 88 EPÜ betraut worden.

4. Stellt das Europäische Patentamt fest, daß ein Rechtsverlust “aufgrund des Übereinkommens eingetreten ist”, ohne daß eine Entscheidung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung ergangen ist, so teilt es dies dem Betreffenden nach Regel 69(1) EPÜ mit; dieser kann nach Regel 69(2) EPÜ eine Entscheidung des Europäischen Patentamts beantragen, wenn er der Auffassung ist, daß die Feststellung des Europäischen Patentamts nicht zutrifft.

5. Nach Auffassung der Kammer kann man billigerweise nicht behaupten, daß ein Rechtsverlust im Sinne der Regel 69(1) EPÜ “aufgrund des Übereinkommens eingetreten” sei, wenn infolge eines Versehens des Anmelders oder seines Vertreters ein Vertragsstaat, den der Anmelder zu benennen wünscht, im Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents nicht benannt worden ist. Im vorliegenden Fall hatte die Beschwerdeführerin zudem ausdrücklich eine Berichtigung beantragt und dabei deutlich angegeben, daß es sich um einen Antrag nach Regel 88 EPÜ handle. Die Beschwerdeführerin hatte Anspruch darauf, daß ihr Antrag von einer Prüfungsabteilung entsprechend bearbeitet und nicht nach dem Verfahren der Regel 69 EPÜ behandelt wird, das nur für Fälle gedacht ist, in denen das Europäische Patentamt einen Rechtsverlust aufgrund des EPÜ feststellt und den Betroffenen von sich aus darauf hinweist.

6. Daraus ergibt sich, daß der Leiter der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 seine Befugnisse überschritten hat, als er eine Entscheidung über die Zurückweisung des Berichtigungsantrags erließ; die Kammer muß diese Entscheidung daher aufheben und den Berichtigungsantrag an die Prüfungsabteilung zurückverweisen, die mit der europäischen Patentanmeldung befaßt ist.

7. Da die ergangene Entscheidung aus diesem Grund aufgehoben werden muß, liegt nach Ansicht der Kammer ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ vor. Die Kammer hält es für angemessen, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 anzuordnen, auch wenn die Beschwerdeführerin die Rückzahlung nicht beantragt hat.

ENTSCHEIDUNGSFORMEL

Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:

1. Die Entscheidung des Leiters der Formalprüfungsstelle der Generaldirektion 2 vom 16. März 1982 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Berichtigung einer Unrichtigkeit nach Regel 88 EPÜ wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.