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European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2005:T019003.20050318 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 März 2005 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0190/03 | ||||||||
Anmeldenummer: | – | ||||||||
IPC-Klasse: | – | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | – | ||||||||
Name des Anmelders: | – | ||||||||
Name des Einsprechenden: | – | ||||||||
Kammer: | – | ||||||||
Leitsatz: | I. Ob Befangenheit im Sinne des Artikels 24 EPÜ vorliegt, ist anhand einer zweifachen Prüfung zu bestimmen: – erstens im Rahmen einer “subjektiven” Prüfung, welche den Beweis für eine tatsächliche Befangenheit des betreffenden Kammermitglieds erfordert, – zweitens im Rahmen einer “objektiven” Prüfung, bei der die Kammer beurteilt, ob irgendwelche Umstände des Falls Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben (Nr. 9 der Entscheidungsgründe). II. Sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, deuten Verfahrensfehler in Zusammenhang mit der Zulassung von Anträgen lediglich auf Fehler bei einem der Schritte hin, die die Kammer auszuführen hat, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Nichtzulassung von geänderten Ansprüchen begründet somit unabhängig davon, ob die Kammer ihre Befugnisse bzw. ihr Ermessen korrekt ausgeübt hat, im Rahmen der objektiven Prüfung keine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit (Nr. 20 der Entscheidungsgründe). III. Zu Beginn eines Beschwerdeverfahrens, in dem eine ordnungsgemäß besetzte Kammer noch keine Verfahrenshandlung vorgenommen hat, liegen im Allgemeinen keine Umstände vor, die auf Grund der Begleitumstände eines früheren Verfahrens Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben (Nr. 22 der Entscheidungsgründe). IV. Die bloße Tatsache, dass das betreffende Kammermitglied als Reaktion auf eine Aufforderung gemäß Artikel 3 (2) VOBK über die Schilderung der Tatsachen hinaus seine Gründe nennt und diese erläutert, begründet im Rahmen der objektiven Prüfung keine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit (Nr. 27 der Entscheidungsgründe). |
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Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Besorgnis der Befangenheit (verneint) | ||||||||
Orientierungssatz: |
– |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Der vorliegenden Entscheidung liegt ein Verfahren nach Artikel 24 (3) EPÜ zu Grunde, das nach Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden der Kammer 3.X.X durch die Patentinhaberin eingeleitet wurde.
II. Der mit Schreiben vom 16. September 2004 eingereichte Ablehnungsantrag wurde mit angeblichen Verfahrensfehlern begründet, die in der mündlichen Verhandlung im Fall T XXX/XX vor derselben Kammer in anderer Besetzung, aber mit demselben Vorsitzenden aufgetreten sein sollen.
Die Patentinhaberin machte außerdem geltend, dass eine von ihr vor dem Verwaltungsgericht in XXX erhobene Klage, in der sie beantragte, die Entscheidung T XXX/XX aufzuheben bzw. hilfsweise festzustellen, dass sie in Deutschland keine Rechtswirkungen entfalte, einen weiteren Grund darstelle, Befangenheit zu besorgen.
In sechs weiteren vor derselben Kammer in unterschiedlicher Besetzung, jedoch mit demselben Vorsitzenden und/oder Berichterstatter anhängigen Beschwerdeverfahren erhob die Patentinhaberin ähnliche Einwände.
III. Die Kammer in der für das Beschwerdeverfahren zuständigen Besetzung befand die Ablehnung für zulässig. Für die Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit wurde der Vorsitzende durch seinen Vertreter ersetzt.
IV. Die Kammer in der neuen Besetzung forderte den Vorsitzenden gemäß Artikel 3 (2) VOBK auf, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern. Der Vorsitzende gab ordnungsgemäß eine Stellungnahme ab.
V. Auf eine Mitteilung der Kammer hin, in der die Beteiligten aufgefordert wurden, etwaige weitere Stellungnahmen vorzubringen, beantragte die Patentinhaberin hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
VI. In der Erwiderung auf die zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung ergangene Mitteilung, wonach Gegenstand der mündlichen Verhandlung ausschließlich die Ablehnung wegen Befangenheit nach Artikel 24 (3) EPÜ sein werde, machte die Patentinhaberin geltend, dass die Stellungnahme des Vorsitzenden auf die Aufforderung nach Artikel 3 (2) VOBK zusätzlichen Anlass gebe, Befangenheit zu besorgen.
Die Einsprechende führte in ihrer Erwiderung aus, die von der Patentinhaberin geltend gemachte Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit sei unbegründet, und sie selbst werde nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen.
VII. Im vorliegenden Fall sowie in den sechs ähnlich gelagerten Fällen wurde am 17. und 18. März mündlich verhandelt. Nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung wurde die Öffentlichkeit im Hinblick auf Regel 93 a) EPÜ ausgeschlossen. Am Schluss der mündlichen Verhandlung wurde die Öffentlichkeit wieder zugelassen und die Entscheidung verkündet.
VIII. Die Patentinhaberin trug Folgendes vor:
1) Artikel 24 EPÜ sei eine unverzichtbare Vorschrift, da die Beschwerdekammern in letzter Instanz über europäische Patente entschieden und es keine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung ihrer Entscheidungen gebe.
Vor diesem Hintergrund habe die Große Beschwerdekammer in G 5/91 mit Nachdruck auf strenge Einhaltung des Gebots der Unparteilichkeit hingewiesen.
Dies sei wesentlich für ein ordnungsgemäß funktionierendes Rechtssystem, da die Beteiligten spüren müssten, dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren sei.
2) Im vorliegenden Fall gehe es nicht darum, dass ein Beteiligter Befangenheit geltend mache, weil seine Erfolgsaussichten in einem bestimmten Verfahren schlecht stünden. Ganz im Gegenteil schätze die Patentinhaberin ihre Aussichten in den sieben vor der Beschwerdekammer 3.X.X anhängigen Verfahren als gut ein. Zudem habe sie keinerlei Interesse an einer erneuten Prüfung der bereits ergangenen Entscheidung in der Sache T XXX/XX.
3) Bei einer Ablehnung wegen “Besorgnis” der Befangenheit sei es völlig irrelevant, ob die abgelehnten Mitglieder tatsächlich befangen seien. Entscheidend sei vielmehr die Sicht eines vernünftig urteilenden Verfahrensbeteiligten, und dies sei im vorliegenden Fall die Patentinhaberin, da für sie der Verlust des Patents auf dem Spiel stehe.
4) Mit der Ablehnung werde weder die Befähigung der betreffenden Mitglieder in Frage gestellt noch unterstellt, dass sie die Patentinhaberin bewusst benachteiligen wollten oder in irgendeiner Weise voreingenommen seien. Behauptet werde lediglich, dass die Mitglieder von der Gesamtsituation, die sich aus Vorgängen im Zusammenhang mit dem Fall T XXX/XX ergebe, nicht unbeeinflusst bleiben könnten.
5) In der hier vorliegenden Situation seien drei Aspekte zu unterscheiden:
i) die Vorgänge in der mündlichen Verhandlung im Fall T XXX/XX,
ii) das von der Patentinhaberin gegen das EPA eingeleitete Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht XXX (XXX Gerichtsverfahren),
iii) die Stellungnahme des Vorsitzenden als Reaktion auf die Aufforderung gemäß Artikel 3 (2) VOBK (Stellungnahme des Vorsitzenden).
Die mündliche Verhandlung im Fall T XXX/XX
6) In der mündlichen Verhandlung im Fall T XXX/XX sei befunden worden, dass der Hauptantrag und der aus einer Kombination der erteilten Ansprüche 1, 19 und 20 bestehende erste Hilfsantrag die Erfordernisse des EPÜ nicht erfüllten. Gegen Ende der mündlichen Verhandlung habe die Patentinhaberin einen zweiten und einen dritten Hilfsantrag eingereicht und damit dem ersten Hilfsantrag die erteilten Ansprüche 3, 8 und 9 hinzugefügt (wobei im zweiten Hilfsantrag Anspruch 20 weggefallen sei).
7) Die Kammer habe ihr “Ermessen” dahingehend ausgeübt, den zweiten und den dritten Hilfsantrag nicht zuzulassen. Sie habe es auch abgelehnt, das Verfahren auszusetzen und den Fall der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Dementsprechend habe die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufgehoben und das Patent widerrufen.
Die Kammer habe dies getan, obwohl die Anträge eindeutig gewährbar gewesen seien und für die Patentinhaberin die letzte Chance auf Aufrechterhaltung des Patents dargestellt hätten.
8) Änderungen, bei denen Merkmale von Unteransprüchen miteinander kombiniert würden, seien nicht dasselbe wie Änderungen, bei denen Merkmale aus der Beschreibung hinzugefügt würden. Ein Einsprechender, der Einspruch gegen das Patent insgesamt eingelegt habe, sollte in der Lage sein, sich in der mündlichen Verhandlung mit solchen Anträgen auseinander zu setzen. Im Übrigen erforderten die Ansprüche keinerlei zusätzliche Recherche. Die Zurückweisung solcher Anträge könne für die Patentinhaberin den vollständigen Verlust des Patents aus formalen Gründen nach sich ziehen. Dies sei ihre letzte Chance, weil nicht die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung bestehe.
9) Das EPÜ biete keine geeignete Rechtsgrundlage für die Zurückweisung verspätet eingereichter Anträge. Artikel 114 (2) EPÜ betreffe lediglich Tatsachen und Beweismittel und könne nicht als Grundlage für die Zurückweisung von in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anträgen herangezogen werden. Die Sanktion eines vollständigen Rechtsverlusts sei zu gravierend, als dass sie aus Regeln wie etwa Regel 71a (2) oder 57a EPÜ abgeleitet werden könnte. Selbst diesen Regeln lasse sich kein eindeutiger Hinweis dazu entnehmen, wie mit “verspäteten” Anträgen zu verfahren sei.
10) Darüber hinaus gebe es keine Rechtsprechung, die ein solches Ermessen zur Zurückweisung von verspätet eingereichten Anträgen stütze, bei denen erteilte Ansprüche miteinander kombiniert würden. Ganz im Gegenteil sei insbesondere in T 577/97 – Zerstörung von Organohalogenverbindungen/ALLIEDSIGNAL (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) festgestellt worden, dass “ein Einsprechender generell darauf gefasst sein sollte, dass Ansprüche in der mündlichen Verhandlung zur Abwehr seiner Angriffe auf den Gegenstand eines der abhängigen Ansprüche beschränkt werden” und weiter: “falls sich erweist, dass der geänderte Anspruchssatz die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, fügt seine Zurückweisung aus verfahrenstechnischen Gründen dem Patentinhaber schweren Schaden zu” sowie: “dem Patentinhaber wird gewöhnlich sogar noch in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben, seine Ansprüche einzuschränken, damit er eine letzte Chance auf Erlangung eines Patents erhält”.
11) Die Vorgehensweise in T XXX/XX (siehe oben) stehe selbst zur eigenen früheren Rechtsprechung der Kammer 3.X.X im Widerspruch. So habe diese Kammer mit demselben Vorsitzenden zum Beispiel in den zweiundvierzig Fällen, die in Anhang 7 der Erwiderung der Patentinhaberin auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgeführt seien, verspätet eingereichte Unterlagen, Ansprüche oder Anträge ohne jedes Zögern zugelassen.
12) Diese Verfahrensfehler gingen über die Grenzen gewöhnlicher Fehler hinaus und seien als “Akt der Willkür” zu werten. Die Patentinhaberin könne keinen Grund erkennen, der diese so offensichtlich von der Rechtsprechung des EPA abweichende Entscheidung erklären könnte.
Es entspreche einer langen Rechtstradition in der Theorie und Praxis der Mitgliedstaaten, dass grobe Verfahrensverstöße eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit begründen könnten (siehe z. B. Vollkommer im Kommentar Richard Zöller “Zivilprozessordnung”, 24. Auflage, Köln, Verlag Dr. Otto Schmidt 2004, § 42, Rn. 24).
Wenn es einen Grund für solche Akte gebe, könne er nichts mit dem Verfahren zu tun haben, sondern müsse die Patentinhaberin selbst betreffen. Die Patentinhaberin müsse annehmen, dass die Kammer ihr bewusst schaden wolle, wenn sie – wohl wissend, dass eine gerichtliche Überprüfung nicht möglich sei – einen eindeutig gewährbaren Teil des Patents aus rein formalen Gründen streiche. Dies erwecke den Eindruck, dass die Kammermitglieder der Patentinhaberin gegenüber möglicherweise voreingenommen seien. Für das Rechtssystem sei es wesentlich, dass es der Patentinhaberin das Gefühl gebe, in der mündlichen Verhandlung eine faire Chance zu erhalten, was nach den Vorgängen in T XXX/XX nicht der Fall sei.
Das XXX Gerichtsverfahren
13) Das XXX Gerichtsverfahren gegen das EPA sei auf Grund der Vorgänge in der Sache T XXX/XX eingeleitet worden und lege die Schwächen des europäischen Patentsystems offen, die in diesem Fall zu Tage getreten seien.
14) Erste Schwachstelle sei der potenziell unverhältnismäßige Rechtsverlust infolge der Nichtzulassung von verspätet eingereichten Anträgen, in denen erteilte abhängige Ansprüche miteinander kombiniert würden. Die Ungerechtigkeit dieser Sachlage könne wie folgt veranschaulicht werden (siehe Punkt B.IV der Klageschrift im XXX Gerichtsverfahren, Anlage 4 zum Ablehnungsantrag der Patentinhaberin):
Die Patentinhaberin habe ein Patent angemeldet und habe 100 % erhalten. Die Einspruchsabteilung habe ihr 80 % zugesprochen. Von der Beschwerdekammer habe die Patentinhaberin 0 % erhalten, mit der Begründung, sie habe den Antrag auf 60 % zu spät gestellt.
15) Die zweite Schwachstelle sei, dass es im EPÜ keine geeignete Rechtsgrundlage für einen totalen Rechtsverlust seitens des Patentinhabers gebe (siehe oben sowie Klageschrift im XXX Gerichtsverfahren, D.II.1), was beim EPA zu einer nicht vorhersehbaren Praxis geführt habe.
Da Anträge, die eine Kombination erteilter Ansprüche umfassten, unter Umständen nicht zugelassen würden, sei der Patentinhaber gezwungen, vorsorglich eine Vielzahl von Hilfsanträgen einzureichen, um ihre Zulassung im Verfahren sicherzustellen.
16) Alles in allem stellten die Vorgänge in T XXX/XX und die Einleitung des XXX Gerichtsverfahrens einen weit reichenden und ernsthaften Angriff auf das gesamte System des Europäischen Patentübereinkommens dar. Das EPA als Partei in diesem Gerichtsverfahren sei zwangsläufig involviert und von seinem Ausgang betroffen. Die am Verfahren T XXX/XX beteiligten Kammermitglieder hätten dieses Vorgehen wohl kaum gutgeheißen. Was der Vorsitzende in der ihm abverlangten Stellungnahme erklärt habe, nämlich dass “die Kammer von einem Gerichtsverfahren gegen das Europäische Patentamt bzw. seinen Präsidenten gar nicht betroffen sein kann” (Schlussfolgerung zu Grund ii), könne daher nicht der Wahrheit entsprechen.
Gerade die abgelehnten Mitglieder müssten betroffen sein, da ihr Handeln die Situation heraufbeschworen habe. Erst recht habe ein vernünftiger Verfahrensbeteiligter davon ausgehen müssen, dass die Mitglieder betroffen seien.
17) Was die Erfolgsaussichten des Gerichtsverfahrens angehe, so stünden die Chancen keineswegs so schlecht, wie es die Äußerungen des Vorsitzenden nahe legten (Schlussfolgerung zu Grund ii). So habe das Verwaltungsgericht bereits für den 14. April 2005 eine mündliche Verhandlung anberaumt, was zeige, dass es sich weder um ein offensichtlich aussichtsloses noch um ein schikanöses Verfahren handle. Ein anhängiges Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung anberaumt worden sei, sei vielmehr eine ernst zu nehmende Angelegenheit.
18) Das inzwischen erreichte Verfahrensstadium zeige außerdem, dass die Patentinhaberin die gegenwärtige Situation nicht künstlich hätte herbeiführen können, um die Ablehnung wegen Befangenheit zu untermauern oder die Besetzung der Kammer zu manipulieren, wie aus den Ausführungen des Vorsitzenden ebenfalls geschlossen werden könnte (Grund ii, zweiter Absatz). Die Patentinhaberin habe hieran, wie bereits ausgeführt, keinerlei Interesse, da es keinen Grund gebe, an ihren Erfolgsaussichten in den sieben anhängigen Verfahren zu zweifeln.
19) Das Vorstehende mache auch deutlich, warum hier kein “gewöhnlicher” Fall einer Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zu einer Rechtsfrage vorliege, wie es der Vorsitzende in seiner Stellungnahme behaupte (Grund ii, dritter Absatz). Tatsächlich stehe noch nicht einmal fest, wie die Angelegenheit ausgehen werde, und bis dahin werde immer ein gewisser Konflikt bestehen. So könnte der Vorsitzende beispielsweise in dem deutschen Verfahren als Zeuge geladen werden.
Die Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK
20) Artikel 24 EPÜ sehe zwei unterschiedliche Sachverhalte vor, nämlich Ausschließung und Ablehnung. In Absatz 1 gehe es um die Ausschließung eines Mitglieds der Beschwerdekammern von Amts wegen aus bestimmten Gründen, insbesondere wenn ein persönliches Interesse bestehe oder wenn es an der Entscheidung der Vorinstanz mitgewirkt habe. In Absatz 3 gehe es um die Ablehnung eines Kammermitglieds durch einen Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit.
Auf der Verfahrensebene sehe Artikel 24 EPÜ zwei Möglichkeiten vor: Zum einen könne nach Absatz 2 das betreffende Mitglied selbst der Kammer einen Ausschließungsgrund mitteilen. Zum anderen könne nach Absatz 3 ein Beteiligter ein Kammermitglied bei beiden Sachverhalten ablehnen, wenn dies begründet sei.
Eine dritte verfahrensrechtliche Möglichkeit sei in Artikel 3 (1) VOBK vorgesehen, nämlich die Geltendmachung eines Ausschließungs- oder Ablehnungsgrundes durch die Kammer selbst. Auch dies führe zur Einleitung des Verfahrens nach Artikel 24 (4) EPÜ.
21) In Artikel 3 (2) VOBK heiße es: “Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern”. Hier sei ausdrücklich von Ausschließung und nicht von Ablehnung die Rede. Im vorliegenden Fall, in dem es um die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit und nicht um die Ausschließung gehe, hätte das betreffende Mitglied gar nicht aufgefordert werden dürfen, sich zu den Gründen zu äußern.
22) In gewissen Fällen könne es zwar notwendig sein, zur Klärung des Sachverhalts die betroffenen Mitglieder vor der Entscheidung über die Ausschließung oder Ablehnung anzuhören. Der Vorsitzende habe sich im vorliegenden Fall jedoch nicht darauf beschränkt, sich zu den Tatsachen in Zusammenhang mit T XXX/XX zu äußern, sondern habe zudem seine Rechtsauffassung in der Sache kundgetan, was einer Erteilung von Weisungen an die entscheidende Kammer gleichkomme. Seine Stellungnahme sei eher im Stil eines Anwalts abgefasst, der nur diejenigen Fakten hervorhebe, die seine Schlussfolgerungen stützten. Die Stellungnahme sei somit nicht sachbezogen, sondern gebe vielmehr eine persönliche Meinung wieder. Dies sei in der Aufforderung nach Artikel 3 (2) VOBK nicht vorgesehen und verstoße außerdem gegen Artikel 24 (4) EPÜ, wonach das betroffene Mitglied an der Entscheidung nicht mitwirken dürfe. Schließlich sei es in den Mitgliedstaaten ständige Rechtsprechung, dass sich ein abgelehnter Richter nur zu den Tatsachen äußern dürfe. Für den deutschen Zivilprozess gehe dies aus dem Kommentar von Vollkommer in Zöller hervor (a. a. O., § 44, Rn. 4).
23) Besonders deutlich werde dies an folgenden Äußerungen des Vorsitzenden:
a) “Meines Erachtens gibt es keinen Grund, mich von einer weiteren Betätigung als Vorsitzender der Kammer 3.X.X im Fall … auszuschließen” (einleitender Absatz). Diese Äußerung sei nicht sachbezogen, sondern bringe eine Schlussfolgerung und eine persönliche Meinung zum Ausdruck.
b) “… die Patentinhaberin hat nach dieser Entscheidung …, d. h. in Kenntnis des Ablehnungsgrundes, eine Verfahrenshandlung vorgenommen; damit ist die Ablehnung nach Artikel 23 (3) Satz 2 EPÜ unzulässig geworden” (Nr. 2). Diese Aussage sei ganz und gar nicht sachbezogen, sondern stelle eine Anweisung an die mit der Entscheidung befasste Kammer dar. Dies laufe Artikel 24 (4) EPÜ zuwider, wonach die Kammer ohne Mitwirkung des betroffenen Mitglieds zu entscheiden habe.
c) “Erstens wurde das Gerichtsverfahren von der Patentinhaberin selbst und nicht von der Kammer eingeleitet; diese Handlung fällt somit nicht in den Verantwortungsbereich der Kammer. Aus dem tatsächlichen Verhalten der einzelnen Kammermitglieder kann daher nicht auf Besorgnis der Befangenheit geschlossen werden” (Grund ii, zweiter Absatz). Damit erfolge implizit eine Art Schuldzuweisung für die Einleitung des Gerichtsverfahrens, und zugleich werde angedeutet, die Patentinhaberin könnte den Ablehnungsgrund “konstruieren”, um so Einfluss auf die Besetzung der Kammer zu nehmen.
d) “Die Kammer kann von einem Gerichtsverfahren gegen das Europäische Patentamt bzw. gegen seinen Präsidenten gar nicht betroffen sein (unabhängig davon, ob ein derartiges Verfahren vor nationalen Gerichten überhaupt zulässig ist)…” (Schlussfolgerung zu Grund ii). Damit werde unterstellt, dass das XXX Gerichtsverfahren aussichtslos und somit kein ernst zu nehmendes Unterfangen sei.
24) Keinem vernünftigen Verfahrensbeteiligten wäre es angesichts einer solchen Meinungsäußerung wohl bei der Sache. Insbesondere bekunde der Vorsitzende ein Interesse, anstatt neutral zu bleiben, was ein Richter im Idealfall hätte sein müssen. Dies erwecke zumindest die Besorgnis, der Vorsitzende könnte gegen die Beteiligte voreingenommen sein. Mehr noch, falls sich die Kammer die Argumentation des Vorsitzenden zu Eigen mache, hätte die Patentinhaberin das ungute Gefühl, dass diese die Entscheidung maßgeblich beeinflusst habe.
25) Darüber hinaus verstärkten die in diesem “Rechtsgutachten” geäußerten Ansichten die anderen Aspekte der gegenwärtigen Situation. Insbesondere machten sie für die Patentinhaberin deutlich, dass die im XXX Gerichtsverfahren gegen die Verfahrensverstöße erhobenen Rügen den Vorsitzenden in seiner Einstellung gegenüber der Beteiligten beeinflussen würden.
26) Eine vernünftige Partei, die die Vorgänge im Gesamtverlauf überblicke, angefangen von der grundlegenden Verletzung des Rechts der Patentinhaberin auf Änderung des Patents über die Rüge dieses Verstoßes vor einem deutschen Gericht mit allen möglichen Implikationen wie einer mündlichen Verhandlung, der Ladung von Kammermitgliedern als Zeugen und der unvermeidlichen Ungewissheit über den Ausgang in weiteren Instanzen bis hin zur Erwiderung des Vorsitzenden, der ein Interesse an dem Fall bekunde und der Kammer über die Schilderung der Tatsachen hinaus Weisungen für ihre Entscheidung erteile, könne keine unvoreingenommene Behandlung erwarten. Damit seien die Voraussetzungen für “Besorgnis” der Befangenheit nach Artikel 24 (3) EPÜ erfüllt.
IX. Die Einsprechende trug Folgendes vor:
1) Es gehe nicht an, dass sich die Patentinhaberin auf Kommentare zum deutschen Zivilrecht berufe. Artikel 125 EPÜ sehe die Heranziehung allgemeiner Grundsätze des Verfahrensrechts nur insoweit vor, als das EPÜ solche Verfahrensvorschriften nicht enthalte, was hier in Anbetracht des Artikels 24 EPÜ nicht der Fall sei. Im Übrigen habe die Patentinhaberin nicht dargelegt, dass die Grundsätze des angezogenen deutschen Rechts in den Vertragsstaaten allgemein anerkannt seien. Selbst in Deutschland falle die Antwort auf die Frage, ob abgelehnte Mitglieder ihre Rechtsauffassung äußern dürften, von Kommentar zu Kommentar unterschiedlich aus.
2) Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, wie die rechtliche Stellungnahme des Vorsitzenden zum Verfahren Besorgnis der Befangenheit begründen könnte. Der Vorsitzende habe schlicht und einfach dargelegt, welche Verfahrenshandlungen vorgenommen worden seien und warum er sie für richtig halte. Die hier entscheidende Kammer sei keineswegs an diese Auffassung gebunden, sondern in ihrer Entscheidung völlig frei.
Entscheidungsgründe
Zuständigkeit der Kammer
1. Die Kammer in der für die Beschwerde zuständigen Besetzung hat die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gemäß Artikel 24 (3) EPÜ für zulässig befunden. Sie hatte daher das Verfahren gemäß Artikel 24 (4) EPÜ anzuwenden und über das weitere Vorgehen zu entscheiden (T 1028/96 – Besorgnis der Befangenheit/DU PONT DE NEMOURS, ABl. EPA 2000, 475, Nrn. 1 f. der Entscheidungsgründe).
2. Gemäß Artikel 24 (4) Satz 2 EPÜ wurde das abgelehnte Mitglied (der Vorsitzende) in vorschriftsmäßiger Anwendung von Artikel 2 (1) des Geschäftsverteilungsplans der Technischen Beschwerdekammern für das Jahr 2004 (s. Beilage zum Amtsblatt Nr. 1/2004) durch seinen Vertreter ersetzt.
3. Die Kammer in der gegenwärtigen Besetzung ist mithin befugt, über den Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu beraten und zu entscheiden.
Die Befangenheitsprüfung
4. Artikel 24 EPÜ nennt eine Reihe von Gründen, derentwegen ein Beschwerdekammermitglied an einem Beschwerdeverfahren nicht mitwirken soll oder darf. So heißt es in Absatz 1:
“Die Mitglieder der Beschwerdekammern … dürfen nicht an der Erledigung einer Sache mitwirken, an der sie ein persönliches Interesse haben, in der sie vorher als Vertreter eines Beteiligten tätig gewesen sind oder an deren abschließender Entscheidung in der Vorinstanz sie mitgewirkt haben.”
In Absatz 2 wird ausgeführt:
“Glaubt ein Mitglied einer Beschwerdekammer … aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe oder aus einem sonstigen Grund an einem Verfahren nicht mitwirken zu können, so teilt es dies der Kammer mit.”
In Absatz 3 heißt es:
“Die Mitglieder der Beschwerdekammern … können von jedem Beteiligten aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe oder wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. …”
5. Die Kammer stimmt mit der Patentinhaberin darin überein, dass die Große Beschwerdekammer in G 5/91 – Beschwerdefähige Entscheidung/DISCOVISION (ABl. EPA 1992, 617) deutlich gemacht hat, wie wichtig das in Artikel 24 EPÜ implizierte Gebot der Unparteilichkeit ist; in Nummer 3 der Entscheidungsgründe wird festgestellt, dass “eine äußerst strenge Einhaltung dieses Gebots für die Verfahren vor den Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer wegen ihrer richterlichen Funktion als oberste Instanz im europäischen Patentrechtssystem besonders wichtig ist.”
6. Zu den Kriterien, anhand deren beurteilt werden muss, ob Befangenheit vorliegt, führte die Große Beschwerdekammer in G 5/91 (a. a. O.) in Nummer 3 der Entscheidungsgründe weiter aus, es sei “als allgemeiner Rechtsgrundsatz anzusehen, dass niemand über eine Angelegenheit entscheiden darf, in der er von einem Beteiligten aus guten Gründen der Befangenheit verdächtigt werden kann.”
Ähnlich heißt es in G 2/94 – Vertretung/HAUTAU II (ABl. EPA 1996, 401) am Ende von Nummer 5 in Bezug auf nationale Einschränkungen, denen Richter bei einer späteren Tätigkeit als Rechtsanwalt unterliegen: “In solchen Einschränkungen spiegelt sich der allgemein anerkannte Rechtsgrundsatz wider, dass Verfahrensbeteiligte Anspruch haben auf eine objektive Anhörung vor Richtern, bei denen vernünftigerweise keine Befangenheit zu besorgen ist.”
7. In einer Reihe von Entscheidungen der Beschwerdekammern wird darüber hinaus betont, dass nicht entscheidend ist, ob das abgelehnte Mitglied tatsächlich befangen ist, sondern nur, ob objektiv gesehen “triftige” oder “verständliche Gründe” bestehen, ein Mitglied der Befangenheit zu verdächtigen (vgl. T 261/88 – Beschwerdefähige Entscheidung/DISCOVISION, ABl. EPA 1992, 627, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe, T 433/93 – Erneute Verhandlung/ATOTECH, ABl. EPA 1997, 509, Nr. 2 sowie T 1028/96, a. a. O., Nr. 6.1). Dass “objektive” oder “triftige” Gründe erforderlich sind, bedeutet, dass unbeschadet der in G 5/91 postulierten strengen Beachtung des Gebots der Unparteilichkeit rein subjektive Eindrücke oder allgemeine Verdächtigungen nicht ausreichend sind (vgl. T 954/98 – Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, nicht im ABl. veröffentlicht, Nr. 2.4, sowie T 261/88, a. a. O., Nr. 3.2).
8. In der vorliegenden Sache stützen sich die Einwände und Argumente der Patentinhaberin auf eine ziemlich komplexe Kombination möglicher Befangenheitsgründe: bestimmte Verfahrenshandlungen sollen einen “Akt der Willkür” darstellen oder der Patentinhaberin bewusst schaden (s. vorstehend VIII.12); von der Beteiligten geäußerte Kritik soll ihr gegenüber zu Voreingenommenheit geführt haben (s. vorstehend VIII.16); das Auftreten als Zeuge in einem Zivilprozess soll einen Interessenkonflikt verursachen (s. vorstehend VIII.19); in der Stellungnahme zu den Einwänden der Patentinhaberin sollen der zuständigen Kammer Weisungen erteilt worden sein (s. vorstehend VIII.22), der Beteiligten gegenüber soll Voreingenommenheit zum Ausdruck gebracht worden sein (s. vorstehend VIII.24) und so weiter. Darüber hinaus sieht die Kammer einen gewissen Widerspruch zwischen den Beteuerungen der Patentinhaberin, dass keine konkrete Voreingenommenheit vorliege (s. vorstehend VIII.4), und den tatsächlichen Einwänden, mit denen teilweise unterstellt wird, das betreffende Kammermitglied müsse ihr gegenüber voreingenommen sein.
9. Die verschiedenen oben genannten Einwände lassen sich nicht auf Anhieb den in Artikel 24 EPÜ aufgeführten möglichen Befangenheitsgründen zuordnen; in dem Artikel sind nur einige Gründe ausdrücklich genannt, während andere, namentlich durch die Formulierung “oder aus einem sonstigen Grund” in Absatz 2, als Möglichkeit offen gelassen werden. Daher muss die Befangenheit zunächst in ihrem Wesen näher untersucht werden, um Kriterien zur Beurteilung ihres Vorliegens herleiten zu können. Bei den Einwänden der Patentinhaberin und bei den in Artikel 24 EPÜ vorgesehenen Sachverhalten sind zwei unterschiedliche Aspekte von Befangenheit zu unterscheiden: erstens Befangenheit aus subjektiven Gründen, d. h. die tatsächliche Befangenheit eines Kammermitglieds etwa auf Grund eines persönlichen Interesses oder einer Abneigung gegen einen Beteiligten; zweitens der Verdacht oder Anschein der Befangenheit, der sich für einen “objektiven Betrachter” aus einer bestimmten Handlung eines Kammermitglieds oder einer vermuteten Reaktion auf eine Handlung der Patentinhaberin ergibt.
Tatsächliche Befangenheit ist ein inneres Wesensmerkmal des Kammermitglieds, und ihr Vorliegen ist zu beanstanden, weil es dem Grundsatz des fairen Verfahrens widerspricht. Verdacht und äußerer Anschein reichen jedoch nicht aus, um tatsächliche Befangenheit nachzuweisen. Es gehört nämlich zu den grundlegenden Pflichten eines Beschwerdekammermitglieds, im Rahmen seiner richterlichen Tätigkeit Entscheidungen objektiv zu treffen und sich dabei weder von persönlichen Interessen noch von den Äußerungen oder Handlungen Dritter beeinflussen zu lassen. Das Bekenntnis zu diesem Grundsatz ist in der feierlichen Erklärung, die den Mitgliedern der Beschwerdekammern bei ihrer Amtseinführung abgenommen wird, ausdrücklich enthalten. Daher ist bis zum Beweis des Gegenteils von der Unbefangenheit eines Beschwerdekammermitglieds auszugehen.
Der Anschein von Befangenheit bringt dagegen äußerliche Aspekte ins Spiel und zeigt – unabhängig davon, ob das Mitglied tatsächlich voreingenommen ist -, welches Vertrauen die Kammer in der Öffentlichkeit genießt; eine alte Rechtsweisheit besagt, dass nicht nur gerecht entschieden werden muss, sondern dass dies auch sichtbar werden muss (vgl. auch T 900/02, nicht im ABl. veröffentlicht, Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Da dieser Aspekt von Befangenheit den äußeren Anschein betrifft, muss er nicht in gleicher Weise nachgewiesen werden wie tatsächliche Befangenheit; vielmehr sind die Umstände daraufhin zu prüfen, ob sie Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben. Dies entspricht im Wesentlichen den weiter oben erwähnten “objektiven” oder “triftigen” Gründen, die das EPA in seiner Rechtsprechung verlangt.
10. Das oben Gesagte steht mit in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsätzen des Verfahrensrechts in Einklang, so etwa mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser hat sich ausführlich zu Artikel 6 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) geäußert, wo es heißt: “Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche … von einem … unparteiischen … Gericht … verhandelt wird.” Seit der Sache Piersack gegen Belgien (Urteil vom 1. Oktober 1982, Reihe A, Nr. 53, S. 14, Ziff. 30) hat der EGMR Unparteilichkeit im Sinne dieser Vorschrift unter Berücksichtigung der beiden genannten Aspekte ausgelegt und dies kürzlich in Puolitaival und Pirttiaho gegen Finnland bekräftigt (23. November 2004, Nr. 54857/00, Ziff. 41).
11. Im vorliegenden Fall wurde die Frage aufgeworfen, wer die Gründe beurteilen soll, die möglicherweise zur Besorgnis der Befangenheit Anlass geben. Nach Auffassung der Patentinhaberin sollte dies die Partei sein, die den Einwand geltend macht, da nur für diese etwas auf dem Spiel stehe, etwa der Verlust des Patents, und sie das Gefühl haben müsse, dass dem angemessen Rechnung getragen werde. Nach Auffassung der Kammer kann jedoch die Frage der Befangenheit nicht davon abhängig gemacht werden, was auf dem Spiel steht, weil dieser Maßstab von Fall zu Fall unterschiedlich ausfallen würde, während die Besorgnis der Befangenheit objektiv zu beurteilen ist und einen festen Maßstab voraussetzt. Andernfalls würde, wenn viel auf dem Spiel steht, schon der leiseste Verdacht genügen, um Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Daher beurteilt die Kammer, ob die Umstände des Falles insgesamt Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben. Diese Schlussfolgerung steht mit der Rechtsprechung des EGMR in Einklang. So heißt es etwa in dem Urteil in der Sache Puolitaival und Pirttiaho gegen Finnland (s. oben) in Ziffer 42, dass “der Standpunkt des Betroffenen wichtig, aber nicht entscheidend ist”.
12. Ob Befangenheit vorliegt, ist somit anhand der zwei folgenden Prüfungen zu bestimmen, die jeweils einen der weiter oben von der Kammer herausgearbeiteten Aspekte betreffen:
erstens im Rahmen einer “subjektiven” Prüfung, die den Beweis einer tatsächlichen Befangenheit des betreffenden Mitglieds erfordert,
zweitens im Rahmen einer “objektiven” Prüfung, bei der die Kammer beurteilt, ob irgendwelche Umstände des Falls Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben.
13. Im vorliegenden Fall muss die Kammer durch Anwendung dieser Prüfungen auf jeden der von der Patentinhaberin angesprochenen Aspekte feststellen, ob es einen Beweis für tatsächliche Voreingenommenheit gibt (subjektive Prüfung) oder aber Umstände, die Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben (objektive Prüfung).
Subjektive Prüfung
Die mündliche Verhandlung in der Sache T XXX/XX
14. Die Patentinhaberin behauptet, dass die Nichtzulassung ihrer Hilfsanträge in der Sache T XXX/XX einen Verfahrensfehler darstelle, der sich nur durch eine Schädigungsabsicht ihr gegenüber, d. h. durch Befangenheit erklären lasse (s. vorstehend VIII.12). Es wurde jedoch kein Beweis für eine tatsächliche Voreingenommenheit des Kammervorsitzenden angeboten. Vielmehr betonte die Patentinhaberin wiederholt, es werde nicht behauptet, dass irgendein Mitglied der Kammer in T XXX/XX persönliche Äußerungen gemacht oder eine persönliche Antipathie oder Voreingenommenheit zum Ausdruck gebracht habe (s. vorstehend VIII.4). Da Befangenheit somit nicht bewiesen wurde, ist ihr Vorliegen nach der subjektiven Prüfung zu verneinen.
Das XXX Gerichtsverfahren
15. Der einzige Teil des Gerichtsverfahrens, der den Vorsitzenden im vorliegenden Fall direkt betreffen könnte, ist die angeblich fehlerhafte Ermessensentscheidung, verspätet eingereichte Anträge zurückzuweisen, und selbst dies betrifft nur die Entscheidung der Kammer als Ganzes und nicht unmittelbar das einzelne Kammermitglied. Die Voreingenommenheit, die einem als Folge dieser Behauptungen in den Sinn kommt, müsste aus Ärger oder Verdruss darüber entstanden sein, dass die eigene Handlungsweise öffentlich kritisiert wurde (s. vorstehend VIII.16). Die Patentinhaberin hat jedoch keinen Beweis für eine derartige Reaktion angeboten, wie er im Rahmen der subjektiven Prüfung erforderlich wäre. Sie hat ganz im Gegenteil immer wieder betont, dass die Kritik am vorliegenden Verfahren nicht persönlicher Art sei, sondern sich gegen die Rechtsprechung des EPA insgesamt richte. Zudem ist es nicht ungewöhnlich, dass Entscheidungen der Beschwerdekammern öffentlich kritisiert werden, etwa in juristischen Kommentaren oder Beiträgen. Die konkrete Nennung der an einer kritisierten Entscheidung beteiligten Mitglieder würde hieran nicht viel ändern, zumal wenn keine persönlichen Angriffe vorliegen. Die bloße Vermutung, diese Kritik habe zu subjektiver Voreingenommenheit geführt, reicht nach Ansicht der Kammer bei Weitem nicht aus, um ihr Vorliegen zu beweisen, wie es die subjektive Prüfung erfordert.
16. Ein weiterer möglicher subjektiver Aspekt könnte im Verhalten des Vorsitzenden im Falle seiner Ladung als Zeuge vor dem Verwaltungsgericht liegen (s. vorstehend VIII.19). Da es hierzu jedoch nicht gekommen ist, kann damit auch keine Befangenheit im Rahmen der subjektiven Prüfung nachgewiesen werden.
Die Stellungnahme des Vorsitzenden
17. Vorab macht die Patentinhaberin geltend, dass Artikel 3 (2) VOBK nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen das betreffende Kammermitglied gemäß Artikel 24 (3) EPÜ von einem Beteiligten abgelehnt werde (s. vorstehend VIII.20 – 21). Die Kammer räumt ein, dass der Anwendungsbereich von Artikel 3 (2) VOBK nicht ganz klar ist. Einerseits folgt diese Bestimmung unmittelbar auf Artikel 3 (1), der den Fall betrifft, dass der Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund (in der deutschen Fassung nur: “Ausschließungsgrund”) von der Kammer und nicht vom betreffenden Mitglied geltend gemacht wird. Außerdem wird, wie die Patentinhaberin richtig bemerkt, in Artikel 3 (2) der Begriff “Ausschließungsgrund” und nicht “Ablehnungsgrund” verwendet. Andererseits heißt es am Schluss von Artikel 3, nämlich in Artikel 3 (3), ganz allgemein, dass vor der Entscheidung über die Ausschließung des Mitglieds das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt wird, was sich gleichermaßen auf die Ausschließung und die Ablehnung beziehen muss. In der französischen Fassung von Artikel 3 VOBK schließlich wird mit dem einen Wort “récusation” sowohl die Ausschließung als auch die Ablehnung ausgedrückt, so dass Artikel 3 (2) auf beide Fälle anwendbar sein könnte. Nach Auffassung der Kammer muss hier jedoch nicht untersucht werden, in welchen Fällen von Befangenheit eine Aufforderung zur Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK zwingend vorgeschrieben ist, da die Patentinhaberin selbst eingeräumt hat (s. vorstehend VIII.22), dass es unter Umständen in verschiedenen Situationen sinnvoll sein kann, ein Mitglied aufzufordern, sich zu den ihm vorgehaltenen Befangenheitsgründen zu äußern, wenn die Kammer dies für hilfreich hält. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.
18. Bei der subjektiven Prüfung der Stellungnahme, die der Vorsitzende auf die Aufforderung hin abgegeben hat, vermag die Kammer in der Wortwahl keinen Beleg für Befangenheit erkennen. Die Passagen, die die Patentinhaberin für besonders problematisch hält (s. vorstehend VIII.23), sind allesamt neutrale Zusammenfassungen der Auffassung des Vorsitzenden, wie zum Beispiel, dass kein Grund für eine Ausschließung vorliege, dass die Einleitung des Gerichtsverfahrens durch die Patentinhaberin nicht zur Befangenheit der Kammer führen könne oder dass die Thematik des XXX Gerichtsverfahrens (das sich als unzulässig erweisen könnte) keinerlei Auswirkungen auf den vorliegenden Fall habe. Die Kammer kann daher in der Formulierung der Stellungnahme keinen Beweis für Befangenheit erkennen, wie er im Rahmen der subjektiven Prüfung erbracht werden muss.
Ebenso wenig kann die Kammer in diesen Äußerungen einen Beweis für ein den Ausschluss rechtfertigendes “Interesse” (im Sinne eines “persönlichen Interesses” gemäß Artikel 24 (1) EPÜ) erkennen, wie es die Patentinhaberin behauptet (s. vorstehend VIII.24).
19. Gleichwohl sind nach Ansicht der Kammer Umstände vorstellbar, unter denen die Äußerungen des betroffenen Mitglieds zu einem früheren oder einem schwebenden Verfahren persönliche Voreingenommenheit und damit Befangenheit belegen könnten. Inhalt und Wortlaut solcher Stellungnahmen sollten daher wohl bedacht sein. Aus ähnlichen Gründen sollte, wo die Aufforderung nach Artikel 3 (2) VOBK nicht zwingend ist, sorgfältig geprüft werden, ob eine derartige Stellungnahme überhaupt erforderlich ist.
Objektive Prüfung
Die mündliche Verhandlung in der Sache T XXX/XX
20. Die Patentinhaberin behauptet, die Nichtzulassung ihrer Hilfsanträge in der Sache T XXX/XX sei ein “Akt der Willkür” gewesen, und ein so grober Verfahrensverstoß stelle einen unmittelbaren Beweis für Befangenheit dar (s. vorstehend VIII.12). Die hier entscheidende Kammer ist dagegen der Auffassung, dass ein Verfahrensfehler dieser Art, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, nicht per se auf irgendeine Form von Befangenheit hindeutet, sondern lediglich auf Fehler bei einem der Schritte, die die Kammer vornehmen muss, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Nichtzulassung von geänderten Ansprüchen begründet somit unabhängig davon, ob die Kammer ihre Befugnisse bzw. ihr Ermessen korrekt ausgeübt hat, keine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit.
21. Überdies lagen nach Ansicht der hier entscheidenden Kammer in der Sache T XXX/XX keinerlei Verfahrensfehler oder außergewöhnliche Umstände vor.
Im Gegensatz zur Patentinhaberin (s. vorstehend VIII.10) ist die Kammer der Ansicht, dass es laut Rechtsprechung des EPA durchaus Ermessenssache ist, verspätet eingereichte Ansprüche im Beschwerdeverfahren zuzulassen (s. Kapitel VII.D.14 “Einreichen geänderter Patentansprüche im Beschwerdeverfahren” in der Publikation “Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts”, 4. Auflage 2001).
Aus Abschnitt 14.2 dieses Kapitels geht außerdem hervor, dass die Ausübung dieses Ermessens relativ klar definierten Kriterien unterliegt. Diese Kriterien betreffen den Zeitpunkt der Einreichung, die Schwierigkeit der Prüfung und die Gründe für die späte Einreichung. So kann die Kammer dem Vorbringen der Patentinhaberin nicht folgen (s. vorstehend VIII.12), wonach die Ermessensausübung durch die Kammer in T XXX/XX einen “Akt der Willkür” darstelle. In der Entscheidung T XXX/XX wird in Nummer 13 ausführlich auf die Begleitumstände des zweiten Hilfsantrags eingegangen. Unter anderem wird festgestellt, dass der Antrag verspätet eingereicht wurde, dass keine Gründe für die Verspätung angegeben wurden und dass erhebliche Unterschiede zu früheren Anträgen bestanden. Diese Gesichtspunkte entsprechen genau dem, was laut der oben genannten Rechtsprechung verlangt wird. Der dritte Hilfsantrag wurde aus denselben Gründen zurückgewiesen.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass das Vorgehen in der Sache T XXX/XX weder von den Bestimmungen des EPÜ noch von der Verfahrensordnung oder der Rechtsprechung der Beschwerdekammern abweicht und daher für sich genommen keine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründen kann.
22. Darüber hinaus sieht die Kammer einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Behauptung tatsächlicher Befangenheit in einem Fall, der sich auf Umstände in einem früheren Fall stützt, und der Geltendmachung der Besorgnis der Befangenheit, die sich auf Umstände in einem früheren Fall stützt. Tatsächliche Befangenheit hat über die Zeit Bestand, während die Umstände, die Befangenheit befürchten lassen, im Allgemeinen von Fall zu Fall variieren und daher nicht unbedingt fortbestehen. Insbesondere zu Beginn eines Beschwerdeverfahrens, in dem eine ordnungsgemäß besetzte Kammer noch keine Verfahrenshandlung vorgenommen hat, liegen im Allgemeinen keine Umstände vor, die Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben. Andernfalls könnten solche Einwände in sämtlichen Verfahren erhoben werden. Ihnen stattzugeben, hätte zudem den unerwünschten Nebeneffekt, Entscheidungsgründe in einem früheren fall zu überprüfen und damit die frühere Entscheidung praktisch zu beseitigen.
Die Kammer stellt außerdem fest, dass offenbar auch keines der Beispiele, die in dem von der Patentinhaberin genannten Abschnitt des Kommentars zum deutschen Zivilprozessrecht angeführt werden (s. vorstehend VIII.12), den Fall betrifft, dass ein Ablehnungsgesuch mit Verfahrenshandlungen in früheren Verfahren begründet wird.
23. Etwas anderes könnte dann gelten, wenn es in mehreren Verfahren zu einer systematischen Fehlanwendung des Gesetzes zum Nachteil ein und derselben Partei gekommen wäre, was nur in Kombination mit einem anderen Verfahren offenkundig würde. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da die Patentinhaberin sich einzig und allein auf die Umstände der Sache T XXX/XX beruft. Dessen ungeachtet wollte die Patentinhaberin eine derartige systematische Voreingenommenheit im Umkehrschluss anhand einer Aufstellung von Verfahren nachweisen, aus der angeblich hervorgeht, dass die Kammer mit demselben Vorsitzenden verspätet eingereichte Anträge in anderen Fällen “ohne jedes Zögern” zugelassen hat (s. vorstehend VIII.11). Die Kammer hält dazu jedoch fest, dass die zugelassenen Anträge in zwei dieser Verfahren (T XXX/XX und T XXX/XX) von eben dieser Patentinhaberin eingereicht worden waren.
24. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die Umstände des vorliegenden Falls (die unter anderem eine Ermessensfrage in einer anderen, zurückliegenden Sache zum Gegenstand haben), in dem eine ordnungsgemäß besetzte Kammer noch keine Verfahrenshandlung vorgenommen hat, keine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründen.
Das XXX Gerichtsverfahren
25. Da die Verfahren vor dem EPA und Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nichts miteinander zu tun haben, sieht die Kammer keinen wie auch immer gearteten Zusammenhang und folglich auch keinen Grund zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit.
Die Stellungnahme des Vorsitzenden
26. Nach Ansicht der Kammer kann die bloße Abgabe einer Stellungnahme als Reaktion auf eine entsprechende Aufforderung ungeachtet ihres Inhalts kein Anlass für eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit sein.
27. Was die Behauptung betrifft, die Stellungnahme gehe über die Schilderung der Tatsachen hinaus (s. vorstehend VIII.22), so sind den Äußerungen des betroffenen Mitglieds nach Ansicht der Kammer keine formalen Grenzen gesetzt. Ihres Erachtens hat der Vorsitzende einfach der Aufforderung Folge geleistet, seine Gründe genannt und diese erläutert, was kein Zeichen von Befangenheit ist. Im Übrigen sind die Kommentare zum deutschen Zivilrecht, auf die sich die Patentinhaberin beruft, nicht maßgeblich, weil in dieser Frage offenbar unterschiedliche Auffassungen vertreten werden, wie die Einsprechende bemerkt (s. vorstehend IX.1).
28. Was die in der Stellungnahme enthaltenen Ausführungen zu Rechtsfragen betrifft, so stellt die Kammer fest, dass die Ablehnung wegen Befangenheit damit begründet wurde, dass es angeblich keine Rechtsgrundlage für ein Ermessen bei der Zurückweisung verspätet eingereichter Anträge gibt, was einen rechtlichen Einwand darstellt. Somit haben die der Ablehnung zu Grunde liegenden Fakten hier eine rechtliche Dimension, weswegen die Erörterung von Rechtsfragen nicht ungewöhnlich ist.
29. Die Kammer stimmt mit der Patentinhaberin darin überein (s. vorstehend VIII.22), dass der Vorsitzende aus diesen Fakten bestimmte Schlüsse zieht, die ganz offenkundig Entscheidungsmöglichkeiten für die nun zuständige Kammer darstellen. Entscheidungen dieser Kammer sind jedoch für die Befangenheit der Mitglieder der Kammer in der ursprünglichen Besetzung irrelevant. Auf keinen Fall stellt die Stellungnahme des Vorsitzenden eine “Mitwirkung des betroffenen Mitglieds” im Sinne des Artikels 24 (4) EPÜ dar, der sich auf die Beratung und die Abstimmung gemäß den Artikeln 14 und 15 VOBK bezieht. Vielmehr ist der Einsprechenden darin zuzustimmen (s. vorstehend IX.2), dass die Kammer keineswegs an diese Auffassung gebunden, sondern in ihrer Entscheidung völlig frei ist. Ein Grund für eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit bei der Entscheidung ist somit auch nach Artikel 24 (4) EPÜ nicht gegeben.
30. Schließlich handelt es sich bei dem von der Patentinhaberin geltend gemachten “Interesse” (s. vorstehend VIII.24) allenfalls um ein Interesse an der richtigen Darstellung des Sachverhalts des früheren Falls T XXX/XX, d. h. um ein abstraktes berufliches Interesse. Ein derartiges Interesse ist nach Auffassung der Kammer beim Vorsitzenden einer Beschwerdekammer nichts Ungewöhnliches und gibt keinen Anlass für eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit.
31. Die Kammer kommt damit zum Schluss, die die von der Patentinhaberin geltend gemachten Vorgänge einer Befangenheit des Vorsitzenden weder nach den Kriterien der subjektiven noch der objektiven Prüfung belegen. Die Kammer sieht daher keinen Grund, dem Ablehnungsantrag der Patentinhaberin stattzugeben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag auf Ablehnung des ursprünglichen Vorsitzenden der Kammer wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.