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European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:1999:G000198.19991220 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 20 Dezember 1999 | ||||||||
Aktenzeichen: | G 0001/98 | ||||||||
Vorlageentscheidung: | T 1054/96 | ||||||||
Anmeldenummer: | 91810144.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | A01N 63/00 | ||||||||
Verfahrenssprache: | EN | ||||||||
Verteilung: | A | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Lytische Peptide und hydrolytische Enzyme enthaltende antipathogen wirksame Zusammensetzungen | ||||||||
Name des Anmelders: | Novartis AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | – | ||||||||
Kammer: | EBA | ||||||||
Leitsatz: | I. Ein Anspruch, in dem bestimmte Pflanzensorten nicht individuell beansprucht werden, ist nicht nach Artikel 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfaßt. II. Bei der Prüfung eines Anspruchs für ein Verfahren zur Züchtung einer Pflanzensorte ist Artikel 64 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen. III. Das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) erster Halbsatz EPÜ gilt für Pflanzensorten unabhängig davon, auf welche Weise sie erzeugt wurden. Daher sind Pflanzensorten, in denen Gene vorhanden sind, die mittels der rekombinanten Gentechnik in eine Elternpflanze eingebracht wurden, vom Patentschutz ausgeschlossen. |
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Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Ansprüche, die Pflanzensorten umfassen, aber nicht individuell angeben Pflanzensorten als Erzeugnisse der rekombinanten Gentechnik Artikel 64 (2) EPÜ nicht relevant für die Prüfung von Erzeugnisansprüchen |
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Orientierungssatz: |
– |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
Sachverhalt und Anträge
I. In ihrer Entscheidung T 1054/96 (transgene Pflanze/NOVARTIS, ABl. EPA 1998, 511) hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1. Inwieweit sollten die Instanzen des EPA eine Anmeldung dahingehend prüfen, ob die Ansprüche im Hinblick auf die Vorschrift des Artikels 53 b) EPÜ gewährbar sind, die besagt, daß Patente nicht erteilt werden für Pflanzensorten sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, die aber auf mikrobiologische Verfahren und auf die mit Hilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht anzuwenden ist, und wie sollte ein Anspruch zu diesem Zweck ausgelegt werden?
2. Wird mit einem Anspruch, der auf Pflanzen gerichtet ist, ohne daß dabei bestimmte Pflanzensorten in ihrer Individualität beansprucht werden, ipso facto das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ umgangen, obwohl er Pflanzensorten umfaßt?
3. Sollte bei der Prüfung der Frage, welche Ansprüche gewährbar sind, Artikel 64 (2) EPÜ berücksichtigt werden?
4. Fällt eine Pflanzensorte, bei der in jeder einzelnen Pflanze dieser Sorte mindestens ein spezifisches Gen vorhanden ist, das mittels der rekombinanten Gentechnik in eine Elternpflanze eingebracht wurde, nicht unter die Vorschrift des Artikels 53 b) EPÜ, die besagt, daß Patente nicht erteilt werden für Pflanzensorten sowie für im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen, und die auf mikrobiologische Verfahren und auf die mit Hilfe dieser Verfahren gewonnenen Erzeugnisse nicht anzuwenden ist?
II. Die Streitanmeldung, die der Vorlageentscheidung zugrunde liegt, betrifft die Bekämpfung von Pflanzenpathogenen bei landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Sie umfaßt Patentansprüche für transgene Pflanzen, die in ihrem Genom bestimmte Fremdgene enthalten, deren Expression zur Produktion antipathogener Wirkstoffe führt, sowie Ansprüche für die Erzeugung solcher Pflanzen. Die erfindungsgemäßen Pflanzen können Pathogene abtöten oder ihr Wachstum hemmen. Die vorlegende Kammer ist der Auffassung, daß die oben angeführten Fragen für jegliche Prüfung der Ansprüche auf Patentierbarkeit von Belang sind.
III. Die für diese Entscheidung maßgeblichen Überlegungen der vorlegenden Kammer lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Erzeugnisansprüche für Pflanzen
Die Erzeugnisansprüche der Streitanmeldung umfaßten Pflanzen, die zu einer Pflanzensorte gehören könnten oder auch nicht. Bei der Prüfung eines Anspruchs im Hinblick auf Artikel 53 b) EPÜ müsse dieser so ausgelegt werden, wie es bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit geschehe. Der Grundsatz, der bei der Auslegung für diese beiden Zwecke üblicherweise angewandt werde, besage, daß für alles, was unter einen Anspruch falle, ein Patent erteilt werde. Wenn ein Anspruch auch Pflanzensorten umfasse, dann werde auch für Pflanzensorten ein Patent erteilt. Sei eine mögliche Ausführungsart eine Pflanzensorte, so sei sie nicht patentierbar.
Die Beschwerdekammer 3.3.4 konnte der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen, wonach ein Anspruch, der mehr als eine einzige Sorte umfasse, zulässig sei. Dies widerspreche ihrer Auffassung nach den allgemeinen Gesetzen der Logik. Nach dieser Argumentation könnte das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ dadurch umgangen werden, daß ein Anspruch auf eine Pflanze so abgefaßt würde, daß einige Merkmale einer tatsächlichen Ausführungsart unspezifiziert blieben. Die Vorstellung, daß bestimmte Ausführungsarten einer Erfindung, nämlich die eigentlichen Pflanzensorten, nicht patentierbar sein sollten, ein breitgefaßter Anspruch auf Pflanzen, dessen Schutzbereich all diese Sorten einschließe, aber erteilt werde, mute im allgemeinen Rahmen des Patentrechts wie ein Fremdkörper an. Das Patentrecht wiese dann, soweit es Pflanzen betreffe, in seinem Kern einen grundlegenden Bruch auf.
Aus der Entstehungsgeschichte des EPÜ werde deutlich, daß all die Probleme, die die Patentierung sich selbst reproduzierender lebender Organismen auf der Ebene höherer Pflanzen und Tiere mit sich brächte, durch das Patentierungsverbot im EPÜ einfach umgangen werden sollten. Bei der Abfassung des Straßburger Patentübereinkommens und des EPÜ sei die Gewinnung von Sorten durch Verfahren mit mikrobiologischen Verfahrensschritten nicht vorstellbar gewesen. Daher könne es nicht in der Absicht der Gesetzgeber gelegen haben, Pflanzensorten als Erzeugnisse mikrobiologischer Verfahren patentierbar zu machen. Eine gentechnisch veränderte Pflanzensorte habe nichts mit dem zu tun, was ursprünglich mit dem Erzeugnis eines mikrobiologischen Verfahrens gemeint gewesen sei, sei aber vom Typus her praktisch nicht von den auf herkömmlichem Weg gewonnenen Pflanzensorten zu unterscheiden. Das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ lege vielmehr nahe, daß Pflanzensorten so lange von der Patentierung ausgeschlossen werden sollten, bis die Gesetzgeber die Frage überdächten. Der Vergleich zwischen Artikel 52 (2) und Artikel 53 b) EPÜ habe ergeben, daß nur letzterer Entwicklungen ausschließe, die unter die Kategorie der Erfindungen fielen. Der Rechtsprechung der Beschwerdekammern in den Fällen, die Artikel 52 (2) EPÜ betreffen, sei keine verwertbare Analogie zur Rechtsstellung von Pflanzensorten zu entnehmen. Sie beziehe sich auf Fälle, in denen Gegenstände, die nur “als solche” gemäß Artikel 52 (3) EPÜ ausgeschlossen sind, in Verbindung mit etwas anderem verwendet würden und die Kombination als Ganzes als Erfindung angesehen werden könne. Dagegen empfehle sich ein Blick auf die Rechtsprechung zu Artikel 52 (4) EPÜ, wo Verfahren zwar nicht ausdrücklich auf die Behandlung des menschlichen Körpers gerichtet gewesen, aber mit ebender Begründung nicht patentiert worden seien, daß sie auch als therapeutische Verfahren zur Behandlung des menschlichen Körpers dienen könnten, die von der Patentierung ausgeschlossen seien. Selbst wenn ein wesentlicher historischer Grund für den Ausschluß von Pflanzensorten das Doppelschutzverbot in Artikel 2 (1) des Internationalen Übereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV-Übereinkommen) gewesen sei, folge daraus nicht zwangsläufig, daß bei der Anwendung des Artikels 53 b) EPÜ dessen genauer Wortlaut außer acht zu lassen sei.
Die bloße Tatsache, daß eine Pflanzensorte mittels gentechnischer Verfahren gewonnen werde, sei kein Grund, den Hersteller einer solchen Pflanzensorte besserzustellen. Die Entscheidung, neuen, seit dem Inkrafttreten von Artikel 53 b) EPÜ entwickelten Typen von Pflanzen im Interesse der auf diesem Gebiet tätigen Erfinder die Patentierbarkeit zuzubilligen, bleibe einer Revisionskonferenz der Vertragsstaaten vorbehalten, weil sie den Geltungsbereich des EPÜ über den ursprünglich vereinbarten hinaus ausdehnen würde. Zudem stünde sie wohl nicht in Einklang mit der späteren Praxis, die im UPOV-Übereinkommen von 1991 und der Verordnung des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz zum Ausdruck komme, die jeweils den Schutz gentechnisch erzeugter Pflanzensorten vorsähen. Der Entwurf der EG-Biotechnologierichtlinie lege den Schluß nahe, daß immer dann, wenn die Erfindung ein auf mehr als eine Sorte anwendbares gentechnisches Konzept sei, die resultierenden Erzeugnisse patentierbar sein sollten, auch wenn es sich um Pflanzensorten handle. Dann wäre das auf mehr als eine einzige Sorte abhebende Konzept der Beschwerdeführerin am besten mit dem Richtlinienentwurf zu vereinbaren. Man könne aber auch die Ansicht vertreten, daß dem Richtlinienentwurf mit der Zulassung von Ansprüchen auf das Verfahren, das zur Pflanze führte, Genüge getan sei.
Ansprüche für im wesentlichen biologische Verfahren
Bezüglich der Frage, ob ein Verfahren als im wesentlichen biologisches Verfahren eingestuft werden kann, das nach Artikel 53 b) erster Halbsatz EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist, werden in der Vorlageentscheidung drei Konzepte untersucht:
a) Analog zur Rechtsprechung zu Artikel 52 (4) EPÜ wäre ein Verfahren nur dann als kein im wesentlichen biologisches Verfahren im Sinne des Artikels 53 b) EPÜ anzusehen, wenn es ausschließlich nichtbiologische Verfahrensschritte umfaßt.
b) Nach T 320/87 müsse die Entscheidung ausgehend vom Wesen der Erfindung unter Berücksichtigung des Gesamtanteils der menschlichen Mitwirkung und deren Auswirkung auf das erzielte Ergebnis getroffen werden. Wie in T 356/93 erläutert, hätte dies zur Folge, daß ein Verfahren, das mindestens einen wesentlichen technischen Verfahrensschritt umfasse, der nicht ohne menschliche Mitwirkung ausgeführt werden könne und entscheidenden Einfluß auf das Endergebnis habe, nicht unter die Ausnahmen von der Patentierbarkeit falle.
c) Um dem in Artikel 53 b) EPÜ verankerten Patentierungsverbot zu entgehen, müsse das Verfahren nach dem in Artikel 2 (2) des Entwurfs der EG-Biotechnologierichtlinie aufgegriffenen Konzept neben beliebig vielen im wesentlichen biologischen Schritten mindestens einen genau angegebenen nichtbiologischen Verfahrensschritt aufweisen.
Nach Auffassung der vorlegenden Kammer besteht kein Widerspruch darin, daß eine Pflanzensorte einerseits als unmittelbares Erzeugnis eines patentierten Verfahrens für die Gewinnung der Sorte nach Artikel 64 (2) EPÜ indirekt Patentschutz genießt, andererseits aber als solche nach Artikel 53 b) EPÜ nicht patentierbar ist. Daher dürfe Artikel 64 (2) EPÜ bei der Patentierbarkeitsprüfung von Verfahrensansprüchen zur Erzeugung von Pflanzen nicht zum Tragen kommen.
IV. Insgesamt läßt sich der Standpunkt der Beschwerdekammer 3.3.4 wie folgt zusammenfassen:
Frage 1
Erzeugnisansprüche:
Unabhängig von der Wortwahl eines Anspruchs müsse entschieden werden, ob der Anspruch ganz oder teilweise auf einen Gegenstand gerichtet sei, für den kein Patent erteilt werden dürfe. Daß Pflanzensorten unter einen Anspruch fielen, könne nicht ignoriert werden. Im Hinblick auf Artikel 53 b) EPÜ sei ein Anspruch so auszulegen wie bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit. Sei eine mögliche Ausführungsart eine Pflanzensorte, so sei er nicht patentierbar.
Im wesentlichen biologische Verfahren
Die Kammer gab keinem der drei in der Vorlageentscheidung angeführten Konzepte für die Entscheidung, ob ein Verfahren als im wesentlichen biologisches Verfahren eingestuft werden kann, den Vorzug.
Mikrobiologische Verfahren und ihre Erzeugnisse
Nach Auffassung der Kammer fallen gentechnisch veränderte Pflanzensorten unter das Patentierungsverbot für Pflanzensorten in Artikel 53 b) EPÜ, selbst wenn die Sorte in gewissem Sinne als Erzeugnis eines mikrobiologischen Verfahrens angesehen werden sollte.
Frage 2
Nach den allgemeinen Gesetzen der Logik könne aus der Formulierung des Artikels 53 b) EPÜ nicht abgeleitet werden, daß ein Patent nicht für eine einzelne Pflanzensorte, wohl aber dann erteilt werden könne, wenn der Anspruch mehrere Pflanzensorten umfasse.
Frage 3
Artikel 64 (2) EPÜ dürfe bei der Patentierbarkeitsprüfung von Verfahrensansprüchen zur Erzeugung von Pflanzen nicht zum Tragen komme, d. h. Ansprüche für die gentechnische Erzeugung von Pflanzen seien zulässig.
Frage 4
Gentechnisch erzeugte Pflanzensorten fielen sehr wohl unter die Ausnahme von der Patentierbarkeit nach Artikel 53 b) EPÜ.
V. Die Beschwerdeführerin in der Sache T 1054/96 wollte diese Fragen wie folgt beantwortet wissen:
Frage 1
Die Instanzen des EPA seien verpflichtet, bei der Auslegung des EPÜ – so auch des Artikels 53 b) EPÜ – einschlägige Vorschriften internationaler Verträge zu berücksichtigen. Daher müsse die Auslegung des EPÜ mit der EG-Biotechnologierichtlinie in Einklang gebracht werden.
Frage 2
Ein Anspruch, der nicht speziell auf Pflanzensorten gerichtet sei, sondern auf transgene Pflanzen mit bestimmten Merkmalen, sei im Falle einer Erfindung zulässig, deren Ausführung nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte beschränkt sei.
Frage 3
Artikel 64 (2) EPÜ dürfe der Patentierung nicht entgegenstehen, wenn der betreffende Anspruch auf ein Verfahren zur Erzeugung transgener Pflanzen gerichtet sei.
Frage 4
Der rekombinante Ursprung einer Pflanze sei für die Frage, ob eine Pflanzensorte gemäß Artikel 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen sei, ohne Belang.
VI. Zur Begründung ihres Standpunkts brachte die Beschwerdeführerin unter anderem vor, das von der vorlegenden Kammer verfolgte Konzept laufe auf einen “Verletzungstest” hinaus, bei dem ein Anspruch als Ganzes nicht patentierbar sei, wenn er eine Ausführungsart umfasse, die nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgenommen sei. Ein solches Konzept widerspräche der Praxis des EPA, Ansprüche zuzulassen, die ästhetische Formschöpfungen umfassen könnten, die nach Artikel 52 (2) EPÜ ausdrücklich von der Patentierbarkeit ausgenommen seien. Ebenso wäre nach dem Konzept der Kammer ein Anspruch auf ein Gen ausgenommen, wenn sich der Schutz auf eine Pflanzensorte erstreckte, die das Gen enthalte, wie es nun in Artikel 9 der EG-Biotechnologierichtlinie genau festgelegt sei. Bei der Untersuchung der Beispiele in der Beschreibung habe die Kammer nicht geprüft, ob der Beitrag der Anmeldung als Ganzes zum Stand der Technik eine wirklich allgemeine Erfindung sei. Wenn eine technische Lehre sich auf Pflanzen allgemein beziehe und nicht auf die Erzeugung einer bestimmten Pflanzensorte beschränkt sei, sollte der Anmelder diesen technischen Beitrag mit breit gefaßten Ansprüchen festlegen dürfen, und dies unabhängig davon, ob diese Ansprüche auch Pflanzensorten umfaßten. Der sui generis Schutz einzelner Pflanzensorten könne keinen angemessenen Schutz für die breit anwendbare technische Lehre bieten. In ihrem Begleitschreiben zur Ladung zur mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdekammer 3.3.4 darauf hingewiesen, daß eine Benachteiligung von Pflanzenzüchtern vermieden werden müsse: Tatsächlich habe die Kammer den Artikel 53 b) EPÜ aber enger ausgelegt, als dies die betroffenen Gruppen von Pflanzenzüchtern je getan hätten, und damit technische Erfinder benachteiligt, deren Lehren von Pflanzenzüchtern unentgeltlich genutzt werden könnten.
In technischer Hinsicht gehe die Beschwerdekammer 3.3.4 fehl mit ihrer Behauptung, durch die stabile Insertion eines gewünschten Gens in eine vorhandene Pflanzensorte entstehe eine andere Sorte, die sich von dem nicht transformierten Ausgangsmaterial nur durch das gewünschte Merkmal unterscheide. Nach der stabilen Integration der eingeführten DNA im Genom seien nämlich mehrere Verfahrensschritte von Kreuzungen und Rückkreuzungen erforderlich, um eine homogene Pflanze zu erhalten, die eine Pflanzensorte darstellen könnte.
Bei der Diskussion über das mit dem Schlagwort “mehr als eine einzige Sorte” umschriebene Konzept habe die vorlegende Kammer die Bedeutung des Begriffs Pflanzensorte für das Verhältnis zwischen Patentschutz und sui generis Sortenschutzrechten nicht gebührend berücksichtigt. Wie aus der Entscheidung T 49/83 ersichtlich, gehe es entscheidend darum, ob eine bestimmte technische Lehre grundsätzlich im Rahmen des besonderen Schutzsystems für Pflanzensorten geschützt werden könnte. Wenn ja, sei ein Schutz im Rahmen von Artikel 53 b) EPÜ ausgeschlossen. Wenn nein, müsse die Lehre als Gegenstand gelten, für den Patentschutz erlangt werden könne.
VII. Der Präsident des EPA vertrat folgenden Standpunkt:
Frage 1
Erzeugnisansprüche
Der Begriff “Pflanzensorte” sei anhand der im Sortenschutzrecht entwickelten Definitionen zu bestimmen. Dort könnten genau die Gegenstände geschützt werden, die nach Artikel 53 b) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien. Eine Gruppe von Pflanzen, die lediglich durch ein oder mehrere einzelne Merkmale gekennzeichnet sei, erfülle nicht die Anforderungen an eine Pflanzensorte. Der Ausschluß von Pflanzensorten dürfe nicht auf andere Erzeugniserfindungen für Pflanzen ausgedehnt werden.
Im wesentlichen biologische Verfahren
Ein Verfahren zur Erzeugung von Pflanzen sei im wesentlichen biologisch, wenn es vollständig auf natürlichen Phänomenen beruhe, wobei diese die Verfahren traditioneller Pflanzenzüchter wie Kreuzung oder Selektion umfaßten.
Mikrobiologische Verfahren
Ein mikrobiologisches Verfahren zur Züchtung von Pflanzen sei patentierbar.
Frage 2
Ein Anspruch, der Pflanzensorten umfasse, sie aber nicht individuell beanspruche, falle nicht unter die Ausschlußbestimmung des Artikels 53 b) EPÜ.
Frage 3
Bei der Prüfung der Frage, welche Ansprüche gewährbar seien, solle Artikel 64 (2) EPÜ nicht berücksichtigt werden.
Frage 4
Pflanzensorten seien auch dann nicht patentierbar, wenn sie durch ein mikrobiologisches Verfahren, mittels der modernen Gentechnik oder durch ein nicht im wesentlichen biologisches Verfahren erzeugt würden.
VIII. Es wurden zahlreiche Stellungnahmen gemäß Artikel 11b der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer eingereicht.
Für die Patentierbarkeit von Ansprüchen, die transgene Pflanzen umfassen, plädierten Berufsverbände auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (epi, CIPA, Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht [Fachausschuß für Pflanzenzüchtungen], Industrieverbände (UNICE, BioIndustry Association [UK], European Crop Protection Association), im Bereich der Pflanzenzucht tätige Anmelder (PGS, Monsanto) und Patentvertreter.
Generell verwiesen sie auf den in Artikel 52 (1) EPÜ verankerten allgemeinen Grundsatz, daß für Erfindungen Patente erteilt werden. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien eng auszulegen.
Der Wortlaut des Artikels 53 b) erster Halbsatz EPÜ lasse verschiedene Auslegungen zu. Bei der Auslegung dieser Bestimmung müsse ihr Zweck und die Absicht des Gesetzgebers berücksichtigt werden. So habe der Gesetzgeber offensichtlich nicht beabsichtigt, Pflanzen generell vom Patentschutz auszuschließen, weil er ansonsten zur Festlegung des ausgeschlossenen Bereichs nicht den Begriff “Pflanzensorte” verwendet hätte. Vielmehr diene diese Bestimmung der Umsetzung des im UPOV-Übereinkommen von 1961 enthaltenen Doppelschutzverbots. Es sei jedoch nicht bezweckt gewesen, Gegenstände auszuschließen, für die kein Sortenschutz erlangt werden könne. Insbesondere könne der Gesetzgeber nicht beabsichtigt haben, transgene Pflanzen von der Patentierbarkeit auszuschließen, weil die Züchtung solcher Pflanzen zum Zeitpunkt der Abfassung des EPÜ technisch gar nicht möglich gewesen sei. Daher habe der Begriff “Pflanzensorte” in Artikel 53 b) EPÜ dieselbe Bedeutung wie im UPOV-Übereinkommen, so daß die Ausschlußbestimmung nur Anwendung finden solle, wenn derartige Pflanzensorten als solche beansprucht würden. Erfindungen im Bereich der gentechnischen Veränderung von Pflanzen müßten als technische Gegenstände betrachtet werden. Bei einer transgenen Pflanze sei das Wesen der Erfindung die Erzeugung der DNA-Konstruktion, die ein mikrobiologischer Vorgang sei. Die Benachteiligung von Erfindern, die Zeit, Mühe und Geld in die Erzeugung verbesserter Pflanzen investierten, würde diese um den verdienten Lohn für ihren Aufwand bringen.
Zur Frage 3 wurde vorgebracht, daß sich Artikel 64 (2) EPÜ auf Verletzungsverfahren beziehe, die dem nationalen Recht unterlägen, und daß diese Bestimmung keine Grundlage für eine Einschränkung der Gegenstände sei, für die Patentschutz erlangt werden könne.
In einigen Stellungnahmen wurde die Auffassung vertreten, daß gentechnische Verfahren als mikrobiologische Verfahren im Sinne des Artikels 53 b) zweiter Halbsatz EPÜ zu betrachten seien. Mittels solcher Verfahren erzeugte Pflanzensorten sollten nicht unter den Ausschluß im ersten Halbsatz dieses Artikels fallen, da die Bestimmung nicht auf auf Erzeugnisse beschränkt sei, die unmittelbar durch ein mikrobiologisches Verfahren hergestellt seien. Als Gegenargument wurde vorgebracht, daß unter einem mikrobiologischen Verfahren ein Verfahren zu verstehen sei, bei dem mikrobiologisches Material verwendet, bearbeitet oder hergestellt wird.
Nach diesen Kriterien könne ein mikrobiologisches Verfahren nicht zu einer Pflanzensorte führen. Eine Sonderbehandlung gentechnisch erzeugter Pflanzensorten sei nicht gerechtfertigt.
IX. In folgenden Stellungnahmen wurde die Patentierbarkeit von Ansprüchen abgelehnt, die transgene Pflanzen umfassen:
Das Gemeinschaftliche Sortenamt (OCVV) befürwortete das Konzept, wonach ein Anspruch, der eine Pflanzensorte umfasse oder umfassen könnte, unabhängig davon zurückgewiesen werden solle, ob diese Pflanzensorte das Ergebnis eines mikrobiologischen Verfahrens sei. Der Ausschluß von Pflanzensorten vom Patentschutz würde gefährlich ausgehöhlt, wenn er einfach durch eine breite Abfassung der Ansprüche, mit der man den ausdrücklichen Hinweis auf eine einzelne Pflanzensorte vermeidet, umgangen werden könnte. Andererseits erklärte das OCVV, es habe kein Problem damit, Ansprüche für Pflanzenmaterial außerhalb der fixierten Form der Pflanzensorte zu akzeptieren, was den Schutz einer Pflanzensorte, die eine patentierte Erfindung enthält, zulassen würde. Es liege eine Kollision zwischen den Artikeln 53 b) und 64 (2) EPÜ vor, wobei ersterer nicht dadurch umgangen werden dürfe, daß Artikel 64 (2) EPÜ geltend gemacht werde, wenn das Erzeugnis eines beanspruchten Verfahrens eine Pflanzensorte sei. Artikel 64 (2) EPÜ müsse herangezogen werden, wenn zu prüfen sei, ob sich ein Anspruch auf eine Pflanzensorte “beziehe”. Sei dies der Fall, so müsse der Anspruch zurückgewiesen werden.
X. Greenpeace bezeichnete es als inakzeptabel, wenn die Ausschlußbestimmung des Artikels 53 b) EPÜ umgangen werden könnte, indem Ansprüche für Pflanzensorten durch breitere Begriffe wie Pflanze, Art oder Saatgut verschleiert würden. Eine enge Auslegung der Bestimmung, die Ansprüche auf Pflanzensorten zuließe, würde deren Wortlaut und auch Zweck zuwiderlaufen. Auch könnten Pflanzen, Pflanzensorten oder Saatgut nicht als Erzeugnisse mikrobiologischer Verfahren betrachtet werden. Außerdem widerspreche die Patentierung von Pflanzensorten dem Standpunkt verschiedener Vertragsstaaten und vor allem Deutschlands. Darüber hinaus hätte die Patentierung von Saatgut negative soziale und wirtschaftliche Folgen; insbesondere Landwirte und traditionelle Pflanzenzüchter würden benachteiligt. Solche Auswirkungen müßten im Rahmen des Artikels 53 a) EPÜ berücksichtigt werden.
XI. Über 600 Stellungnahmen wurden von Einzelpersonen und Gruppen eingereicht, die sich für den Umwelt- bzw. Tierschutz und ähnliche Anliegen einsetzen. Ihre Verfasser äußerten allgemein und in weitgehend identischen Formulierungen ihre Besorgnis über die Erteilung von Patenten für Tiere und Pflanzen. Sie sprachen sich für den in T 356/93 und T 1054/96 eingeschlagenen Weg aus und argumentierten, daß die Patentierung von Tieren und Pflanzen gegen den Wortlaut des Artikels 53 b) EPÜ verstoße und somit gesetzeswidrig sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Vorlage der Rechtsfragen ist nach Artikel 112 (1) a) EPÜ zulässig.
2. Die Frage 1 ist sehr weit gefaßt. Sie überschneidet sich mit den Fragen 2 bis 4 und tangiert zahlreiche Aspekte der Prüfung von Erfindungen im Bereich höherer Lebensformen. Daher erscheint es zweckmäßiger, zunächst auf die konkreteren Fragen 2 bis 4 einzugehen. Die Antworten auf diese Fragen werden zeigen, daß eine gesonderte Beantwortung der Frage 1 nicht erforderlich ist. Zur Auslegung des Begriffs “im wesentlichen biologische Verfahren” siehe Nr. 6. Auch wenn die Vorlage zulässig ist, bedeutet dies nicht, daß auf alle vorgelegten Fragen gleich ausführlich eingegangen werden muß.
3. Frage 2
Ansprüche, die Pflanzensorten umfassen, aber nicht individuell beanspruchen, und Artikel 53 b) erster Halbsatz EPÜ
3.1 Bei der Prüfung der Frage, ob es sich um ein “Patent für Pflanzensorten” handelt und damit die in Artikel 53 b) erster Halbsatz EPÜ angeführte Bedingung erfüllt ist, unterscheidet die vorlegende Kammer zwischen einer Auslegung nach dem Wesen der Erfindung und einer Auslegung nach dem Wortlaut. Nach der in der Vorlageentscheidung vorgeschlagenen Auslegung nach dem Wesen der Erfindung wird ein Patent für Pflanzensorten erteilt, wenn ein Anspruch Pflanzensorten umfaßt (Nr. 16 der Entscheidungsgründe). Nach der alternativen Auslegung nach dem Wortlaut ist Artikel 53 b) EPÜ Genüge getan, wenn der Begriff “Pflanzensorte” im Anspruch nicht vorkommt.
Für die Prüfung, auf welchen Gegenstand ein Anspruch gerichtet ist, ist eindeutig nicht der Wortlaut, sondern der Inhalt des Anspruchs maßgebend. Daraus folgt aber nicht, daß der Gegenstand eines Anspruchs mit dem Umfang dieses Anspruchs gleichgesetzt werden kann. Zur Feststellung des Gegenstands eines Anspruchs muß die ihm zugrunde liegende Erfindung ermittelt werden; dabei ist von Bedeutung, wie allgemein oder speziell die beanspruchte Erfindung ist. Ein Erfinder, der Befestigungsmittel erfunden hat, die dadurch gekennzeichnet sind, daß sie aus einem bestimmten Material bestehen, hat weder einen Nagel noch eine Schraube oder einen Bolzen erfunden; vielmehr ist seine Erfindung auf Befestigungsmittel im allgemeinen gerichtet. Dies ist keine Frage der Form, sondern des Inhalts: Dem Anmelder steht es frei, die Ansprüche für seine Erfindung in der breitest möglichen Form abzufassen, d. h. gerade so umfassend, daß noch alle Voraussetzungen für die Patentierbarkeit erfüllt sind. Wenn seine Erfindung allgemein anwendbar ist, so resultiert der allgemeine Anspruch nicht aus der Wortgewandtheit des betreffenden Patentvertreters, wie dies die Vorlageentscheidung nahezulegen scheint (Nr. 20 der Entscheidungsgründe), sondern aus der breiten Anwendbarkeit der Erfindung.
In der Vorlageentscheidung heißt es ausdrücklich, daß die Erfindung durch die Veränderung von Pflanzen ausgeführt werden kann, bei denen es sich um Pflanzensorten handeln könne oder auch nicht (Nrn. 12, 13 der Entscheidungsgründe). Außerdem wird davon ausgegangen, daß eines der Hauptanwendungsgebiete des beanspruchten Gegenstands Pflanzensorten sind (Nr. 11 der Entscheidungsgründe). Die Vorlageentscheidung enthält keinerlei Anhaltspunkt dafür, daß die Ausführung der Erfindung auf die Veränderung einzelner Sorten beschränkt ist. Auch legt sie nicht nahe, daß das Ergebnis der Veränderung mittels gentechnischer Transformation zwangsläufig eine Pflanzensorte ist.
Pflanzensorten gelten allgemein als das Ergebnis von Züchtungsverfahren (vgl. Böringer, Industrial Property Rights and Biotechnology, Plant Variety Protection No. 55, Juni 1988, Seite 45, Nr. 1.1). Im Kern bedeutet dies, daß sie das Ergebnis von Selektions- und Kreuzungsverfahren sind, zu denen auch moderne Techniken wie die Zellfusion gehören, die es in der Natur nicht gibt. Solange neue Pflanzen ausschließlich durch Züchtung gewonnen werden konnten, verstand sich dies von selbst. Nach der Rechtsprechung des EPA bedeutet der Begriff “Pflanzensorte” in Anlehnung an Artikel 2 (2) des UPOV-Übereinkommens von 1961 eine “Vielzahl von Pflanzen, die in ihren Merkmalen weitgehend gleich sind und nach jeder Vermehrung oder jedem Vermehrungszyklus innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen gleichbleiben” (T 49/83, Vermehrungsgut/CIBA-GEIGY, ABl. EPA 1984, 112, Nr. 2 der Entscheidungsgründe, bestätigt durch T 320/87, Hybridpflanzen/LUBRIZOL, ABl. EPA 1990, 71, Nr. 13 der Entscheidungsgründe). In Artikel 1 vi) des UPOV-Übereinkommens werden Pflanzensorten wie folgt definiert:
“Sorte: eine pflanzliche Gesamtheit innerhalb eines einzigen botanischen Taxons der untersten bekannten Rangstufe, die, unabhängig davon, ob sie voll den Voraussetzungen für die Erteilung eines Züchterrechts entspricht,
– durch die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergebende Ausprägung der Merkmale definiert werden kann,
– zumindest durch die Ausprägung eines der erwähnten Merkmale von jeder anderen pflanzlichen Gesamtheit unterschieden werden kann und
– in Anbetracht ihrer Eignung, unverändert vermehrt zu werden, als Einheit angesehen werden kann;”
Die Definitionen in Artikel 5 (2) der Verordnung des Rates über den gemeinschaftlichen Sortenschutz wie auch in der am 1. September 999 in Kraft getretenen Regel 23b (4) EPÜ sind inhaltlich identisch. Der Verweis auf die Ausprägung der Merkmale, die sich aus einem bestimmten Genotyp oder einer bestimmten Kombination von Genotypen ergibt, bezieht sich auf die vollständige Struktur einer Pflanze oder eines Satzes genetischer Informationen (Van der Kooij, Introduction to the EC Regulation on Plant Variety Protection, London, 1997, Art. 5, Abs. 2; siehe auch Byrne, Commentary on the Substantive Law of the UPOV 1991 Convention, London, 1991, S. 20 ff.).
Demgegenüber ist eine Pflanze, die durch einzelne rekombinante DNA-Sequenzen definiert ist, keine individuelle pflanzliche Gesamtheit mit einer vollständigen Struktur (Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Sortenschutz, Weinheim, 1999, Nr. 116). Hier handelt es sich nicht um ein konkretes Lebewesen oder um eine Gesamtheit konkreter Lebewesen, sondern um eine abstrakte und offene Definition, die eine unbestimmte Vielzahl von Einzelindividuen umfaßt, die durch einen Teil ihres Genotyps oder durch eine Eigenschaft definiert sind, die ihr durch diesen Teil verliehen wird. Wie in der Vorlageentscheidung eingehender beschrieben ist, sind die in der Streitanmeldung beanspruchten transgenen Pflanzen durch bestimmte Merkmale definiert, aufgrund derer die Pflanzen das Wachstum von Pflanzenpathogenen hemmen können (Nr. 11 der Entscheidungsgründe, Anlage I, Nr. 8). Die taxonomische Kategorie innerhalb der traditionellen Klassifizierung des Pflanzenreichs, zu der die beanspruchten Pflanzen gehören, ist nicht angegeben, und es fehlen auch die weiteren Merkmale, die für eine Beurteilung der Homogenität und Stabilität von Pflanzensorten innerhalb einer bestimmten Art erforderlich sind. Daraus ergibt sich, daß die beanspruchte Erfindung weder explizit noch implizit eine einzige Pflanzensorte angibt, ob nun nach der Definition der “Pflanzensorte” in Artikel 1 vi) des UPOV-Übereinkommens von 1991 oder nach einer der anderen oben angeführten Definitionen. Damit gibt sie auch keine Vielzahl von Pflanzensorten an, die zwangsläufig aus mehreren einzelnen Pflanzensorten besteht. Da in den Erzeugnisansprüchen keine spezifischen Pflanzensorten benannt sind, ist der Gegenstand der beanspruchten Erfindung nicht auf eine oder mehrere Pflanzensorten beschränkt oder gar gerichtet.
3.2 Dies beantwortet aber nicht die Frage, ob die Ausschlußbestimmung des Artikels 53 b) erster Halbsatz EPÜ zum Tragen kommt: Die Bestimmung “Europäische Patente werden nicht erteilt für Pflanzensorten” bedarf einer Auslegung. Nach Auffassung der vorlegenden Kammer wäre es unlogisch, diese Bestimmung so zu verstehen, daß ein Patent nicht für eine einzelne Pflanzensorte, wohl aber dann erteilt werden könne, wenn seine Ansprüche mehrere Pflanzensorten umfaßten (Nr. 36 der Entscheidungsgründe).
3.3 Die vorlegende Kammer sah bei der Prüfung eines Anspruchs im Hinblick auf Artikel 53 b) EPÜ keinen anderen Weg, als den Anspruch so auszulegen, wie es bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit geschieht (Nr. 15 der Entscheidungsgründe). Zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, daß dieser Weg entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin kein “Verletzungstest” ist. Um Gegenstände, die nicht neu oder erfinderisch sind, von der Patentierung auszuschließen, müssen alle unter die Ansprüche fallenden Ausführungsarten geprüft werden. Hingegen erhebt sich die Frage der Verletzung, wenn eine bestimmte Ausführungsart angeblich innerhalb des Umfangs der beanspruchten Erfindung liegt. Dann müssen die Merkmale der angeblich verletzenden Ausführungsart entsprechend den Auslegungsregeln, die von den mit Verletzungsfragen befaßten Gerichten angewendet werden, mit den Merkmalen des betreffenden Anspruchs verglichen werden. Dieser Vergleich kann auch die Prüfung umfassen, ob ein Merkmal des Anspruchs äquivalent ausgestaltet ist.
3.3.1 Die vorlegende Kammer hat ihre Entscheidung getroffen, ohne ein Argument zu widerlegen, das auf dem Wortlaut der Bestimmung basierte: Während der Ausschluß bei Verfahren die Züchtung von Pflanzen betrifft, bezieht er sich bei Erzeugnissen auf Pflanzensorten. Es ist anzunehmen, daß die Verwendung des genaueren Begriffs “Pflanzensorte” innerhalb desselben Halbsatzes der für Erzeugnisse geltenden Bestimmung einen Grund gehabt hat. Wenn beabsichtigt gewesen wäre, Pflanzen als Gruppe, die ganz allgemein auch Pflanzensorten umfaßt, als Erzeugnisse auszuschließen, würde in dieser Bestimmung wie bei den Verfahren der allgemeinere Begriff “Pflanzen” verwendet.
3.3.2 Außerdem wurde in der Vorlageentscheidung die Frage angesprochen, ob dieses Konzept nicht nur für Ansprüche auf Pflanzen gelte, die Pflanzensorten umfassen, sondern auch für Ansprüche auf in Pflanzensorten enthaltene Gene (Nr. 22 der Entscheidungsgründe). Angesichts des Standpunkts der vorlegenden Kammer müßte dann nämlich logischerweise jegliches genetische Material, das in Pflanzen eingeschleust wird, vom Erzeugnisschutz ausgeschlossen werden.
3.3.3 Darüber hinaus läßt sich der Ansatz der vorlegenden Kammer nicht einheitlich auf alle Patentierungserfordernisse anwenden. Es bietet sich an, auf die andere Ausschlußbestimmung in Artikel 53 a) EPÜ einzugehen und zu überlegen, wie die Sachlage wäre, wenn ein Anspruch etwas umfaßte, was gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde. Gesetzt den Fall, eine beanspruchte Erfindung beträfe ein Kopiergerät mit Merkmalen, die zu einer höheren Wiedergabequalität führten, und eine Ausführungsart dieser Vorrichtung könnte weitere (nicht beanspruchte, für den Fachmann aber offensichtliche) Merkmale umfassen, deren einziger Zweck darin bestünde, auch die Wiedergabe von Sicherheitsstreifen in Banknoten mit verblüffender Ähnlichkeit zu echten Banknoten zu ermöglichen: Dann würde die beanspruchte Vorrichtung eine Ausführungsart für die Herstellung von Falschgeld umfassen, die unter Umständen unter Artikel 53 a) EPÜ fiele. Es gäbe aber keinen Grund, das beanspruchte Kopiergerät vom Patentschutz auszuschließen, weil seine verbesserten Eigenschaften für zahlreiche zulässige Zwecke genutzt werden könnten.
Eine ähnliche Sachlage bezüglich des Erfordernisses der ausreichenden Offenbarung gemäß Artikel 83 EPÜ findet sich in der Rechtsprechung zu biotechnologischen Erfindungen. In der Sache T 361/87 vom 15. Juni 1988 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) wurde entschieden, daß die mangelnde Zugänglichkeit einiger besonders wirksamer Stämme einer Klasse von Mikroorganismen unwesentlich ist, solange dem Fachmann andere geeignete Stämme zugänglich sind. Somit konnte ein auf die Verwendung der gesamten Klasse von Mikroorganismen gerichteter Anspruch erteilt werden, obwohl bestimmte Stämme dieser Klasse der Öffentlichkeit nicht zugänglich waren. Mit anderen Worten wurde der Anspruch für zulässig befunden, obwohl bestimmte vom Anspruch abgedeckte Ausführungsarten nicht ausgeführt werden konnten (s. a. T 292/85, ABl. EPA 1989, 275, Polypeptid-Expression/GENENTECH I). Der von der vorlegenden Kammer vermutete Bruch besteht also nicht. Vielmehr zeigen die Beispiele, daß die von der Kammer aufgestellte Regel, wonach eine Erfindung nicht patentierbar ist, wenn sie eine Ausführungsart umfaßt, die die Patentierungserfordernisse nicht erfüllt, nicht ohne Ausnahme gilt. Bei der Beantwortung der Frage “Welche Auslegung ist die richtige?” ist daher dem Zusammenhang wie auch dem Sinn und Zweck der Bestimmung Rechnung zu tragen. Außerdem ist auf den Parallelfall bei Tieren in T 19/90 (ABl. EPA 1990, 476, Krebsmaus/HARVARD, Nr. 4.8 der Entscheidungsgründe) hinzuweisen, wo die Zurückweisung der Anmeldung, die damit begründet wurde, daß Artikel 53 b) EPÜ Tiere vom Patentschutz ausschließe, aufgehoben und die Sache an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen wurde, die untersuchen sollte, ob der Gegenstand der Anmeldung eine Tierart sei.
3.4 In der Vorlageentscheidung heißt es ganz richtig, daß Artikel 53 b) EPÜ auf Artikel 2 b) des Straßburger Patentübereinkommens (SPÜ) zurückgeht. Die Entstehungsgeschichte kann das Verständnis des Artikels 53 b) EPÜ erleichtern, weil seine Bestimmungen zur Patentierbarkeit eng an die entsprechenden Bestimmungen des SPÜ angelehnt sind (Haertel, Münchner Gemeinschaftskommentar zum EPÜ, Einführung, München, 1984, Geschichtliche Entwicklung, Nr. 28; Mousseron, Traité des Brevets, Paris, 1984, Nr. 145, S. 165). Die Bestimmung des SPÜ zu Pflanzensorten unterscheidet sich aber in einem wichtigen Aspekt von der des EPÜ: Während Pflanzensorten nach Artikel 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen sind, sieht Artikel 2 b) SPÜ vor, daß die Vertragsstaaten nicht verpflichtet sind, die Erteilung von Patenten für Pflanzensorten vorzusehen (Hervorhebung durch die Kammer). Mit anderen Worten: Das EPÜ hat eine konkrete Vorgehensweise gewählt, während das SPÜ es den nationalen Gesetzgebern überließ, sich für eine von mehreren Möglichkeiten zu entscheiden.
Dieser offene Ansatz im SPÜ sollte ein Dilemma lösen, in das der Gesetzgeber ansonsten geraten wäre: Auf der einen Seite sind die SPÜ-Vertragsstaaten nach Artikel 1 SPÜ verpflichtet, für alle Erfindungen, die gewerblich anwendbar und neu sind sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, Patente zu erteilen. Auf der anderen Seite konnten die UPOV-Mitgliedstaaten nach Artikel 2 (1) des UPOV-Übereinkommens von 1961 das Züchterrecht durch die Gewährung eines besonderen Schutzrechtes oder eines Patents zuerkennen. Ein gleichzeitiger Schutz für dieselbe botanische Gattung oder Art war aber nicht zulässig. Aufgrund dieses sogenannten Doppelschutzverbots (das im UPOV-Übereinkommen 1991 wieder fallengelassen wurde) mußten die Mitgliedstaaten des Europarats Pflanzensorten vom Patentschutz ausschließen, für die Pflanzenzüchterrechte erlangt werden konnten (Mousseron, s. o., Nr. 429, S. 449; Deutschland: Denkschrift zum Straßburger Patentübereinkommen, Bundestagsdrucksache 73712, zu Art. 2, S. 379, Nr. 1). Somit waren Pflanzensorten nach dem SPÜ nicht per se vom Patentschutz ausgeschlossen; vielmehr wurde diese Frage bewußt offengelassen (Denkschrift, s. o., S. 378, letzter vollständiger Absatz).
Zum damaligen Zeitpunkt war bekannt, daß Verfahren zur Erzeugung höherer Lebensformen und die entsprechenden Erzeugnisse besondere Probleme hinsichtlich der Patentierungskriterien – insbesondere in bezug auf die Nacharbeitbarkeit – aufwarfen. In verschiedenen europäischen Staaten wurden aber Patente für Pflanzensorten erteilt (bez. Deutschlands s. Wuesthoff, Biologische Erfindungen im Wandel der Rechtsprechung, GRUR 1977, 404, S. 407; bez. anderer Staaten s. Neumeier, Sortenschutz und/oder Patentschutz für Pflanzenzüchtungen, Köln, 1990, S. 31 ff.). Bei der Umsetzung des Artikels 2 b) SPÜ schlossen mehrere Vertragsstaaten die Erteilung von Patenten lediglich für diejenigen Pflanzensorten aus, die im Anhang zum Sortenschutzgesetz aufgeführt waren (Belgien: Art. 4 (1) Nr. 1 des Gesetzes vom 28. März 1984; Deutschland: § 1 (2) Nr. 2 PatG 1968 idF des Sortenschutzgesetzes v. 20. Mai 1968; Frankreich: Art.7 (2) Abs. 4 des Gesetzes N 68-1, geändert durch Art. 34 des Gesetzes Nr. 70-489; Spanien: Art. 5 (1) b) des Gesetzes 11/1986 zu Patenten; siehe auch Berichte der Landesgruppen zu Frage 93 – Biotechnologie, AIPPI-Jahrbuch 1987/V).
Das UPOV-Übereinkommen von 1961 verpflichtete die Vertragsstaaten nicht zum Schutz von Pflanzensorten aller botanischen Gattungen und Arten, sondern sah in Artikel 4 die stufenweise Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen vor. In den Anfangsjahren des Übereinkommens konnten Pflanzenzüchterrechte in den oben angeführten Staaten daher nur für wenige Arten erlangt werden, während für die Mehrheit der Arten kein Ausschluß von der Patentierbarkeit bestand. Insgesamt machen Artikel 2 b) SPÜ und seine Ausführung durch einige der Vertragsstaaten deutlich, daß diese Bestimmung nicht auf der Vorstellung basierte, daß für Pflanzensorten kein Patentschutz erlangt werden sollte. Vielmehr sollte gewährleistet werden, daß Vertragsstaaten keine Patente für Gegenstände erteilen mußten, die aufgrund des Doppelschutzverbots im UPOV-Übereinkommen von 1961 vom Patentschutz ausgeschlossen waren. Somit ist zu klären, ob sich Artikel 53 b) EPÜ von seinem Zweck her von der entsprechenden Bestimmung des SPÜ unterscheidet.
3.5 Bei der Abfassung der Patentierungserfordernisse des EPÜ orientierte sich der Gesetzgeber an der bereits durch das SPÜ erzielten Harmonisierung im Rahmen des Europarats (Memorandum über die Einführung eines europäischen Patenterteilungsverfahrens, Dok. BR/2/69, Teil II.1; Berichte zum Vorentwurf eines Übereinkommens über ein europäisches Patenterteilungsverfahren, Luxemburg, 1970, Generalbericht, Nr. 5; Art.10 b) dieses Entwurfs ist mit der endgültigen Fassung von Art. 53 b) EPÜ identisch). Anfang der 60er Jahre gingen die Arbeiten an beiden Übereinkommen parallel vonstatten. Während die meisten Bestimmungen des SPÜ zur Patentierbarkeit einfach in das EPÜ übernommen werden konnten, war dies bei Artikel 2 b) SPÜ nicht der Fall, weil entschieden werden mußte, ob vom möglichen Ausschluß von Patenten für Pflanzensorten Gebrauch gemacht werden sollte. Dem Gesetzgeber erschien es nicht angezeigt, die Erteilung von Patenten für Pflanzensorten generell zuzulassen, weil einige EPÜ-Vertragsstaaten den Schutz von Pflanzensorten nach dem UPOV-Übereinkommen anboten und nach dem Doppelschutzverbot keine entsprechenden Patente erteilen durften. Auch war es nach dem EPÜ nicht möglich, nur solche Pflanzensorten vom Patentschutz auszuschließen, für die ein Pflanzenzüchterrecht erlangt werden konnte (wie es im nationalen Recht Belgiens, Deutschlands, Frankreichs und Spaniens der Fall war, s. voriger Punkt). Pflanzenzüchterrechte waren auf europäischer Ebene nicht erhältlich; auf nationaler Ebene war ihre Zuerkennung von Land zu Land unterschiedlich geregelt. Die spezifischen Gegebenheiten in jedem benannten Staat bei jeder einzelnen Anmeldung zu berücksichtigen, hätte gegen den Grundsatz des in allen Vertragsstaaten einheitlichen Patentschutzes (vgl. Art. 118 EPÜ) verstoßen. Daher war es das Nächstliegende, von der in Artikel 2 b) SPÜ enthaltenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Erteilung von Patenten für Pflanzensorten generell auszuschließen (Mousseron, s. o., Nr. 429, S. 450).
3.6 Diese Umstände legen nahe, daß der Zweck des Artikels 53 b) EPÜ dem des Artikels 2 b) SPÜ entspricht: Europäische Patente sollten nicht für Gegenstände erteilt werden, die aufgrund des Doppelschutzverbots im UPOV-Übereinkommen von 1961 vom Patentschutz ausgeschlossen waren. Dies wird durch die kurze Anmerkung in den “Travaux préparatoires” bestätigt, wonach die Bestimmung im EPÜ dem Artikel 2 des Straßburger Patentübereinkommens entspricht (Berichte zum Vorentwurf, s. o., Bericht der britischen Delegation über die Art. 1 bis 30, S. 12, Nr. 25).
3.7 Demnach war beabsichtigt, daß Erfindungen, für die kein Sortenschutz erlangt werden konnte, nach dem EPÜ patentierbar sein sollten, falls sie die weiteren Patentierungserfordernisse erfüllten.
Die Idee, den im EPÜ verankerten Ausschluß an die Verfügbarkeit von Schutz nach dem UPOV-Übereinkommen zu koppeln, kam in der Anfangsphase der vorbereitenden Arbeiten zum EPÜ zum Ausdruck. In den Bemerkungen zu Artikel 12 des Haertel-Entwurfs 1961, wonach Erfindungen für Verfahren zur Züchtung von Pflanzensorten oder Tierarten vom Patentschutz ausgeschlossen werden sollten, hieß es, daß noch zu prüfen sei, ob die Patentierbarkeit technischer Verfahren zur Züchtung neuer Pflanzen (z. B. durch Bestrahlung) ausdrücklich in den Entwurf aufgenommen werden müsse oder ob sich dies aus allgemeinen Grundsätzen von selbst verstehe. Zuvor waren in der “Haertel-Studie” vom 7. Juli 1960 (S. 13 f.) die parallelen Arbeiten am UPOV-Übereinkommen im Zusammenhang mit möglichen Ausnahmen von der Patentierbarkeit angesprochen worden.
Dies deckt sich mit den Anmerkungen von Pfanner zu Artikel 2 b) SPÜ, nachdem sich die Mitgliedstaaten des Europarats mehrheitlich dafür entschieden hatten, Pflanzensorten durch Pflanzenzüchterrechte und nicht durch Patente zu schützen (Vereinheitlichung des materiellen Patentrechts im Rahmen des Europarats, GRUR Int. 1962, 545, S. 548). Außerdem wurde der Unterschied zwischen biologischen und technischen Züchtungsverfahren auch in der EWG-Arbeitsgruppe “Patente” erörtert (Bericht über die 5. Sitzung, Dok. IV/2767/61, S. 8). Nach Konsultation der interessierten Kreise wurde beschlossen, eine Klarstellung zu Artikel 10 b) des Entwurfs vom Mai 1962 aufzunehmen, wonach der Ausschluß nicht für mikrobiologische Verfahren und ihre Erzeugnisse gelte (Bericht über die 10. Sitzung, Dok. 9081/IV/63, S. 65). Diese geschichtliche Entwicklung deutet zumindest auf die Absicht hin, biologische Entwicklungen, für die das Patentsystem weniger geeignet ist, nach dem Pflanzenzüchterrecht zu schützen (Pfanner, s. o.), und technische Erfindungen, die sich auf Pflanzen beziehen, im Patentsystem zu belassen.
Die “Travaux préparatoires” enthalten keinerlei Hinweis darauf, daß Artikel 53 b) EPÜ Gegenstände ausschließen könnte oder gar sollte, für die kein Sortenschutz erlangt werden konnte. Auch von Seiten der Pflanzenzüchter trat man für eine Harmonisierung des Sortenschutzrechts und des Patentrechts ein und forderte, daß diese beiden Schutzrechtsformen ein einziges umfassendes System des gewerblichen Rechtsschutzes für Innovationen im Bereich von Pflanzen bilden sollten, das weder Überschneidungen noch Lücken beim Schutz der in Frage kommenden Gegenstände aufweisen sollte (Böringer, s. o., Nr. 3.2.3). Diesbezüglich unterscheidet sich der Zweck des Artikels 53 b) EPÜ deutlich von dem des Artikels 52 (4) EPÜ. Letzterer nimmt Lücken bei den patentierbaren Gegenständen bewußt in Kauf, um die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten (G 1/83, ABl. EPA 1985, 60 – zweite medizinische Indikation/BAYER, Nr. 22 der Entscheidungsgründe). Der in der Vorlageentscheidung gezogene Vergleich mit Artikel 52 (4) EPÜ (Nr. 62 ff. der Entscheidungsgründe) trägt daher nicht zur zutreffenden Auslegung des Artikels 53 b) EPÜ bei.
3.8 Wie bereits angeführt, ist ein Anspruch, der Pflanzensorten umfaßt, sie aber nicht individuell angibt, nicht auf eine oder mehrere Pflanzensorten gerichtet (s. Nr. 3.1). Daraus folgt, daß eine solche Erfindung nicht durch ein Pflanzenzüchterrecht geschützt werden kann, das pflanzliche Gesamtheiten betrifft die nicht durch einzelne Merkmale, sondern durch ihr gesamtes Genom definiert sind (Greengrass, Recent Phenomena in the Protection of Industrial Property, Plant Variety Protection No. 57, 1989, S. 28 ff., hier: S. 57). Während der Züchter im Falle einer Pflanzensorte eine pflanzliche Gesamtheit entwickeln muß, die insbesondere die Erfordernisse der Homogenität und Stabilität erfüllt, ist dies bei einem Anspruch für eine typische Erfindung im Bereich der Gentechnik, auf die sich Frage 2 bezieht, nicht der Fall. Dort geht es dem Erfinder darum, eine Möglichkeit zu finden, um Pflanzen durch die Einschleusung eines Gens in ihr Genom eine gewünschte Eigenschaft zu verleihen. Die Bereitstellung dieser Möglichkeit ist ein Schritt, der dem nächsten Schritt – der Einführung des Gens in eine bestimmte Pflanze – vorausgeht. Aber gerade der Beitrag des auf dem Gebiet der Gentechnik tätigen Erfinders ermöglicht den zweiten Schritt, nämlich die Insertion des Gens in das Genom jeder geeigneten Pflanze oder Pflanzensorte. Die Auswahl der passenden Pflanze und die Gewinnung eines bestimmten marktfähigen Erzeugnisses, das in der Regel eine Pflanzensorte sein wird, sind routinemäßige züchterische Verfahrensschritte, die durch ein Pflanzenzüchterrecht belohnt werden können. Müßte sich der auf dem Gebiet der Gentechnik tätige Erfinder auf bestimmte Pflanzensorten beschränken, so würde er keinen angemessenen Schutz erhalten, und dies aus zwei Gründen: Zum einen würde die Entwicklung spezifischer Pflanzensorten wohl oft nicht in seinem Tätigkeitsbereich liegen, und zum anderen wäre er immer auf einige Pflanzensorten beschränkt, auch wenn er Möglichkeiten zur Insertion des Gens in alle geeigneten Pflanzen bereitgestellt hätte.
3.9 Auf die von Greenpeace erhobenen Einwände gegen die Patentierbarkeit nach Artikel 53 a) EPÜ muß bei der Beantwortung der vorgelegten Fragen nicht eingegangen werden. Allerdings räumt die Kammer ein, daß die hier angesprochenen Fragen für weite Teile der Öffentlichkeit von Interesse sind. Daher sei angemerkt, daß Artikel 52 (1) EPÜ den allgemeinen Grundsatz enthält, wonach Erfindungen patentierbar sind, die gewerblich anwendbar und neu sind sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (G 1/83, s. o., Nr. 22 der Entscheidungsgründe). Dem EPA steht es nicht zu, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Erteilung von Patenten auf bestimmten Gebieten zu berücksichtigen und den Bereich der patentierbaren Gegenstände entsprechend einzuschränken. Für einen Ausschluß nach Artikel 53 a) EPÜ ist maßgeblich, ob die Veröffentlichung oder Verwertung der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Auch wenn die Gentechnik in der Gesellschaft kontrovers diskutiert wird (s. z. B. die Beiträge in Eposcript, Vol. 1, München, 1993, Genetic Engineering – The New Challenge), wird ihr Einsatz bei der Züchtung von Pflanzen nach den oben angeführten Kriterien in den Vertragsstaaten nicht einhellig verurteilt. Ganz im Gegenteil wird die Förderung der Innovation in diesem Bereich in Europa in der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Nr. 98/44/EG vom 6. Juli 1998 [nachstehend “Biotechnologierichtlinie” genannt]) als erforderlich bezeichnet. So trägt Artikel 12 dieser Richtlinie den Interessen der Pflanzenzüchter Rechnung, die ein Sortenschutzrecht nicht erhalten oder verwerten können, ohne ein Patent zu verletzen. Unter den in Absatz 3 dieses Artikels angeführten Bedingungen hat ein Pflanzenzüchter gegen Zahlung einer angemessenen Vergütung Anspruch auf eine Zwangslizenz. Die Möglichkeiten des Patentinhabers, das Patent zur Begrenzung des Zugangs auf wichtiges Zuchtmaterial einzusetzen, sind dadurch erheblich eingeschränkt.
3.10 Im Ergebnis liegt ein “Patent für Pflanzensorten” im Sinne von Artikel 53 b) EPÜ vor, das nicht erteilt werden darf, wenn der beanspruchte Gegenstand auf Pflanzensorten gerichtet ist. Ist in einem Erzeugnisanspruch keine bestimmte Pflanzensorte individuell angegeben, so ist der Gegenstand der beanspruchten Erfindung nicht im Sinne des Artikels 53 b) EPÜ auf eine oder mehrere Pflanzensorten gerichtet. Entgegen den Schlußfolgerungen der vorlegenden Kammer entspricht es daher den allgemeinen Gesetzen der Logik, daß ein Patent nicht für eine einzelne Pflanzensorte, wohl aber dann erteilt werden kann, wenn Pflanzensorten unter den Anspruch fallen können. Die Schlußfolgerung der vorlegenden Kammer beruht auf der Prämisse, daß ein Anspruch zwangsläufig “auf” einen bestimmten Gegenstand “gerichtet ist”, wenn er diesen Gegenstand umfassen könnte. Was den Artikel 53 b) EPÜ betrifft, so widerspricht diese Auslegung – wie oben ausgeführt – dem Zweck der Bestimmung, weil sie nicht berücksichtigt, daß Artikel 53 b) EPÜ die Grenze zwischen Patentschutz und Sortenschutz bestimmt. Der Umfang des Ausschlusses von der Patentierung ist das Gegenstück zur Verfügbarkeit von Sortenschutz. Sortenschutzrechte werden nur für konkrete Pflanzensorten erteilt, aber nicht für technische Lehren, die in einer unbestimmten Vielzahl von Pflanzensorten verwirklicht werden können. Hier geht es nicht um eine rechnerische Frage, sondern um den Zweck von Sortenschutzrechten, die konkrete, in Landwirtschaft und Gartenbau eingesetzte Erzeugnisse schützen sollen (Wuesthoff/Leßmann/Würtenberger, s. o., Nr. 96). Dementsprechend erscheint auch das in den “amicus curiae briefs” angeführte Beispiel, daß bei einem Verbot der Bigamie die Polygamie nicht erlaubt sein könne, zwar auf den ersten Blick plausibel, erweist sich dann aber als weniger überzeugend. Ebenso wie es nach dem Verbot der Bigamie untersagt ist, mehrere Personen zu heiraten, ist es nämlich auch nicht zulässig, mehrere konkrete Pflanzensorten zu beanspruchen. Ein Ausschluß nach Artikel 53 b) EPÜ kommt nicht schon dann zum Tragen, wenn eine oder mehrere Pflanzensorten unter die Ansprüche fallen oder fallen könnten.
4. Frage 3
Relevanz von Artikel 64 (2) EPÜ
Diese Frage ist zwar allgemeiner gefaßt, scheint sich aber nur auf Verfahrensansprüche zu beziehen (s. Nrn. 80, 88 der Entscheidungsgründe). Ausgehend davon, daß Ansprüche für Pflanzen keine Pflanzensorten umfassen dürfen, stellt die vorlegende Kammer die Frage, ob Verfahrensansprüche nach Artikel 64 (2) EPÜ zulässig sind, wenn das durch das beanspruchte Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis eine Pflanzensorte ist oder umfaßt. Nach der Beantwortung der vorangegangenen Frage scheint die Frage 3 an Relevanz verloren zu haben: Wenn ein Erzeugnisanspruch eine Pflanzensorte umfassen kann, ist das Argument, daß der aus einem Verfahrensanspruch abgeleitete Schutz für die Pflanzensorte nicht damit vereinbar sein könnte, nahezu hinfällig. Zur Vermeidung jeglichen Zweifels soll die Frage 3 in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung beantwortet werden, wonach sich der Schutz eines Verfahrenspatents auf die unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse erstreckt, auch wenn diese per se nicht patentierbar sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 3. Auflage 1998, II.B.6.1 und 6.2). Diese Praxis trägt dem Zweck der Bestimmung Rechnung und steht in Einklang mit ihrer Position im EPÜ. Die Patentierungserfordernisse, die vom EPA geprüft werden müssen, sind in Kapitel I des zweiten Teils des EPÜ (Artikel 52 bis 57) enthalten; Artikel 64 (2) EPÜ gehört zu Kapitel III des zweiten Teils mit den Bestimmungen zu den Wirkungen der Patente und Patentanmeldungen und ist von den Gerichten anzuwenden, die in Verletzungssachen entscheiden. Auch die vorlegende Kammer kommt zu dem Ergebnis, daß Artikel 64 (2) EPÜ die Prüfung von Ansprüchen zur Erzeugung von Pflanzen nicht betreffe (Nr. 88 der Entscheidungsgründe). Wenn kein Erzeugnisschutz erlangt werden kann, ist der Schutz des durch ein patentiertes Verfahren hergestellten Erzeugnisses von besonderer Bedeutung (Hahn, Der Schutz von Erzeugnissen patentierter Verfahren, Köln, 1968, S. 196 ff.; Mathély, Le droit européen des brevets d’invention, Paris, 1978, S. 368 ff.). Dieser Zweck macht auch deutlich, daß der Schutz von Erzeugnissen patentierter Verfahren nichts mit “Product-by-process”-Ansprüchen zu tun hat, die zwar Verfahrensmerkmale enthalten, aber zur Kategorie der Erzeugnisansprüche gehören, während sich der derivierte Erzeugnisschutz aus einem Verfahrensanspruch ableitet (BGH 1 IIC 136 – Rote Taube, Nr. II.B.2 der Entscheidungsgründe).
5. Frage 4
Pflanzensorten als Erzeugnisse von Verfahren, bei denen die rekombinante Gentechnik eingesetzt wird
5.1 Bei der Beantwortung der Frage 4 könnte man die genetische Veränderung von Pflanzenmaterial als mikrobiologisches Verfahren im Sinne des Artikels 53 b) zweiter Halbsatz EPÜ betrachten. Ausgehend von der Annahme, daß Artikel 53 b) zweiter Halbsatz EPÜ eine “lex specialis” ist, könnte gefolgert werden, daß die “lex generalis” im ersten Halbsatz dieser Bestimmung nicht für Fälle gilt, die durch die “lex specialis” abgedeckt sind.
5.2 Gentechnische Verfahren und mikrobiologische Verfahren sind aber nicht identisch. In dieser Bestimmung wurde der Begriff “mikrobiologische Verfahren” als Synonym für Verfahren gebraucht, bei denen Mikroorganismen verwendet werden. Mikroorganismen sind etwas anderes als die Teile von Lebewesen, mit denen bei der genetischen Veränderung von Pflanzen gearbeitet wird. Zwar werden Zellen und deren Bestandteile nach der bestehenden Praxis des EPA durchaus wie Mikroorganismen behandelt (T 356/93, Pflanzenzellen/PLANT GENETIC SYSTEMS, ABl. EPA 1995, 545, Nrn. 32 bis 34 der Entscheidungsgründe). Dies erscheint gerechtfertigt, weil sich die moderne Biotechnologie aus der traditionellen Mikrobiologie entwickelt hat und Zellen mit einzelligen Organismen vergleichbar sind.
5.3 Dies bedeutet aber nicht, daß genetisch veränderte Pflanzen als Erzeugnisse mikrobiologischer Verfahren im Sinne des Artikels 53 b) zweiter Halbsatz EPÜ zu behandeln sind. Eine solche Analogie und formale Anwendung von Auslegungsregeln würde dem oben dargelegten Zweck des Ausschlusses zuwiderlaufen (Nr. 3.6 f.). Der Ausschluß in Artikel 53 b) EPÜ wurde ja dazu geschaffen, um Gegenstände von der Patentierbarkeit auszuschließen, für die Sortenschutz erlangt werden kann.
Wie bereits von der vorlegenden Kammer herausgestellt wurde, spielt es für die Erfordernisse nach dem UPOV-Übereinkommen oder nach der Verordnung über den Sortenschutz keine Rolle, wie eine Pflanzensorte gewonnen wurde. Für die Kriterien der Unterscheidbarkeit, Homogenität und Stabilität und die entsprechende Prüfung ist nicht maßgeblich, ob eine Pflanzensorte das Ergebnis herkömmlicher Züchtungsverfahren ist oder ob eine unterscheidbare pflanzliche Gesamtheit unter Verwendung gentechnischer Verfahren erzeugt wurde. Dies bedeutet, daß der Begriff “Pflanzensorte” unabhängig vom Ursprung der Pflanzensorte zur Bestimmung der Grenze zwischen Patentschutz und Sortenschutz dienen kann. Das Argument, die Verfasser des EPÜ hätten die Möglichkeit genetisch veränderter Pflanzensorten nicht vorhergesehen und daher nicht die Absicht haben können, sie von der Patentierbarkeit auszuschließen, kann nicht akzeptiert werden. Die Anwendung von Gesetzen ist nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, die dem Gesetzgeber bekannt sind. Da Pflanzensorten ausgeschlossen sind, geht es nur um die Umstände, unter denen sie ausgeschlossen sind. Die Große Beschwerdekammer pflichtet der vorlegenden Kammer darin bei, daß die Hersteller von Pflanzensorten nur deshalb, weil sie diese mit der Gentechnik gewinnen, nicht bessergestellt werden sollten als Züchter von Pflanzensorten, die nur mit herkömmlichen Züchtungsverfahren arbeiten (Nr. 92 der Entscheidungsgründe). Angesichts des Zwecks des Artikels 53 b) EPÜ muß die Frage 4 verneint werden. Artikel 4 (1) b) und (3) der Biotechnologierichtlinie entspricht in seiner Wortwahl dem Artikel 53 b) EPÜ und ist in dem oben dargelegten Sinne auszulegen, weil laut Erwägungsgrund 32 der Richtlinie eine durch genetische Veränderung einer bestimmten Pflanzensorte neu gewonnene Pflanzensorte selbst dann vom Patentschutz ausgeschlossen ist, wenn die genetische Veränderung das Ergebnis eines biotechnologischen Verfahrens ist.
6. Frage 1
Umfang der Prüfung nach Artikel 53 b) EPÜ
Die meisten der von der vorlegenden Kammer unter der Frage 1 angesprochenen Probleme sind bereits in den Antworten zu den Fragen 2 bis 4 behandelt worden. Das trifft nicht für die Frage zu, wie zu entscheiden ist, ob es sich bei einem Verfahren um ein “im wesentlichen biologisches Verfahren” handelt.
Bezüglich des in der Streitanmeldung beanspruchten Verfahrens zur Erzeugung transgener Pflanzen wurde in der Vorlageentscheidung der Einwand erhoben, daß die Ansprüche nicht deutlich und knapp gefaßt seien, weil die Verfahrensschritte nicht genau angegeben seien (Nr. 23 ff. der Entscheidungsgründe). Vielmehr würden alle zu der angegebenen Pflanze führenden Wege beansprucht, darunter auch “im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen”, die unter das im ersten Halbsatz enthaltene Patentierungsverbot des Artikels 53 b) EPÜ fielen. Bezüglich des Verfahrensschritts der Kreuzung mittels herkömmlicher Züchtungsverfahren stelle sich die Frage, welche Verfahrensschritte im Hinblick auf dieses Verbot in einem Anspruch zulässig seien. In ihrer an die Große Beschwerdekammer gerichteten Stellungnahme zur Vorlageentscheidung erläuterte die Beschwerdeführerin, daß sie über diese Einwände nicht früher unterrichtet worden sei. Sie erklärte sich bereit, die erforderlichen Änderungen vorzunehmen, um diese formalen Einwände auszuräumen. Dieses Angebot deutet auf die Bereitschaft der Beschwerdeführerin hin, die Verfahrensansprüche auf genau angegebene Verfahrensschritte zu beschränken, um im wesentlichen biologische Verfahren auszuschließen. Angesichts dieser Tatsache ist die Relevanz der Frage, wie zu entscheiden ist, ob es sich bei einem Verfahren um ein im wesentlichen biologisches Verfahren handelt, für die Anmeldung, die zur Vorlage der Frage geführt hat, noch nicht geklärt. Eine entsprechende Beurteilung ist aber ohne einen konkreten Sachverhalt nicht zweckmäßig.
Aus diesen Gründen erübrigt sich eine weitere Beantwortung der Frage 1 über die bereits zu den Fragen 2 bis 4 erteilten Antworten hinaus.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Rechtsfragen werden wie folgt beantwortet:
1. Siehe Antworten auf die Fragen 2 bis 4.
2. Ein Anspruch, in dem bestimmte Pflanzensorten nicht individuell beansprucht werden, ist nicht nach Artikel 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfaßt.
3. Bei der Prüfung eines Anspruchs für ein Verfahren zur Züchtung einer Pflanzensorte ist Artikel 64 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen.
4. Das Patentierungsverbot des Artikels 53 b) erster Halbsatz EPÜ gilt für Pflanzensorten unabhängig davon, auf welche Weise sie erzeugt wurden. Daher sind Pflanzensorten, in denen Gene vorhanden sind, die mittels der rekombinanten Gentechnik in eine Elternpflanze eingebracht wurden, vom Patentschutz ausgeschlossen.