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European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2000:T047398.20000905
Datum der Entscheidung: 05 September 2000
Aktenzeichen: T 0473/98
Anmeldenummer: 86307104.9
IPC-Klasse: H01F 27/36
Verfahrenssprache: EN
Verteilung: A
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Fassungen: OJ
Bezeichnung der Anmeldung:
Name des Anmelders: BTG INTERNATIONAL LIMITED
Name des Einsprechenden: GENERAL ELECTRIC COMPANY
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: I. Im Interesse eines insgesamt effizienten und zügigen Verfahrens ist es durchaus sachdienlich und sinnvoll, daß eine Einspruchsabteilung in die Begründung einer Widerrufsentscheidung nach Artikel 102 (1) EPÜ, bei der die standardmäßige Entscheidungsformel benutzt wird, als obiter dicta Feststellungen aufnimmt, die eine Zurückverweisung verhindern könnten, falls der Widerruf im Beschwerdeverfahren aufgehoben wird (2.4).
II. Ein Einsprechender ist durch solche dem Patentinhaber zum Vorteil gereichende Feststellungen in einer Widerrufsentscheidung nicht beschwert; der Patentinhaber ist, was solche Feststellungen betrifft, als alleiniger Beschwerdeführer nicht vor einer reformatio in peius geschützt (2.1 bis 2.6).
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(3)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention 1973 Art 64
European Patent Convention 1973 Art 68
European Patent Convention 1973 Art 83
European Patent Convention 1973 Art 100(a)
European Patent Convention 1973 Art 100(b)
European Patent Convention 1973 Art 106(3)
European Patent Convention 1973 Art 107
European Patent Convention 1973 Art 111(1)
Schlagwörter: “Einsprechender durch Widerrufsentscheidung beschwert, die Feststellungen zum Vorteil des Patentinhabers enthält – (verneint)”
“unzureichende Offenbarung – (verneint)”
“Neuheit – (bejaht)”
“erfinderische Tätigkeit – (bejaht)”
Orientierungssatz:

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
J 0012/85
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0182/00
T 0199/00
T 0388/00
T 0981/01
T 0675/03
T 0725/05
T 1113/06
T 0193/07
T 1265/07
T 0361/08
T 0025/09
T 0612/09

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegenden Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen den Widerruf des europäischen Patents Nr. 216 590 durch die Einspruchsabteilung. Der Widerruf wurde damit begründet, daß der Gegenstand von Anspruch 3 des Patents angesichts der Entgegenhaltung

E2: EP-A-0 138 270

nicht neu sei. Weitere für die Beschwerde relevante Unterlagen des Stands der Technik sind:

D1: EP-A-0 231 879

D2: EP-A-0 167 243

E1: US-A-3 466 499

E11: US-A-4 310 799

II. Im Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung ist die Entscheidungsverkündung wie folgt festgehalten:

“Nach einer Unterbrechung verkündete der Vorsitzende die endgültige Entscheidung, wonach das Streitpatent wegen mangelnder Neuheit des Gegenstands von Anspruch 3 gegenüber E2 widerrufen wird. Der Vorsitzende hob hervor, daß diese Entscheidung die folgenden weiteren Entscheidungen der Einspruchsabteilung mit umfaßt:

– die Anmeldung entspricht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ,

– Anspruch 1 steht die früheste Priorität P1 zu,

– der Gegenstand des Anspruchs 1 in der endgültigen, während der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung ist neu und entspricht den Erfordernissen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ,

– der Gegenstand des Anspruchs 14 ist neu gegenüber D1, E2 bzw. D2 und erfinderisch gegenüber E2 bzw. einer Kombination aus E2 und D2,

– die Druckschrift US-A-4 310 799 wird in das Verfahren eingeführt.”

Diese Passage aus dem Protokoll wird in den Gründen der angefochtenen Entscheidung wieder aufgegriffen, zu der auch die begründeten Feststellungen gehören, daß

den Ansprüchen 1 und 3 die Priorität vom 20. September 1985 und dem Anspruch 14 die Priorität vom 19. Juni 1986 zustehe,

die Änderungen des Anspruchs 1 nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ zulässig seien,

der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 neu sei,

der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 14 neu und erfinderisch sei.

III. Am 5. September 2000 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, in deren Verlauf die Patentinhaberin eine Reinschrift des Anspruchs 1 in der im Einspruchsverfahren geänderten Fassung sowie Änderungen vorlegte, mit denen die Beschreibung an den geänderten Anspruch 1 angepaßt wurde. Die Einsprechende blieb der mündlichen Verhandlung ohne Ankündigung oder Begründung fern.

IV. Anspruch 1 lautet wie folgt:

“Verfahren zum Entwerfen einer widerstandsbehafteten Abschirmspule für ein NMR-Bildgebungsgerät zum selektiven Abschirmen des Felds einer Magnetspule, umfassend das Berechnen der induzierten Stromverteilung in einer hypothetischen kontinuierlichen supraleitenden Metalloberfläche, die am Ort der Drähte der Abschirmspule angeordnet ist, und das anschließende Berechnen der Lage dieser Drähte und der Stromverteilung innerhalb dieser Drähte zur Approximierung der induzierten Stromverteilung, so daß die Abschirmung als vollständiger Reflektor des Magnetfelds wirkt.”

Anspruch 2 ist von Anspruch 1 abhängig.

Anspruch 3 lautet wie folgt:

“Abschirmung für ein durch eine elektrische Spule erzeugtes Magnetfeld, die das Verfahren gemäß Anspruch 1 umsetzt, wobei die Abschirmung einen Satz elektrischer Leiter umfaßt sowie Mittel zur Speisung der Leiter dieses Satzes mit elektrischen Strömen, wobei die elektrischen Leiter der Abschirmung so angeordnet sind und die elektrischen Ströme, mit denen die Leiter gespeist werden, näherungsweise eine solche Größe aufweisen, daß die Bedingungen dafür erfüllt sind, daß die Komponente des Magnetfelds senkrecht zur Abschirmung gleich Null ist und die tangentialen Magnetfeldkomponenten gleich den jeweiligen orthogonalen Stromdichten in der Abschirmung sind, so daß das Magnetfeld auf der der elektrischen Spule abgewandten Seite der Abschirmung an allen Punkten im wesentlichen Null ist.”

Die Ansprüche 4 bis 13 sowie Anspruch 15 sind weitere Abschirmungs-, d. h. Vorrichtungsansprüche, die von Anspruch 3 abhängig sind. Anspruch 14 ist ein unabhängiger Vorrichtungsanspruch mit folgendem Wortlaut:

“Abschirmsystem für ein durch eine Spule erzeugtes Magnetfeld, wobei die Spule von zwei oder mehr aktiven magnetischen Abschirmspulen umgeben ist, die mit Strom gespeist werden, wobei jede Abschirmspule einen Satz elektrischer Leiter und Mittel zur Speisung der Leiter dieses Satzes mit elektrischen Strömen umfaßt, dadurch gekennzeichnet, daß das System eine innere und eine äußere Abschirmung umfaßt, wobei die innere Abschirmung zwischen der Spule und der äußeren Abschirmung liegt, die Größen der elektrischen Ströme so bemessen sind, daß kein merkliches Magnetfeld außerhalb der äußeren Abschirmung vorhanden ist und das Feld innerhalb der inneren Abschirmung im wesentlichen dem Feld entspricht, das durch die Spule erzeugt würde, wenn die Abschirmungen nicht vorhanden wären.”

V. Die Patentinhaberin argumentierte im wesentlichen wie folgt:

Die in E2 offenbarte Abschirmspule sei nicht von derselben Bauart wie die in Anspruch 3 des Streitpatents beanspruchte. Das von der E2-Abschirmung erzeugte Feld sei anders als das von der Streitpatent-Abschirmung erzeugte, was aus den drei Kurven in dem von ihr zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten und als Anlage IIE bezeichneten Dokument hervorgehe. Die erste Kurve zeige das nicht abgeschirmte Feld, das bei – 1 000 Gauss (- 100 mT) in unmittelbarer Nähe der Abschirmung beginne, langsam und stetig auf einen Höchstwert von + 500 Gauss (+ 50 mT) in einer Entfernung von 2 m ansteige und wiederum langsam und stetig bis auf einen Wert von im wesentlichen Null irgendwo jenseits einer Entfernung von 5 m abfalle. Die zweite Kurve, die das Feld einer nach der Lehre von E2 gebauten Abschirmspule zeige, beginne bei einem Wert von ca. – 300 Gauss (- 30 mT), oszilliere heftig in einer Bandbreite zwischen einem Höchstwert von ca. + 900 Gauss (+ 90 mT) und einem Tiefstwert von ca. – 600 Gauss (- 60 MT) in einem Bereich, der sich bis zu einer Entfernung von ca. 2,5 m erstrecke. Erst außerhalb dieses Bereichs nehme das Feld an Stärke ab und erreiche einen Wert von im wesentlichen Null. Im Gegensatz dazu werde in der dritten Kurve, die dem Feld einer Abschirmung gemäß Anspruch 3 des Streitpatents entspreche, eine Feldstärke von im wesentlichen Null nicht erst jenseits von 2,5 m erreicht, sondern bereits in unmittelbarer Nähe der Abschirmung.

Die Kurven zeigten, daß das Feld einer nach der Lehre von E2 entworfenen Abschirmspule nicht mit dem Feld identisch sei, das von einer Abschirmspule gemäß Anspruch 3 des Streitpatents erzeugt werde. Da die Felder unterschiedlich seien, müßten zwangsläufig auch die Spulenwicklungen, die diese Felder erzeugten, unterschiedlich sein.

VI. Die Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:

VI.I Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden

a) Die Beschwerde der Einsprechenden richte sich gegen die Entscheidungen der Einspruchsabteilung in bezug auf die Wirksamkeit der jeweiligen Priorität, den Einwand nach Artikel 100

b) EPÜ, die Neuheit des geänderten Anspruchs 1 und die Patentierbarkeit des unabhängigen Anspruchs 14.

b) Im Einspruchsverfahren habe die Einsprechende, gestützt auf die Gründe nach Artikel 100 a) und b) EPÜ, den Widerruf des Patents im gesamten Umfang beantragt. Eine Entscheidung, die besage, daß einer dieser Gründe auf den einen oder anderen Anspruch des Streitpatents nicht zutreffe, laufe diesem Antrag zuwider. Lege man “beschwert” im Sinne der Entscheidung J 12/85 aus, so sei die Beschwerde der Einsprechenden zulässig.

c) Im übrigen sei die angefochtene Entscheidung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige, weil die Einspruchsabteilung ohne Not über die oben genannten Punkte entschieden habe. Die Einsprechende sei gezwungen gewesen, Beschwerde einzulegen, weil angesichts der Entscheidung G 9/92 der Patentinhaber als alleiniger Beschwerdeführer gegen die reformatio in peius geschützt wäre, die mit einer Aufhebung dieser unnötigen Entscheidungen einhergehen würde.

VI.II Sachfragen

a) Anspruch 1

i) Die Änderungen in Anspruch 1 verstießen gegen Artikel 123 (3) EPÜ. Der Ausdruck “widerstandsbehaftet” schließe “supraleitend” ein und stelle deshalb keine Beschränkung des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung dar. Der Verfahrensschritt “Berechnen der induzierten Stromverteilung in einer hypothetischen supraleitenden Metalloberfläche” sei entweder implizit in Anspruch 1 in der erteilten Fassung enthalten – in diesem Fall werde der Einspruchsgrund durch die Einfügung nicht ausgeräumt – oder sei ein Aliud, das den Schutzumfang erweitere.

ii) Anspruch 1 erstrecke sich auch auf Lösungen, für die keine ausführbare Offenbarung vorliege, und werde deshalb unter Berufung auf Artikel 100 b) EPÜ angefochten.

iii) Die im Einspruchsverfahren schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgenommenen Änderungen des Anspruchs 1 würden keine Neuheit verleihen. Die Einfügung “für ein NMR-Bildgebungsgerät” sei kein technisches Merkmal, das das Verfahren zum Entwerfen der Abschirmspule als solches beschränken würde.

iv) Ebensowenig verleihe der Verfahrensschritt “Berechnen der induzierten Stromverteilung in einer hypothetischen kontinuierlichen supraleitenden Metalloberfläche” dem Anspruch Neuheit. In Spalte 4 Zeilen 39 ff. von E1 werde ein “Beispiel für die erforderliche Stromverteilung bei koaxialen geraden Kreiszylindern” beschrieben, in dem “die erforderlichen linearen Stromdichten zur Erzeugung eines äußeren Magnetfelds mit dem Wert Null” anhand konkreter Formeln angegeben, d. h. berechnet würden. Einer dieser Zylinder, der in Spalte 4, Zeilen 29 bis 38 als “äußerer Strommantel 41” bezeichnet werde, sei offenkundig eine hypothetische Fläche, die nur durch die darin enthaltenen Windungen definiert werde (Spalte 7, Zeilen 24 bis 25). Für den Fachmann sei naheliegend, daß die Definitionen der zu berechnenden Stromverteilungen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 und gemäß E1 identisch seien: damit das äußere Magnetfeld Null sei, müsse die in den E1-Zylindern induzierte Stromverteilung dieselbe sein wie die in einer supraleitenden Fläche induzierte Stromverteilung. Somit sei das Verfahren nach Anspruch 1, auch wenn es anders formuliert sei, im wesentlichen mit dem in E1 beschriebenen Verfahren identisch.

b) Anspruch 14

i) Figur 2B von D1 zeige einen Spulensatz, dessen zwei Spulen 20, 30 koaxial angeordnet seien (Seite 6, Zeilen 3 bis 5), so daß ein Feld außerhalb der beiden Spulen Null betrage (Seite 6, Zeilen 17 bis 18). Des weiteren offenbarten die Zeilen 20 bis 23, daß auch mehr als zwei Spulen vorgesehen werden könnten, solange die Summe der Magnetfelder innerhalb des Spulensatzes den gewünschten Gradienten und außerhalb des Spulensatzes einen im wesentlichen Null betragenden Wert aufweise. Hieran würde der Fachmann ohne weiteres Nachdenken erkennen, daß im Bedarfsfall drei oder mehr Spulen ebenfalls konzentrisch angeordnet werden müßten. Anspruch 14 werde also durch D1 vorweggenommen.

ii) Darüber hinaus werde Anspruch 14 in E2 nahegelegt. In der angefochtenen Entscheidung werde davon ausgegangen, daß sich der Gegenstand von Anspruch 14 durch folgendes Merkmal von E2 unterscheide:

“die Größen der elektrischen Ströme [sind] so bemessen, daß kein merkliches Magnetfeld außerhalb der äußeren Abschirmung vorhanden ist und das Feld innerhalb der inneren Abschirmung im wesentlichen dem Feld entspricht, das durch die Spule erzeugt würde, wenn die Abschirmungen nicht vorhanden wären”.

iii) Entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung werde dieses Merkmal im Stand der Technik eindeutig nahegelegt. So heiße es just in E2, insbesondere im Absatz auf Seite 5 unten und Seite 6 oben, daß bei Verwendung eines Abschirmsystems mit einer einzelnen Spule 22 zur Aufhebung eines durch ein Spulensystem erzeugten äußeren Felds das innere Feld dieses Spulensystems erheblich geschwächt werde. Eine solche Schwächung würde nicht auftreten, wenn das Abschirmsystem so konstruiert werden könnte, daß das innere Feld im wesentlichen dem Feld entspräche, das erzeugt würde, wenn das Abschirmsystem nicht vorhanden wäre. Insofern sei die in Anspruch 14 enthaltene Definition des Felds innerhalb des Abschirmsystems ein bloßer Wunsch und damit von sich aus naheliegend.

iv) Wie etwa der Zusammenfassung von D2 zu entnehmen sei, könne ein Abschirmsystem mehrere Abschirmspulen umfassen. Solle eine dieser Spulen das von einer anderen Spule erzeugte Feld partiell aufheben, so sei für den Fachmann naheliegend, daß die Spulen so angeordnet sein müßten, daß sich die Felder dort, wo die Aufhebung erzielt werden solle, überlappten. Befinde sich dieser aufzuhebende Bereich im Innern einer Abschirmspule, so liege auf der Hand, daß die beiden Abschirmspulen ineinander angeordnet sein müßten.

v) Der Fachmann könne also über eine Kombination von E2 und D2 zum Gegenstand des Anspruchs 14 gelangen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

VII. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang wie folgt:

Ansprüche: Anspruch 1 wie in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2000 eingereicht; Ansprüche 2 bis 15 in der Fassung der Patentschrift;

Beschreibung: Seiten 2 und 4 bis 23 in der Fassung der Patentschrift, Seite 3 wie in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2000 eingereicht;

Zeichnungen: Figuren 1 bis 38 der Patentschrift.

VIII. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der unnötigen, d. h. nicht im Zusammenhang mit der Entscheidung über die mangelnde Neuheit des Gegenstands von Anspruch 3 getroffenen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig.

2. Zulässigkeit der Beschwerde der Einsprechenden

2.1 Die Formel der angefochtenen Entscheidung lautet gem. EPA Form 2331 wie folgt: “Das europäische Patent Nummer 0216590 wird widerrufen”; die auf dem Formblatt vorgesehene Rubrik, in die eine etwaige weitere Entscheidung eingetragen werden kann, ist durchgestrichen.

2.2 Mit dieser Entscheidung wurde das Patent also in vollem Umfang widerrufen, d. h. es wurde nicht durch eine Zwischenentscheidung, gegen die nach Artikel 106 (3) EPÜ die gesonderte Beschwerde zugelassen wäre, teilweise widerrufen und in geändertem Umfang aufrechterhalten. Unabhängig von den Entscheidungsgründen galten daher die in Artikel 64 EPÜ vorgesehenen Wirkungen des Patents als nicht eingetreten (vgl. Art. 68 EPÜ). Damit entsprach die Entscheidung voll und ganz dem im Einspruchsverfahren gestellten Antrag der Einsprechenden, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Sie war somit nicht beschwert im Sinne des Artikels 107 Satz 1 EPÜ, wie er z. B. in der Entscheidung J 12/85, Unzulässige Beschwerde/Kureha (ABl. EPA 1986, 155) ausgelegt wurde, und ist infolgedessen auch nicht beschwerdeberechtigt im Sinne dieser Bestimmung.

2.3 Die Tatsache, daß sich der Einspruch laut Einspruchsschrift gegen das Patent “in vollem Umfang” richtete, d. h. daß gegen alle Ansprüche Einspruch erhoben wurde, bedeutet gemäß der ständigen Praxis und Rechtsprechung des EPA nicht, daß die Einsprechende eine Entscheidung beantragte, der zufolge kein einziger Anspruch des Patents die Erfordernisse des EPÜ erfüllt. Sie bedeutet vielmehr, daß beantragt wurde, das Patent nicht einmal nach Streichung eines Teils der Ansprüche in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten – diesem Antrag wurde mit der angefochtenen Entscheidung voll und ganz entsprochen.

2.4 Die Kammer stimmt mit der Einsprechenden darin überein, daß die Einspruchsabteilung nicht hätte den Eindruck erwecken dürfen, als habe sie entschieden (in strengem Sinn), daß bestimmte Prioritäten zu Recht in Anspruch genommen wurden und der Gegenstand des Anspruchs 14 neu und erfinderisch war, zumal dies für das Ergebnis, daß es dem Gegenstand von Anspruch 3 an Neuheit mangelte – was ja der angefochtenen Entscheidung als ratio decidendi zugrunde lag -, nicht von Belang war. Die Kammer sieht darin jedoch eher eine fehlerhafte Ausdrucksweise als einen wesentlichen Verfahrensmangel. Im Interesse eines insgesamt effizienten und zügigen Verfahrens war es nämlich durchaus sachdienlich und sinnvoll, daß die Einspruchsabteilung in ihre Entscheidung begründete Feststellungen als obiter dicta aufgenommen hat, die eine Zurückverweisung verhindern könnten, falls ein Widerruf, der sich auf eine bestimmte ratio decidendi stützt, im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden sollte. Die Tatsache, daß diese Feststellungen in der vorliegenden Sache bei ihrer Verkündung etwas irreführend als “weitere Entscheidungen” bezeichnet wurden, die die eigentliche Entscheidung “mit umfaßt”, stellt nach Ansicht der Kammer noch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar. Wie oben gezeigt (Nr. 2.1), bringt die Entscheidungsformel in dieser Sache ganz klar zum Ausdruck, daß de facto keine weiteren Entscheidungen ergangen sind, und macht auch deutlich, welche Feststellungen und Begründungen die ratio decidendi bildeten; die Feststellungen, deren Titulierung als Entscheidungen die Einsprechende zu Recht beanstandet, konnten keine ratio sein, weil sie die Entscheidungsformel eindeutig nicht stützen.

Insbesondere geht aus der Entscheidungsformel unmißverständlich hervor, daß es sich bei der angefochtenen Entscheidung nicht um eine Zwischenentscheidung handelt, die das Patent gemäß Artikel 102 (3) EPÜ in geändertem Umfang aufrechterhält.

2.5 Die Kammer merkt in diesem Zusammenhang an, daß die Feststellung der Einspruchsabteilung bezüglich der Neuheit des geänderten Anspruchs 1 keineswegs überflüssig war, wie es die Einsprechende in ihrem Vorbringen andeutet. In der vorliegenden Sache bewirkt der in Anspruch 3 enthaltene Rückbezug auf Anspruch 1 nämlich, daß Änderungen des Anspruchs 1 auf Anspruch 3 durchschlagen, und es ist zumindest der Standpunkt vertretbar, daß sich die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 über diese Verbindung auf Anspruch 3 übertragen läßt, so daß die diesbezüglichen Feststellungen für das Ergebnis doch von Belang waren und somit zur ratio decidendi gehören.

2.6 Die Kammer verweist darüber hinaus auf die logische Folgerung aus der Tatsache, daß die Einsprechende durch den Widerruf nicht beschwert ist, nämlich darauf, daß die Patentinhaberin – anders als von der Einsprechenden behauptet – nicht vor einer reformatio in peius geschützt ist. Die Entscheidung G 9/92, Nicht-beschwerdeführender Beteiligter/BMW (ABl. EPA 1994, 875) gilt nur für Zwischenentscheidungen, die ein Patent in geändertem Umfang aufrechterhalten und sowohl den Patentinhaber als auch den Einsprechenden beschweren können. Mithin ist die Einsprechende in ihrer Eigenschaft als nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ von Rechts wegen am Beschwerdeverfahren Beteiligte bei ihren Anträgen oder ihrem Vorbringen keineswegs durch ihren Status als Nicht-Beschwerdeführerin eingeschränkt.

2.7 Da die Einsprechende aus den obigen Gründen durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist, erfüllt ihre Beschwerde nicht das Zulässigkeitserfordernis des Artikels 107 Satz 1 EPÜ.

2.8 Das Vorbringen der Einsprechenden wird daher im folgenden als das einer Beschwerdegegnerin im Rahmen der zulässigen Beschwerde der Patentinhaberin behandelt.

3. Änderungen – Artikel 123 (2) und (3) EPÜ

Die Kammer hält die Änderungen aus den in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen nach Artikel 123 (2) und (3) EPÜ für zulässig. Was die Einsprechende diesbezüglich in der Beschwerdebegründung vorbringt, ist im wesentlichen eine Wiederholung dessen, was im Einspruchsverfahren angeführt wurde, und die Kammer hat den Erwägungen und Schlußfolgerungen der Einspruchsabteilung in diesem Punkt nichts hinzuzufügen.

4. Artikel 100 b) EPÜ

4.1 Die Einsprechende behauptet praktisch, daß die Offenbarung und der Umfang des Anspruchs 1 divergieren. Die Kammer ist von diesem Argument, wie immer man es betrachtet, nicht überzeugt. Die Lehre des Anspruchs 1 handelt von einem Ansatz zum Entwerfen einer Abschirmspule, der sich radikal von den bekannten Ansätzen unterscheidet und deshalb in einer Weise beansprucht wird, die diesen Unterschied angemessen zur Geltung bringt. Zugleich wird die Art, wie dieser Konstruktionsansatz umgesetzt werden kann, in der Beschreibung systematisch und didaktisch dargelegt und erläutert, beginnend mit dem Beispiel der Abschirmung eines unendlich langen geraden stromführenden Drahts bis hin zur Abschirmung von Sattelspulen, die ein Gradientenfeld erzeugen.

4.2 Die Kammer läßt auch nicht gelten, daß die Einsprechende von Anspruch 1 behauptet, es würden sämtliche Wege zur Herbeiführung eines Ergebnisses beansprucht. Das Ergebnis ist ein im wesentlichen Null betragendes äußeres Feld, der Anspruch ist jedoch ausdrücklich auf ein bestimmtes Verfahren zu dessen Herbeiführung gerichtet.

5. Anspruch 1

5.1 Neuheit

5.1.1 Das Argument der Einsprechenden, daß die Änderung in Form des eingefügten Satzteils “für ein NMR-Bildgebungsgerät” den Anspruch nicht beschränke, wurde nach dem Verständnis der Kammer in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung widerlegt (Nrn. 7 und 8 des Protokolls), wo darauf verwiesen wurde, daß die Eignung für die Anwendung in der NMR-Bildgebung Zugang zu einem Bildgebungsvolumen voraussetze. Aus diesem Grund wäre das im wesentlichen zweidimensionale Abschirmkonzept (“endlose Z’-Achse”), das für die Abschirmung eines Quadrupolmagneten für einen Teilchenbeschleuniger aus E1 bekannt ist, für die NMR-Bildgebung ungeeignet und könnte nicht neuheitsschädlich sein. Selbst wenn man zugunsten der Einsprechenden davon ausginge, daß der Fachmann wüßte, wie man mit den durch die Endlichkeit der Spulenlänge bedingten Problemen umgeht, wäre damit noch nicht gesagt, daß auch nur implizit tatsächlich ein für die NMR-Bildgebung geeignetes Verfahren zum Entwerfen von Spulen offenbart würde.

5.1.2 Ebensowenig überzeugt die Kammer das weitere Argument der Einsprechenden, wonach die Stromverteilung auf den Oberflächen der koaxialen geraden Kreiszylinder des Beispiels in Spalte 4, Zeilen 39 ff. von E1 dieselbe sein müsse wie die im Verfahren nach Anspruch 1 spezifizierte, weil beide dasselbe, Null betragende äußere Feld erzeugten. Abgesehen davon, daß dieses Argument außer acht läßt, daß es sich bei dem Beispiel um eine zweidimensionale, für die NMR-Bildgebung ungeeignete Geometrie handelt, stellt die Kammer fest, daß der Anspruch nicht das Ergebnis, sondern das Verfahren zu dessen Herbeiführung beansprucht, d. h. das Verfahren zur Erzielung der Stromverteilung. Selbst wenn man also zugunsten der Einsprechenden davon ausgeht, daß die Stromverteilungen zumindest im idealen oder mathematischen Grenzfall identisch sind – was die Einsprechende nicht einmal für eine konkrete Geometrie nachgewiesen hat -, so wäre das Verfahren gemäß Anspruch 1 dennoch neu, weil die physischen Schritte des Entwerfens, d. h. das Anordnen der Drähte und das Dimensionieren der Ströme, wodurch die Annäherung an die ideale theoretische Stromverteilung erfolgt, insofern anders sind, als sie auf mathematisch bestimmten Berechnungsmethoden beruhen. Hier geht es nicht um die Patentierung einer neuen, einfallsreichen Art der Beschreibung eines bekannten Verfahrens, sondern um die Widerlegung der Auffassung, daß identische Ziele zwangsläufig auf identischem Weg erreicht werden.

5.1.3 Um etwaigen Mißverständnissen der Position der Kammer vorzubeugen, ist zu betonen, daß die hypothetische supraleitende Oberfläche – auch wenn sie per definitionem kein konkretes Verfahrensmerkmal ist – dennoch ein legitimes Mittel darstellt, um den Konstruktionsalgorithmus zu definieren, der dann zu den physischen Konstruktionsschritten der Selektion von Drahtlage, Stromgrößen und Magnetfeld führt, genauso wie z. B. eine fiktive Spiegelebene benutzt werden kann, um die Anordnung einer Matrix konkreter Objekte zu beschreiben.

5.1.4 Die Kammer ist deshalb zu dem Ergebnis gelangt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber E1 neu ist. Die Einsprechende hat nicht geltend gemacht, daß es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber anderen Dokumenten an Neuheit mangelt.

5.2 Erfinderische Tätigkeit

5.2.1 Die angefochtene Entscheidung enthält keine Feststellung darüber, ob der Gegenstand des Anspruchs 1 als erfinderisch im Sinne des Artikels 56 EPÜ gilt. Ebensowenig hat die Einsprechende diese Frage im Beschwerdeverfahren vorgebracht, und da sie der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ferngeblieben ist, konnte sie nicht aufgefordert werden, das Versäumnis bei dieser Gelegenheit wettzumachen. Angesichts der technischen Gegebenheiten in der vorliegenden Sache (siehe Nr. 5.2.2) sieht die Kammer dies nicht als Grund für eine Zurückverweisung an die erste Instanz an – zumal das Streitpatent bereits seit 1986 vor dem EPA anhängig ist. Eine Zurückverweisung wurde auch von der Einsprechenden nicht beantragt. Über diesen Punkt wird die Kammer daher in Ausübung ihrer Befugnisse nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ entscheiden.

5.2.2 Folgende, die Neuheitsfrage betreffende Feststellung der Einspruchsabteilung unter Nummer 3 der angefochtenen Entscheidung:

“Keines der angeführten einschlägigen Dokumente, die … nach Artikel 54 (2) EPÜ zu berücksichtigen sind, nämlich die Dokumente E1 bis E11 und K2, offenbart im Zusammenhang mit einem Verfahren zum Entwerfen einer Abschirmspule für ein NMR-Bildgebungsgerät den Schritt des Berechnens der induzierten Stromverteilung in einer hypothetischen kontinuierlichen supraleitenden Metalloberfläche, die am Ort der Drähte der Abschirmspule angeordnet ist, wie es im vorliegenden Anspruch 1 der Fall ist”

ist nach Auffassung der Kammer gleichbedeutend mit der Feststellung, daß angesichts des aktenkundigen Stands der Technik das in Anspruch 1 spezifizierte Verfahren zum Entwerfen einer widerstandsbehafteten Abschirmspule einschließlich des besagten Schrittes für den Fachmann nicht naheliegend war. Der Grund, warum sich die Kammer in der Lage sieht, hier ausnahmsweise von der Neuheit auf die erfinderische Tätigkeit zu schließen, besteht darin, daß der auf einer hypothetischen supraleitenden Oberfläche basierende Konstruktionsansatz so radikal anders ist als die bekannten Ansätze, daß er im Stand der Technik unmöglich nahegelegt werden könnte, ohne genannt zu werden. Schon die Verwendung einer realen supraleitenden Oberfläche führt weg von der Lehre der Verwendung einer hypothetischen supraleitenden Oberfläche, die für die Erkenntnis, die der in Anspruch 1 beanspruchten Erfindung zugrunde liegt, von zentraler Bedeutung ist. Unabhängig davon, welche Entgegenhaltung beim Aufgabe-Lösungs-Ansatz als nächstliegender Stand der Technik herangezogen wird, ist demnach zu folgern, daß die Lösung gemäß Anspruch 1 weder aus dieser Entgegenhaltung allein noch aus der Kombination mit einem anderen aktenkundigen Dokument oder aus dem allgemeinen Fachwissen herleitbar ist.

5.2.3 Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß im Beschwerdeverfahren kein auf E11 gestütztes Argument vorgebracht wurde, obwohl die angefochtene Entscheidung unter Nummer 5 die Einführung von E11 in das Verfahren damit begründet, daß “E11 in der Frage, ob der vorliegende Anspruch 1 erfinderisch ist, eine Rolle spielen könnte”, und die Kammer sich nicht in der Pflicht sieht, im Namen der Einsprechenden ein solches Argument anzuführen.

6. Anspruch 3

6.1 Die Kammer hält die Begründung in Nummer 6 der angefochtenen Entscheidung nicht für schlüssig. In Nummer 6 a) wird auf weite Teile der Beschreibung und der Ansprüche von E2 verwiesen, die angeblich “alle im vorliegenden Anspruch 3 genannten Vorrichtungsmerkmale” offenbaren, wobei die spezifischen Merkmale des Anspruchs aber nicht schlüssig und überzeugend aus der Offenbarung von E2 herausgelesen wurden. So wird auf Anspruch 9 von E2 verwiesen, obwohl in diesem Anspruch von “Zylindern aus einem supraleitenden Material” die Rede ist, während Anspruch 3 des Streitpatents durch die Bezugnahme auf Anspruch 1 ausdrücklich auf “eine widerstandsbehaftete Abschirmspule” beschränkt ist.

6.2 Dieser letzte Punkt ist einer der Gründe, warum sich die Kammer nicht der Behauptung in Nummer 6 b) der angefochtenen Entscheidung anschließt, wonach die Verfahrensmerkmale, die Anspruch 3 aufgrund der Bezugnahme auf Anspruch 1 enthält, die Abschirmung als solche nicht beschränken könnten. Eine weitere Art der Beschränkung, die dem Anspruch 3 – entgegen der Feststellung der Einspruchsabteilung – aus Anspruch 1 zufällt, besteht in der Qualität der Annäherung an ein im wesentlichen Null betragendes Feld auf der der elektrischen Spule abgewandten Seite der Abschirmung. Wendet man den Rechenschritt gemäß Anspruch 1 an, so führt dies bei einer bestimmten Geometrie zu bestimmten Stromgrößen und bestimmten Lagen der Leiter in der Abschirmung, und die Kammer vermißt einen überzeugenden Nachweis dafür, daß sich bei der Anwendung der Lehre von E2 dieselben Größen und Lagen ergeben würden. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß – weil E2 die Erzeugung einer Abschirmung anstrebt, die “zumindest teilweise ein äußeres magnetisches Streufeld des ersten Magneten kompensiert” (E2, Seite 2, Zeilen 9 bis 10), wobei eine völlig andere mathematische Konstruktionsregel unter Einbeziehung der Feldstärken und Querschnitte der ersten und der zweiten Spule angewandt wird (a. a. O., Zeilen 22 bis 37) – die Ströme und Drahtlagen und Magnetfelder der so erzeugten Abschirmung im wesentlichen mit denen identisch sind, die in einer Abschirmung gemäß Anspruch 3 des Streitpatents vorliegen. Das von der Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren vorgelegte Beweismaterial – das von der Einsprechenden nicht in Frage gestellt wurde – zeigt vielmehr, daß die zwei Abschirmungen ein stark unterschiedliches äußeres Feld aufweisen. Nach Ansicht der Kammer ist das äußere Magnetfeld, das die Abschirmung bei Gebrauch erzeugt, ein Vorrichtungsmerkmal, anhand dessen sich die beanspruchte Abschirmung von einer im Stand der Technik bekannten Abschirmung unterscheiden läßt, und das in der Akte enthaltene Beweismaterial macht glaubhaft, daß es dies tatsächlich tut.

7. Anspruch 14

7.1 Neuheit gegenüber D1 (Artikel 54 (3) EPÜ)

Was die Feststellung der Einspruchsabteilung betrifft, daß dem Anspruch 14 des Streitpatents die Priorität vom 19. Juni 1986 zusteht, so hat die Einsprechende in ihrem Vorbringen im Beschwerdeverfahren zwar deren verfahrensrechtliche Zulässigkeit, nicht aber die faktische Korrektheit in Frage gestellt und sich implizit sogar auf diese Feststellung gestützt, indem sie im Beschwerdeverfahren auf der Behauptung beharrte, daß die am 12. August 1987 veröffentlichte Entgegenhaltung D1, die eine Priorität vom 6. Februar 1986 beansprucht, gemäß Artikel 54 (3) EPÜ neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 14 sei. Diese Behauptung wurde in Nummer 4 a) der angefochtenen Entscheidung widerlegt; die Kammer hat dem nichts hinzuzufügen.

7.2 Neuheit – Artikel 54 (2) EPÜ

Die in Nummer 4 a) ii) der angefochtenen Entscheidung enthaltene Begründung dafür, daß der Gegenstand von Anspruch 14 gegenüber allen vorveröffentlichten Dokumenten in der Akte neu ist, wurde im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt. Die Kammer sieht ebenfalls keinen Grund, von dieser Feststellung abzugehen.

7.3 Erfinderische Tätigkeit

Das Argument der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren, der Gegenstand des Anspruchs 14 sei nicht erfinderisch, wenn man E2 und D2 miteinander kombiniere, wurde in der angefochtenen Entscheidung unter Nummer 4 b) ebenfalls im großen und ganzen widerlegt. Der Gedanke, daß es ein naheliegender Wunsch war, ein zweispuliges Abschirmsystem so zu konstruieren, daß die Schwächung des Feldes innerhalb der inneren Abschirmung vermieden wird, überzeugt die Kammer nicht, da – wie es in der angefochtenen Entscheidung a. a. O. heißt – diese Schwächung in D2 als faktische Gegebenheit hingenommen wird (D2, Absatz auf Seite 7 und 8). Im übrigen ist der Verweis der Einsprechenden auf “mehrere Abschirmspulen” in der Zusammenfassung von D2 etwas irreführend. Im Sprachgebrauch von D2 ist der “erste Spulensatz” der Spulensatz, der das gewünschte Feld im Arbeitsvolumen erzeugt, während der “zweite Spulensatz” der einzige Satz von Abschirmspulen in einer dreispuligen Maxwell-Konfiguration ist (D2, Seite 7 letzter Absatz). Nach Ansicht der Kammer gibt die Abschirmfunktion dieser drei Spulen, die axial in einem gleichmäßigen Abstand zum Maxwell-Triplett der Hauptfeldspulen angeordnet sind, keinen Hinweis auf eine Konfiguration, in der eine Abschirmspule in einer anderen Abschirmspule angeordnet ist, wie in Anspruch 14 spezifiziert.

8. Die Kammer vertritt die Auffassung, daß das entsprechend dem einzigen Antrag geänderte Patent und die ihm zugrunde liegende Erfindung die Erfordernisse des EPÜ erfüllen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Einsprechenden wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

3. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in folgender Fassung in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten:

Ansprüche: Anspruch 1 wie in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2000 eingereicht; Ansprüche 2 bis 15 in der Fassung der Patentschrift;

Beschreibung: Seiten 2 und 4 bis 23 in der Fassung der Patentschrift, Seite 3 wie in der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2000 eingereicht;

Zeichnungen: Figuren 1 bis 38 der Patentschrift.